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Im Interview Lars Steinhöfel

vvg - 25.05.2018 - 07:00 Uhr

Bekannt ist der Schauspieler vielen von uns aus der RTL-Serie „Unter uns“. Seit 2005 verkörpert er hier die Rolle von „Easy“. Wir trafen den 32jährigen im Kölner Studio, um mit ihm über seinen Werdegang und den unerwarteten Medienrummel wegen seines Outings zu sprechen.

Du hast deine erste Theater-Rolle in „Und Zille mittenmang…“ durch ein Casting bekommen, wann hattest du den Wunsch, Schauspieler zu werden?
Den hatte ich eigentlich nie. Mit elf Jahren war ich total computerfanatisch und habe immer gezockt. Mein Stiefvater meinte dann, ich müsse etwas mit meinem Leben anfangen und hat mich zum Computerkurs geschickt, weil er in der IT-Branche die Zukunft sah. Als er dahinterkam, dass ich den Kurs immer schwänzte, war er der Auffassung ich bräuchte ein Hobby. Zeitgleich sah er in der „BZ“ einen Aufruf zu einem Casting für eine Kinderrolle im Berliner „Hansa Theater“, was mich tatsächlich interessierte. Er meinte, wenn ich dort genommen würde, bräuchte ich den Kurs nicht machen. Ich ging zum Casting und wurde wirklich genommen; das war wohl der Startschuss für mich. Meine Lehrer auf dem Gymnasium fanden das übrigens nicht so gut, da ich immer bis 23:30 Uhr auf der Bühne stand und entsprechend übermüdet im Unterricht saß.

Dadurch hast du „Blut geleckt“ und bist zum danach zum Blutsauger geworden …?
Du meinst, als ich 2011 „Biss zur großen Pause – Das High School Vampir Grusical “ gedreht habe? Das war aber später. Nach dem Theater habe ich drei Jahre als Synchronsprecher gearbeitet; dann erst folgten Film- und TV-Rollen. Nach einem Jahr in den USA drehte ich „Hallo Robbie“, eine Staffel „Stefanie – Eine Frau startet durch“, „Die Brücke“ und erst dann kam der Vampirfilm, in dem ich den Blutsauger Edwin Wolfenstein spielte, der nicht beißen wollte.

Kennst du das, das Fans nicht nur nett sind, sondern dich auch bis aufs Blut nerven können?
Am Anfang von „Unter Uns“ gab es ein paar verrückte Situationen: Da sind mir schon einige Fans bis nach Hause gefolgt, so dass sie wussten, wo ich wohnte. Einmal hatte ich aus Versehen meine Handyrechnung offen im Auto liegen lassen; da musste ich umgehend meine Nummer wechseln. Mittlerweile hat sich das alles beruhigt, ich bin ja auch älter geworden.

Du spielst seit dem 23. Mai 2005 den Ingo „Easy“ Winter bei „Unter Uns“; wieder durch ein Casting?
Ich sollte zuerst zu einem Casting für GZSZ; ich wollte aber zunächst die Schule zu Ende bringen und habe es mittendrin abgesagt. Dann lag das Casting-Angebot zu „UU“ auf dem Tisch – das habe ich dann angenommen und kam ziemlich schnell in die Endrunde. Genau an meinem 19. Geburtstag im Januar 2005 kam der Anruf mit der Rollenzusage. Die Dreharbeiten sollten zwei Monate später starten und ich habe mir sehr viel Zeit für meine endgültige Zusage gelassen. Nach langen Überlegungen, habe ich also doch die Schule abgebrochen und die Rolle angenommen. Aber nur mit der Gewissheit, dass ich den Schulabschluss irgendwann nachhole.

Nun stand kürzlich im Drehbuch, dass sich Easy und Ringo (gespielt von Timothy Boldt) am Kölner HBF küssen sollten. Hattest du vor dem Drehtermin Bedenken?
Nein, gar nicht. Außenaufnahmen sind immer schwieriger, weil viele Leute zuschauen. In der Regel übersieht man das aber und konzentriert sich auf den Dreh. Erst am Drehort fragte ich mich, was hier los war, weil es böse Zwischenrufe gab. Wir waren nur ein kleines Team und echt hilflos. Da wurden Rufe laut, wie „Schwule sollte man steinigen/verbrennen/vergasen!“ Wir hatten schon überlegt, ob wir das zur Anzeige bringen sollten, aber ich glaube, dadurch schürt man den Hass nur noch mehr. Wie soll man sich also verhalten? Ich konnte damit schlecht umgehen; Am liebsten wäre ich auf die Leute zugegangen, hätte sie umarmt und mit ihnen geredet, um sie aufzuklären. Ich kannte so etwas aus meinem Umfeld bisher nicht und bin mit Hass auch nicht aufgewachsen. Ich finde solch ein Benehmen emotional unintelligent. Vielleicht fehlt diesen Leuten ja auch einfach das Gen für Empathie und sie können gar nichts dafür, dass sie so geworden sind, wie sie sind?

