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Zug um Zug Karneval und CSD

vvg - 03.07.2018 - 07:00 Uhr

Alexander Dieper ist Zugleiter des Kölner Karnevals, Jörg Kalitowitsch, Leiter der Kölner CSD Parade – wir baten beide zum Gespräch und fragten nach ein paar Unterschieden.

Könnt ihr euch in 2-3 Sätzen vorstellen?
Alexander Dieper: Ich bin 56 Jahre alt, verheiratet, habe 3 Kinder und bin von Beruf Vermessungsingenieur. Seit 13 Jahren bin ich beim Festkomitee Kölner Karneval, davon 8 Jahre lang stellvertretender Zugleiter unter Christoph Kuckelkorn. Seit einem Jahr leite ich den Rosenmontagszug. Mein Einstieg ins Festkomitee kam durch meinen Beruf; weil wir den Zug in eine digitale Form bringen wollten. Und ich bin ein echt kölscher Junge.
Jörg Kalitowitsch: Ich nicht. Ich bin 50 Jahre alt und lebe erst seit 1999 in Köln. Ich bin seit 2008 bei der Demo dabei, arbeite beruflich im IT-Bereich, was eigentlich nichts mit dem CSD zu tun hat. Ich bin über Südhessen, Schleswig Holstein, Oberfranken und Mülheim an der Ruhr nach Köln gekommen und will hier auch nicht wieder weg.


Was ist schwerer, einen Karnevalszug oder eine CSD-Parade durch Köln ziehen zu lassen?
A: Ich habe bisher nur den einen gemacht, daher kann ich das kaum beantworten. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass einer von beiden leichter durchzuführen ist. In beiden Fällen hat man mit vielen Menschen, Behörden und Auflagen zu tun, deswegen ist das automatisch ein Job, der sehr viel Zeit neben dem Hauptjob in Anspruch nimmt.
J: Ich habe letztes Jahr den Rosenmontagszug von Anfang bis Ende begleiten dürfen und kann sagen, im Großen und Ganzen sind sich beide Veranstaltungen ähnlich. Es gibt unterschiedliche Details. Aber wer den einen Zug bzw. die Demo stemmt, käme sicher auch mit dem anderen klar.


Wie viele Menschen waren 2018 beim Zug und wie viele 2017 bei der Demo dabei?
A: Unsere Zugstrecke beträgt 7,5 km, an Zugteilnehmern hatten wir etwa 11 Tausend. Es gibt eine Obergrenze bei 12 Tausend, die wir aus versicherungstechnischen Gründen nicht überschreiten dürfen. Bei uns fahren etwa 60 Bagagewagen, das sind die mit dem Wurfmaterial. Dann gibt es ca. 80 Festwagen und Kutschen und ungefähr 235 Reiter. Im Kölner Zentrum und am Zugweg sind - so wird immer behauptet - eine Million Karnevalsjecken beteiligt. Das wurde vor Jahren mal von der Polizei vom Hubschrauber aus mit einer Wärmekamera berechnet.
J: Unser Zugweg misst mit 3,7 km nur knapp die Hälfte. Teilnehmende Menschen im Zug sind laut Polizei 30.000. Das kann man nicht genau bestimmen: Bei uns meldet sich z.B. eine Fußgruppe mit 50 Mann an, im Laufe des Weges stoßen jede Menge Teilnehmer dazu. Letztes Jahr hatten wir 85 Fahrzeuge und 53 Fußgruppen.


Wo gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede?
J: Inhaltlich sind wir weit voneinander entfernt, nicht aber organisatorisch.
A: Der entscheidende Unterschied ist: Ihr seid eine Demonstration, wir sind eine Brauchtumsveranstaltung, die ihr Sicherheitskonzept selber erstellen muss. Bei uns werden hauptsächlich Kamelle und Schokolade geworfen...
J: Bei uns werden Gummibärchen geworfen, hauptsächlich aber Gummis in Form von Kondomen verteilt. Es muss nur immer eine politische Aussage dabei sein.
A: Ich kenne die aktuelle Zuschauerstruktur beim CSD nicht, aber früher war es wohl so, dass weniger Familien mit Kindern am Zugweg standen, so wie es bei uns der Fall ist.
J: Was sich in den letzten Jahren sehr verändert hat. Eltern sind im Umgang mit dem Thema Homosexualität lockerer geworden. Und die Regenbogenfamilien werden ja auch immer mehr und vor allem offener.


