Umfrage: Ungewöhnlicher Job?
Pfarrer
Bei meiner Verpartnerung im September letzten Jahres war meine Kirche so voll, wie man es sonst eigentlich nur am Heiligen Abend gewöhnt ist. Das war aber keine Sensationslust, sondern eher das Ergebnis meiner 20jährigen Arbeit. Ich bin seit 1994 in der Gemeinde, war erst vier Jahre Pfarrer im Entsendungs- oder Hilfsdienst und bin seit 1998 gewählter Pfarrer mit fester Pfarrstelle. Ich habe das Stimmrecht, die Pflicht, die Gemeinde zu leiten, bin für die Finanzen und die seelsorgliche Arbeit zuständig, halte Gottesdienste, Taufen, Trauungen und Beerdigungen ab, leite den Arbeitsbereich „offene Stadt-Kirche“ mit Ausstellungen, Sondergottesdiensten u.v.a. Da hat sich die Gemeinde einfach mit mir gefreut. Das war nicht immer so: In der Anfangszeit hatte ich große Probleme, weil es zunächst viele Anfeindungen und Widersprüche gegen meine Wahl gab. Gott sei Dank stand mir mein Superintendent und späterer Präses immer zur Seite. Auch das Presbyterium half: Es gab Demos und Unterschriftaktionen für mich und dank dieser Hilfe habe ich die Stelle bekommen. Es gab sogar Morddrohungen und böse Briefe. Einige hatten wohl Angst, Unna würde durch mich zu einem schwulen Mekka und es würde nur noch rosa Gottesdienste geben. Man versuchte, biblisch zu begründen, dass Homosexualität Sünde ist und Menschen von Gott entfernt. Gott sei Dank ist das aber alles Vergangenheit!!!
Mir war schon als 13-Jähriger klar, dass ich Pfarrer werden würde. Ich bin in einem gutchristlichen Elternhaus aufgewachsen, war im evgl. Kindergarten, im Kindergottesdienst, im Konfirmandenunterricht und mit dem CVJM auf Ferienfahrt. Irgendwie gab mir der christliche Glaube Geborgenheit. Später folgten Jugendarbeit, Kindergottesdienst-Helfer, Leiter des Stadt Jugend Rings und irgendwann das Theologie-Studium. Ebenfalls so mit 13 hatte ich die ersten Spielchen mit einem Jungen, was mich persönlich in Selbstzweifel brachte. Erst nachdem ich mit meinem ersten richtigen Freund intensivere sexuelle Erfahrungen machte, habe ich mich geoutet. Zuerst ganz vorsichtig in Tübingen; später im familiären Freundeskreis, von denen ich aber nur hörte: „Erzähl uns doch mal was Neues!“. Größere Probleme hatte ich lange Zeit mit meinen Eltern. Meiner Mutter, die der Meinung war, dass ich nach der Verpartnerung wohl die Gemeinde verlassen müsste, muss wohl Hören und Sehen vergangen sein, als sie erlebte, dass 600 Menschen applaudierten. Das war schon Gänsehautfeeling pur. Ich rate übrigens JEDEM, nicht nur den evangelischen Geistlichen, sondern auch den katholischen, mutig zu sein. Man kann sich nicht immer verstecken oder verbiegen. Man muss irgendwann so leben dürfen, wie man ist, auch als Homosexueller. In unserer Gesellschaft ändert sich nur etwas, wenn wir uns trauen.
Jörg-Uwe Pehle
Maschinenbautechniker
Ich habe Maschinenbautechnik studiert und arbeite im Qualitätsmanagement bei meinem Arbeitgeber, einem der größten Konzerne der Welt. Ich bin hier für Messmittel verantwortlich (z.B. Messschieber, Bügelmessschrauben, Grenzlehrdorne,) womit man Längenmaße und Bohrabstände prüft. Wenn eine Maschine für die Fertigung eingerichtet wird, bin ich dafür verantwortlich, dass die Maße der gefertigten Teile mit den Zeichnungen, Aufträgen bzw. Bestellungen übereinstimmen. Es ist ein untypischer Beruf, weil man sich die Hände dreckig macht. Ich glaube, es gibt nur wenige Schwule in meinem Beruf. Dort, wo ich arbeite, gibt es drei Schichten mit ca. 50 Mann. Insgesamt sind 450 Arbeiter in dieser Zweigstelle beschäftigt. Ich bin in meiner Arbeit geoutet. Bei meinem Wechsel zum Zweigwerk hat der Meister meinen Ex-Freund kennengelernt, hielt uns zuerst für Brüder und ich hab ihn aufgeklärt, dass es mein Freund ist. Das bekamen auch die anderen Arbeiter mit und nach einem Tag hatten es die Buschtrommeln im ganzen Betrieb verbreitet. Es gab die bekannten Vorurteile, wie z.B. beim Duschen. Irgendwann schlugen zwei Kollegen über die Stränge. Da ging dann die Geschäftsleitung dazwischen, die erklärte, dass es nicht Firmenpolitik ist, jemanden zu verurteilen, was er in seinem Privatleben macht. Meine Arbeit wurde gelobt und darauf kommt es doch letztendlich an. Seitdem, das war 2003, bin ich bis heute akzeptiert.