Der 1. TV-Kuss, den Georg Uecker vor 31 Jahren einem Mann in der Serie „Lindenstrasse“ gab, erregte die Gemüter und war ein Skandal. Erregt ein Männer-Kuss 2018 immer noch die Gemüter?
Es scheint wohl so. Ich glaube aber, ein Kuss an sich ist gar nicht so schlimm. Wenn es nur um die Romantik geht, wird der Kuss eher angenommen, als wenn es um das rein Sexuelle geht. Schwule werden nach außen hin immer nur mit dem Thema Sexualität in Verbindung gebracht. Unsere Serien-Rollen gehen wie ein „normales Paar“, sehr liebevoll miteinander um und fallen nicht im Bett übereinander her, sondern sind halt in Situationen des täglichen Lebens zu sehen. Im Internet ist das noch schwieriger, da nehmen die User kein Blatt mehr vor den Mund, um ihren Hass freien Lauf zu lassen. Meist sind es Männer die glauben, beleidigende Kommentare abgeben zu müssen. Aber der Großteil plädiert schon für Toleranz – zum Glück.

So wie es Oliver Kalkofe auf der Plakataktion „Anders ist besser?“ macht, wo er Peter Rütten küsst und die Kritiker mit den Worten „Gegen Dummheit helfen keine Pillen!“ brüskiert.
Ja, aber wenn man Menschen erreichen und aufklären möchte, sollte man nicht Worte wie „Dummheit“ benutzen. Man sollte erst einmal Verständnis für sie aufbringen und sie zum Nachdenken bringen. Wenn man ihnen auf Augenhöhe begegnet und versucht, sie zu verstehen, werden einige doch ganz ruhig. Wenn sie sich sperren, dann nur, weil sie merken, dass sie nicht an einen gewissen Grad an Intelligenz rankommen. Schlimm finde ich es, wenn homophobes Verhalten von Eltern kommt. Was ist, wenn sich deren Kinder einmal outen müssen?

Du engagierst dich auch bei jungen Menschen …
Nach meinem öffentlichen Outing bin ich im Rahmen des Projektes „Jugend gegen AIDS“ in verschiedene Schulen gegangen, um Gleichaltrige und Jüngere über HIV und AIDS zu informieren und aufzuklären.

Was war denn leichter: Dein Outing, oder das von Easy?
Mein persönliches, weil es echt Zeit dafür wurde, denn da war ich schon 28 Jahre, als es öffentlich wurde. Ich wollte mich nicht weiter von Fremden erpressbar machen, dann erzähle ich doch lieber MEINE Geschichte selbst und nehme den Leuten den Wind aus den Segeln. Als dann die Bild-Zeitung nachfragte, habe ich mich dazu geäußert. Ich dachte, dadurch mache ich vielleicht jungen Leuten Mut, nicht den gleichen Fehler zu machen und zu lange damit zu warten. Aber meine Familie wusste das schon seit meinem 18. Lebensjahr.

Aktuell hat sich Conchita Wurst als HIV+ geoutet - Warum denken Menschen immer noch, dass man mit einem Outing erpressbar ist?
Das ist so schrecklich. Man glaubt, man hat mit der richtigen Person einen Teil seines Lebens geteilt und plötzlich ändert sich die Situation und der leider falsche Partner versucht dich zu erpressen und fällt dir in den Rücken. Da fragt man sich doch, ob man die Person überhaupt gekannt hat, mit der man mal zusammen war und die man geliebt hat. Was muss passiert sein, dass so ein Mensch zu solchen Maßnahmen greift; das ist unmenschlich.

2001 hieß einer deiner Filme: „Unser Papa, das Genie“ – war dein Vater bei deinem Outing auch ein Genie?
Das war ein schwieriges Thema und führte dazu, dass ich 7 Jahre keinen Kontakt zur Familie väterlicherseits hatte. Ich konnte einfach nicht über meinen Schatten springen und verzeihen. Letztendlich haben wir dadurch 7 Jahre verloren, was nicht hätte sein müssen. Heute ist das alles ausgestanden.

Ringo sagt vor der berühmten Kuss-Szene zu Easy: „Ich liebe dich, wie ich noch nie jemanden geliebt habe“; hörst du das nicht auch von deinen Fans?
Nein, aber was mich berührt, sind die Briefe, in denen sich junge Fans bei mir bedanken, weil ich ihnen Mut gemacht habe, sich zu outen. Das finde ich großartig, weil ich merke, dass ich etwas bewegt habe. Man sollte aber nie jemanden zwingen sich zu outen. Das muss einfach vom Gefühl her jeder für sich selbst bestimmen. Ich kann heute mit meinen 32 Jahren sagen: Wenn du Angst hast, jemanden durch dein Outing in deinem Leben zu verlieren, dann war das auch nicht der richtige Mensch für dich.