Wo liegen die Probleme bei so einer Großveranstaltung?
A: Inzwischen immer mehr in den Sicherheitsbestimmungen. Die sind inzwischen so groß geworden, dass sie uns Probleme bereiten. Mir ist aufgefallen, dass die Aggressivität und der Egoismus einiger am Zugweg stehenden Menschen extrem zugenommen haben. Die schmeißen sogar unser Wurfmaterial zurück, egal ob es die Pferde oder die Zugteilnehmer trifft. Ich denke, die wollen einfach provozieren, was ich nicht begreife. Das war in diesem und im letzten Jahr so und das wird uns auch weiter begleiten.
J: Unser größtes Problem war, als Pro Köln bei uns mitlaufen wollte. Das wäre sicherlich organisatorisch eine Herausforderung geworden; aber zunächst war es ein Schock und warf die Frage auf, wie gehen wir damit um? Wir haben dank der guten Zusammenarbeit mit Stadt und Politik die Sache gut gelöst.


Garantiert ein gutes Motto auch einen guten Ablauf?
A: Bei uns steht das Motto ja für die ganze Session. Natürlich versuchen wir, das Thema in den Persiflagen widerzuspiegeln, aber mit dem Ablauf des Events hat das wenig zu tun. Da spielt das Wetter schon eine größere Rolle. Als wir vor Jahren starken Wind hatten, mussten wir uns schon gezielte Maßnahmen überlegen - ob die Veranstaltung überhaupt durchgeführt werden kann.
Bei unserem letzten Motto „Mer Kölsche danze us der Reih“ haben wir versucht, Kölner Tanzgruppen im Karneval hervorzuheben; in diesem Jahr wollen wir mit „Uns Sproch es Heimat“den Schwerpunkzt auf die Pflege der kölsche Sprache legen.
J: Bei uns war 2017 das Motto sehr präsent, weil der Bundestag kurz vorher die „Ehe für alle“ legalisiert hatte. Das sorgte dann auch für eine besonders starke Teilnahme. Wettermäßig hatten wir ja bisher immer Glück; Petrus steht ja auf unserer Seite. Obwohl: Als uns vor Jahren ein Wolkenbruch den Samstag verhagelte, tat das der Stimmung keinen Abbruch.


Bleiben beide Events Tradition oder werden sie Kommerz?
A: Bei uns steht ganz klar im Vordergrund, dass wir keine Werbung im Zug erlauben. Natürlich finanziert sich so eine Großveranstaltung nicht über Teilnehmerbeiträge. Da müssen wir schon überlegen, wie wir das für die nächsten Jahre lösen wollen.
J: Bei uns sind sicher Firmen dabei, die Diversity betreiben, die müssen sich mit dem aktuellen Motto auseinandersetzen. Damit dies im Verhältnis zu Community-Gruppen bleiben soll, haben wir die Beiträge für kommerzielle Teilnehmer erhöht und die für soziale Gruppen gesenkt
.

Euer positivstes und negativstes Erlebnis?
A: Das Schönste ist, durch die Torburg zu fahren und ganz Köln fiebert Dir entgegen. Schreckensmomente sind für mich immer, wenn Zugteilnehmer ärztlich behandelt werden müssen und man anfangs nicht weiß, was passiert ist und wie schlimm die Situation ist. Das kommt aber Gott sei Dank nicht so häufig vor.
J: Mein Horror war ähnlicher Art: da wurde ein Wagenengel durch einen LKW verletzt. Mein schönster CSD war, als ihn Conchita Wurst eröffnete. Darum freue ich mich ganz besonders, dass Conchita auch in diesem Jahr am Sonntag wieder mit dabei ist.


Euer Wunsch für die Zukunft?
A: Ich wünsche mir einen unfallfreien Zug mit vielen fröhlichen, gutgelaunten Menschen; ohne Aggressionen. Damit der Rosen-Montags-Zug wieder Strahlekraft zeigen kann.
J: Ich habe zwei Wünsche. Zum einen würde ich die Demo gerne mal nachts machen, aber das ist wohl Utopie. Und zweitens, dass wir so schnell wie möglich keine CSD-Demos mehr brauchen.


Das fänden wir schade, denn die CSDs sind die Tage, an denen die Community zusammenfindet, gemeinsam feiert und vor allem: sichtbar ist.
 

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