Als Kind wollte ich Pilot werden, aber ich hatte wohl nicht den Mut, mich dafür zu bewerben. Da in meiner Familie alle in der Industrie bzw. im Handwerk und in der Technik arbeiteten, habe ich diese Tradition fortgeführt. Ich bin ausgebildeter Werkzeugmechaniker und habe vier Jahre die Technikerschule mit Sitz in Essen besucht. Es war eine Ausbildung neben der Arbeit, also ein Fernstudium am Abend und am Wochenende.
Thomas Plautz, Hagen
Metzger
Ich leite mit meinem Bruder zusammen die familieneigene Metzgerei, die wir von unserem Vater übernommen haben. Ich bin im Betrieb groß geworden und habe da auch schon immer mitgeholfen. Mein Bruder ist zehn Minuten älter als ich, wir sind zweieiige Zwillinge, verstehen uns toll, sehen uns aber nicht ähnlich. Er bringt äußerlich schon mehr auf die Waage. Wir schlachten auch selber, allerdings überlasse ich das Töten der Tiere anderen, das möchte ich nicht. Ich bin aber deswegen kein Kostverächter, der aus dem Grunde kein Fleisch ist. Ich bin schon lange geoutet, wir leben ja auf einem Dorf und da geht so etwas schnell herum. Außer dem typischen Familien-Drama in der Anfangszeit habe ich keine negativen Erfahrungen gemacht. Vielleicht, weil ich auch Chef bin und den Leuten immer schnell den Wind aus den Segeln genommen habe.
Ungewöhnlich im Lebensmittelbereich – wie auch in der schwulen Szene – sind lange Haare. Im Betrieb trage ich keine Kopfbedeckung, sondern die Haare zu einem Zopf gebunden, wie Frauen das ja auch machen. Überhaupt kommen Frauen gut mit mir zurecht, die lieben mich alle. Witzig sind Bauarbeiter, die in ihren Pausen belegte Brötchen einkaufen. Die reagieren immer etwas betreten und verklemmt. Sie sagen nichts, weil ich eh der Wortführer bin und mal lustige Bemerkungen ablasse. Die werden dann verlegen, so nach dem Motto „Red nicht so viel mit mir, sonst könnten die anderen noch denken, ich wäre auch schwul.“ Total geschockt war kürzlich ein TV-Mann, der uns für das Fernsehen interviewt hat. Er fragte mich nach meinem Hobby und ich sagte ihm, dass ich antike Porzellanpuppen sammle und ca. 40 davon besitze. Da stand er fassungslos vor mir und meinte: „Ein Metzger sammelt alte Puppen – Das muss man sich mal vorstellen.“ Wenn ich am Wochenende in der Szene nach meinem Beruf gefragt werde, reagiert man meist überrascht. Das Bild eines Metzgers entspricht wohl eher einem dicken, ungepflegten Mann, der wenig Bildung und keinem Feingeist besitzt; da bin ich schon das krasse Gegenteil.