Hast du Ringos Formulierung auch schon mal privat angewendet?
Ich glaube, so schmalzig habe ich das noch nie rübergebracht. Aber meine Partner haben immer gewusst, dass ich sehr viel für sie empfinde.

Empfandest du den ganzen Medienrummel eher positiv oder negativ?
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass so viele auf den Zug aufspringen, aber anscheinend ist ein „Outing“ immer noch Thema, welches in den Medien immer wieder gerne benutzt wird. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist. Gut ist aber: Je mehr Leute sich bekennen, umso besser ist es, damit alle Menschen erkennen, dass Homosexualität ganz normal ist. Und man würde nicht nur die Klischees sehen, sondern die vielen Facetten.
Dass mit Tom (gemeint ist Conchita) ist ja noch krasser. Ich habe auch Freunde, die HIV+ sind – einer meiner Exfreunde war auch infiziert – doch wenn man damit umgeht und offen darüber spricht und sich informiert, ist das ein Thema, mit dem man leben und umgehen kann. Dass man damit jemanden erpresst und ihn öffentlich outen will, ist einfach niederträchtig. Ich bin einfach zu naiv und blauäugig und begegne jedem Menschen so, wie er mir begegnen soll. Da ist es mir egal, ob einer Positiv ist, oder welche Krankheit er hat.


Du tanzt gerne Salsa und Walzer, hat dich RTL denn noch nicht zu „Let`s Dance“ aufgefordert?
Nein, leider nicht; irgendwie wollen die mich nicht. Ich liebe die Sendung und würde da gerne mittanzen und ich glaube ich würde das auch ganz gut machen. Ich tanze übrigens auch gerne Merengue und Bachata. Von GZSZ und AWZ waren schon öfter Kollegen dabei, von „UU“ war einmal Milos dabei, der den Paco spielt. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Vielleicht wäre es doch auch schön und an der Zeit, wenn mal ein Mann mit einem Mann tanzt...

Und wenn der Dschungel rufen würde?
Ich war ja von Claudelle Deckert damals 2013 die Begleitperson in Australien, da haben mir Leute schon diese Frage gestellt. Ich glaube ich wäre einfach zu langweilig für das Format; kein Zuschauer will einen Moralapostel sehen.

Bist du eigentlich Single?
Nein, ich bin seit September in einer Beziehung. Mein Mann ist total süß, sehr vernünftig, hat Weitblick und ist im Umgang mit Menschen super. Mich interessiert keiner, der sich mit Belanglosem beschäftigt, sondern ich möchte jemanden an meiner Seite haben, der genauso emphatisch ist wie ich. Und ich lebe nach dem Motto: „Behandele Menschen so, wie du selber gerne behandelt werden möchtest.“ So hat mir meine Mama das beigebracht.

Was macht dir Angst?
Vor Jahren hatte ich mal die Angst vor dem Alter und dem Alleinsein. Ich habe ja den Traum von einer monogamen Beziehung; was ist also, wenn man im Alter plötzlich alleine dasteht? Und gerade die Gay-Community schließt ja viele Gruppen – besonders ältere Menschen – aus. Ich denke dann immer, wenn wir als „Community“ selbst keine Einheit bilden können, warum sollen uns dann andere als solche ansehen?

Wann kocht bei dir das Blut?
Bei Ungerechtigkeit, wenn man z.B. den Behörden hilflos ausgeliefert ist. Wenn jemand Recht hat, es aber nicht beweisen kann. Und wenn Eltern ihre Kinder anschreien - sicherlich gibt es Situationen, in denen Eltern genervt sind, aber man muss doch nicht direkt laut werden. Meine eigenen Kinder werde ich besser behandeln.

Wie geht es mit Easy und vor allem mit dir weiter?
Ich weiß, dass mein Vertrag Ende des Jahres ausläuft. Eine Verlängerung hängt immer von der Rolle ab, wie man diese weiter einplanen kann und wie sie beim Publikum ankommt. Ich habe inzwischen auch das Abi erfolgreich nachgeholt und überlege im Fall eines Ausstiegs auf Lehramt umzusteigen – also ein Studium zu beginnen. Privat wünsche ich mir irgendwann mit meinem Mann ein eigenes Haus, einen Hund und ein Kind zu haben.

Ist eigentlich der Schriftsteller und Kinder-, Jugend- und Drehbuchautor Andreas Steinhöfel ein Verwandter?
Nein, aber mein allererstes Buch war zufälliger Weise „Die Mitte der Welt“. Das ist ein großartiges Buch, welches mich total geflasht hat. Ich wollte damals nicht nur die Hauptrolle spielen, sondern auch den Autor persönlich kennen lernen. Dazu kam es bisher leider nicht.

Aber vielleicht lernst du deinen Namensvetter noch kennen. Hast du sonst noch einen Wunsch?
Ja, schreib bitte, dass ich meinen Mann ganz doll lieb habe; darüber freut er sich bestimmt.
 

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