Frank Kessel, Neuss
Polizist
Ich komme aus Soest, bin seit 1980 in Köln und arbeite derzeit auf der Polizeiwache in Köln-Ehrenfeld im Bezirksdienst. Der Wunsch, Polizist zu werden, kam sehr überlegt; ich wollte etwas Soziales machen, wollte aber dabei nicht so viel reden. Da fand ich, dass man das im Polizeidienst sehr gut verbinden kann. 15 Jahre habe ich im Streifendienst gearbeitet, was mir sehr viel Spaß gemacht hat. Aber wenn man älter wird, können die Arbeitsbedingungen mit Nachtdienst und Wochenendarbeit auch anstrengend sein. Das Ansehen als Polizist hat sich wohl in den letzten Jahrzehnten wenig verändert, die Kinder im Kindergarten winken dir lächelnd zu, im Teenie-Alter wird das allmählich kritisch gesehen, die Alten finden das auch wieder toll und bei der Altersgruppe dazwischen liegt es an der Herkunft der Leute. Bei den Migranten z.B. liegt es an der Polizeierfahrung in ihren Heimatländern. Ich glaube nicht, dass Homosexualität bei der Polizei autoritätsmindernd ist. Es liegt am eigenen sicheren und selbstbewussten Auftreten, damit man als Respektperson akzeptiert wird. Auf der Arbeit bin ich geoutet, aber ich glaube, dass es trotzdem nicht jeder weiß. 1994 war ich Mitbegründer von VelsPol in NRW e.V., dem Verein von schwul-lesbischen PolizistInnen. Es war damals so, dass es innerhalb der Polizei Lesben und Schwule gab, aber keiner wirklich geoutet war. Alle haben darunter gelitten. 1994 gab es ein Seminar im Göttinger Waldschlösschen, bei dem sich viele Kollegen getroffen haben und daraus hat sich eine Initiative gegründet, die letzten Endes in den VelsPol mündete. Wir liefen als Gruppe beim CSD mit und haben noch in den ersten Jahren erlebt, dass Kollegen, denen wir unseren Vereinsflyer in die Hand gedrückt haben, übel reagierten. Heute merkt man die Präsenz von Schwulen und Lesben innerhalb und außerhalb der Polizei und das gemeinsame Arbeiten. Die Berührungsängste verschwinden zunehmend. Ich kann aus eigenem Erleben sagen, dass es sich seitdem in NRW so entspannt hat, dass es kein Thema mehr ist. Ich arbeite in meiner Dienststelle mit MitarbeiterInnen zusammen, die sogar denken, ich sei der Prototyp eines Familienvaters, aber wenn das Gespräch auf das Thema kommt, gehe ich offensiv damit um. Das Skandalhafte, was Homosexualität einmal umgab, ist total verschwunden.
Volker Streiter
Security
Ich war Security. Angefangen habe ich bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland. Daraus hat sich in der Folge ein sogenannter Türsteherberuf ergeben. Ich habe größtenteils als Einlasskontrolleur oder zur Absicherung bei Großveranstaltungen gearbeitet. In Erinnerung habe ich nur das Robbie Williams Konzert in Berlin. Ansonsten habe ich meinen Beruf ausgeübt und gar nicht mitbekommen, wer da Musik machte. Wir haben mit dem Rücken zur Bühne gestanden und sozusagen die Sicherheitswall zwischen Publikum und Künstler gebildet. Ich habe auch Türsteherjobs gehabt, wo ich sozusagen die Bulldogge vor der Tür war. Selbst wenn da nette Kerle kamen, durfte ich mein Gefühle nicht zeigen. Als Türsteher muss man vor allem konsequent sein in seinen Handlungen, man muss Vorgaben umsetzen und nicht abweichen. Wenn einmal die Linie gezogen ist, darf diese niemand übertreten. Die Fähigkeiten für diesen Beruf habe ich größtenteils in meiner Bundeswehrausbildung gelernt, was den Umgang mit Waffen, bzw. körperlichen Einsatz betrifft. Ansonsten gibt es noch eine Spezialausbildung in Sachen rechtlicher Maßnahmen. Ich habe auch gelernt, dass es keinen Unterschied gibt zwischen Fußballfans und Konzertbesuchern. In der Masse nehmen sie sich nichts, was z.B. das Aggressionspotential angeht.
Wenn ich noch in meinen Job wäre, könnte ich darüber gar nicht reden. Aufgehört in diesem Job habe ich vor zwei Jahren, weil ich nicht länger zwei Leben leben bzw. zwei Gesichter haben wollte. Auf der einen Seite das schwule Leben und ansonsten musste man sich ein Maske aufsetzen und der knallharte Kerl sein, der auch im Notfall mal zuschlägt. Vor allem darf man, wenn überhaupt, in diesem Beruf nur ein heterosexuelles Sexleben vorspielen. Da ist dann die Diskrepanz, wenn man aus dem schwulen Leben jemanden erkennt und nicht kennen darf, oder die Angst, dass derjenige dich outen könnte. Als sogenannte „Schwuchtel“ hätte dir keiner mehr Durchsetzungsvermögen zugetraut. Das Problem ist aber nicht die schwule Szene, sondern die Hetero-Szene, in der ich nicht als schwuler Security-Mitarbeiter ernst genommen werde. Viele Security-Mitarbeiter haben einen Zweitjob, weil das Geld nicht reicht. Es ist ein sehr schlecht bezahlter Job.
Thomas Gaede, Leipzig
Lehrer
Ich bin seit 2004 festangestellt an einem Gymnasium, wo ich Bio, Erdkunde und Deutsch unterrichte. Wir sind 80 Lehrkräfte (davon drei Drittel Lehrerinnen) bei ca. 900 Schülern, die von der 4. Klasse bis zum Abitur unsere Schule besuchen. Während meiner Referendarzeit und meiner einjährigen Vertretungsstelle habe ich mich nicht geoutet, da ist man noch von zu vielen Dingen abhängig. Als ich dann meine Festanstellung bekam, habe ich mich erst einmal umgesehen, wie die Kollegen so ticken, da das Umfeld doch eher konservativ war. Dann hörte ich von der Kampagne „Schule der Vielfalt – Schule ohne Homophobie“, die mich sofort begeisterte und für die ich mich sehr eingesetzt hatte. Zunächst habe ich mich nur bei wenigen erkundigt, was sie davon hielten, später habe ich die Schulleitung angesprochen. Die war zunächst dagegen, ließ es aber als Antrag in der Lehrerkonferenz durchgehen. Als ich die dann dort vorstellte, gab es keine einzige Gegenstimme, lediglich sieben Enthaltungen. Dann habe ich mir gedacht: Ich mache hier die Kampagne und man merkt ja, dass ich da involviert bin – und wenn die ahnen, dass ich selbst schwul bin und nicht dazu stehe, verhalte ich mich ja widersprüchlich und kontraproduktiv. Ich habe dann gesagt, dass ich mir so etwas während meiner Schulzeit sehr gewünscht hätte. Auf meine Frage, ob ich mich dann auch vor den Schülern outen sollte, kamen zuerst Bedenken. Nach einer Veranstaltung mit den Schülern im „anyway“ erschien ein Artikel mit Foto von mir in der Tagespresse, was in der Schule schnell rumging. Ich wurde darauf oft angesprochen und habe klare Antwort gegeben. Ich kann das nur jedem empfehlen, weil es eigentlich den Wind aus den Segeln nimmt. Einige Schüler erzählten dann von einem schwulen Onkel, einer lesbischen Tante und ein Schüler sogar vom schwulen Vater. Auch von den Eltern kam nicht eine einzige negative Reaktion – ich denke Probleme gibt es eher da, wo ein hoher Migrationshintergrund herrscht. Heute sind es immer erst nur 7 von 3.000 Schulen in NRW, die an dieser Kampagne teilnehmen. Das Bildungsministerium unterstützt uns in unserer Kampagne und betitelt uns NRW-weit als Beispielschule.
Björn Kiefer
Licht- und Holographie-Künstler
Ich bin in Argentinien geboren und in der Region Patagonien aufgewachsen. Als Kind war ich Erfinder und habe es geliebt, etwas zu entdecken, was für mich neu war. Mein Vater hatte eine Werkstatt und ich habe darin alles Mögliche selbst gebaut. Meine allererste Ausstellung besuchte ich als Kind in Köln, wo ich Hologramme gesehen habe. Als ich dort diese staunend verließ, so berichtete es mir meine Mutter, habe ich gesagt: „Mama, wenn ich groß bin, möchte ich Hologramme machen“. Ich selbst kann mich nicht mehr daran erinnern, aber die Holographie muss mich so fasziniert haben, dass ich es wirklich zu meinem Beruf machen will. Ich konnte seitdem gemalte Bilder und Fotos gar nicht mehr schätzen, nachdem ich gesehen hatte, was technisch möglich ist. Ich liebe es heute, in einem Universum zu leben, wo es unendliche Möglichkeiten gibt, genau wie in der Holographie, in der es eben nicht nur die eine Perspektive und den einen Blickpunkt gibt. Ich habe in Köln Medienkunst studiert und mache Holographie und Lichtkunst. Hologramme sind dreidimensionale Bilder, die ohne den Gebrauch einer Brille oder technischer Hilfsmittel als solche wahrgenommen werden. Meist kennt man sie von Geldscheinen oder Kreditkarten. Ich fange an, davon zu leben. In Amerika arbeite ich bei einem Künstler, der ein Labor hat. In Taiwan unterrichte ich Holographie in einer Design- und Kunst-Uni. Holographie in ihrer Wahrnehmung ist vergleichbar mit der Fotografie in den Anfangsjahren, in denen sie in der Kunstwelt, nicht als Kunst angesehen wurde. Erst allmählich gewinnt diese Bilddarstellung an Bedeutung. Wenn es passieren sollte, kann ich mir auch vorstellen, gut davon zu leben. Bis letztes Jahr habe ich mit Nebenjobs meinen Lebensunterhalt verbessert, habe mich aber entschlossen, mich nun ganz auf die Holographie zu spezialisieren. Im letzten Jahr habe ich an einer Ausstellung in Japan teilgenommen und den ersten Preis für Holographiekunst gewonnen. Das war total cool, weil dieser Preis Türen öffnet und ich durch ihn Förderung erfahren habe und weiter erfahren werde.
Giullermo Heinze
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07.04.2014
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