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Von der Sucht zum Star mit Musik und Akzeptanz

Aidan Martin Von der Sucht zum Star mit Musik und Akzeptanz

km - 02.10.2021 - 10:54 Uhr

Der 31-jährige Sänger und Songwriter Aidan Martin aus New Castle hat in den letzten zwei bis drei Jahren über 500 Songs geschrieben. Dabei waren auch Lieder für Größen wie Joss Stone oder Will Young dabei. Vor Kurzem hat er aber mal wieder einen eigenen Track veröffentlicht: „Good Things Take Time“. Dieser handelt von psychisch dunklen Stunden und dem Prozess des Heilens.
Mit seinen eigenen Produktionen hat er bereits über 26 Millionen Streams erreicht.
Neben seiner Musik investiert Aidan viel Zeit in Projekte, die ihm sehr am Herzen liegen: gegen Rassismus, für Gleichheit, LGBTI*-Rechte und die Bekämpfung der Stigmata von HIV & AIDS-Erkrankten.
Mit SCHWULISSIMO sprach er über seine Single, seine Projekte neben der Musik und auch über sein nächstes Album.

 

Was war der letzte Song, den du gehört hast und was hast du dabei gefühlt?My Mind von Yebba und das sechs Mal hintereinander, weil ich ein bisschen besessen von diesem Track bin. Auf YouTube habe ich mir die Sofar-NYC-Live-Performance angeschaut, inzwischen ist diese Version auch auf Spotify zu finden. Es ist ein wundervoller Song und emotional, gerade der Gesang ist extrem gefühlvoll und ist total inspirierend für mich. Ich war sehr berührt, als ich es gehört habe.

Worum geht es in deinem neuen Song? (Good Things Take Time)
Ich habe dieses Lied vor zwei Jahren geschrieben und es dokumentiert meine persönlichen Schwierigkeiten mit Abhängigkeit bzw. Sucht in meinen Zwanzigern. Meine Großmutter, die leider schon verstorben ist, hat immer gesagt: „Good Things Take Time (zu deutsch gute Dinge, brauchen Zeit)“.
Als ich dann im Studio in einer Session diesen Song kreiert habe, war er nicht unbedingt negativ, aber ziemlich hoffnungslos. Aber als ich den Satz meiner Oma ans Ende setzte, veränderte es den kompletten Song. Für mich bedeutet das egal wie schlimm das Leben gerade spielt und welche Schwierigkeiten man durchlebt, es gibt immer einen Weg. Es bleibt immer irgendeine Möglichkeit seine aktuelle Situation zu verändern. Ich habe es selbst erlebt und wollte diese Hoffnung und meine Geschichte in diesem Song verpacken und somit eine hoffnungsvolle Botschaft weitergeben. Und ich bin dankbar meine Geschichte zu teilen, denn es bedeutet das ich meine Scham in Kraft umgewandelt habe.

Was hat dir dabei geholfen dein Leben umzukrempeln und aus den Schwierigkeiten herauszukommen?
Musik ist etwas in meinem Leben, mit dem ich eine sehr intime Beziehung führe. Musik hat wirklich zu mir gesprochen, seit meiner Kindheit. Ich wusste immer tief in mir drin, egal wie sehr ich in Schwierigkeiten gerate oder wie schlecht ich mich fühle, dass Musik mich da rausholen kann. Und genau so ist es am Ende auch passiert. Selbst an den dunkelsten Tagen, als die Musik kein großer Teil meines Lebens war – wusste ich, ich werde Mikrofon und Stift wieder in die Hand nehmen und daraus Kraft schöpfen. Das gab mir Hoffnung, in dieser hoffnungslosen Zeit.

Aber nicht nur das. Ich habe eine wundervolle Familie, die mich unterstützt. Wenn ich diese Unterstützung nicht gehabt hätte, würde ich heute nicht hier sein. Dafür bin ich sehr dankbar.

Glaubst du die LGBTI*-Community wird eher Opfer von Drogensucht aufgrund dessen wie mit ihnen umgegangen wird?
Mein Leben in London und das als Teil der LGBTI*-Community hat sicher dazu beigetragen, dass ich abhängig wurde. Den Lifestyle den ich führte, habe ich leider auch bei vielen anderen queeren Menschen beobachten können. Ich kam mit 18 Jahren in diese Stadt, ich wollte gemocht und akzeptiert werden, da ich mich nie akzeptiert gefühlt habe. Das Ganze fängt ja auch mit vielen positiven Gefühlen an. Man nimmt Drogen, man tanzt, lacht und hat eine fantastische Zeit. Doch schnell hat man sich selbst verloren und geht jede Nacht aus und nimmt jede Nacht Drogen und stürzt dann in die Sucht sowie in große Schwierigkeiten. Ich würde aber nie die Community dafür verantworten, wir sind da alle zusammen durchgegangen. Ich bin in der Szene zwar untergegangen, aber gleichzeitig hat sie mir auch aufgeholfen.

Aber gab es irgendetwas, dass du dir als junger Mann gewünscht hättest, was dich vom Drogenkonsum abgehalten hätte? Sei es Regelungen, Gesetze oder Bildung?
Um ehrlich zu sein, war das größte Problem, dass es so einfach zu bekommen war auf Apps wie zum Beispiel Grindr, dass es sich nicht verboten oder falsch angefühlt hat. Diese Apps sollten Regulierungen einführen.
Was hilft, ist, wenn man sich gegenseitig unterstützt, liebt und akzeptiert. Dieser Körperkult und Druck, der dadurch ausgelöst wird, zieht einen extrem runter. Bodyshaming ist leider noch immer ein großes Thema. Ich spreche da als Rothaariger aus Erfahrung und konnte mir regelmäßige Kommentare, Namenskreation und Sprüche anhören. Am Ende ist es das „anders sein“, was dir Probleme macht und dazu gehört leider Homosexualität und auch die rote Haarfarbe. Wir sollten also viel mehr Energie in Akzeptanz stecken. Wenn jeder so sein kann, wie er ist, ist jeder normal. Und dann flieht man sich auch nicht so schnell in die Betäubung in Form von Rauschmitteln.

Du bist in viele Projekte involviert, die HIV-positive Menschen unterstützen oder auch sich gegen Rassismus einsetzen.
Ja, mein Ur-Großvater kam von Barbados, und als er in einen kleinen Ort in New Castle auswanderte, hat er leider viel Rassismus erfahren. Meine Großeltern haben mir herzzerreißende Geschichten erzählt. Außerdem ist mein Freund auch schwarz, – es ist ein Thema, das mir immer bewusster wird, je älter ich werde. Wenn ich meine Musik produziere, möchte ich Vielfalt und die ganze Welt sehen. Beim Dreh meines ersten Musikvideos kam ich ans Set mit 40 Leuten und mein Freund war die einzige Person, die nicht weiß war. So etwas ist nicht richtig, zudem kommen viele Einflüsse meiner Musik aus dem Soul, welche nicht für weiße Menschen bekannt ist. Es gibt so viele kreative schwarze Persönlichkeiten, die ich in meine Projekte involvieren möchte. Ich möchte die volle Repräsentation!

HIV und auch Suchtbekämpfung sind ebenfalls große Themen, wofür ich mich einsetze. Ich möchte da sein für die Community und versuche mein bestes, Präventionsarbeit zu leisten und zu unterstützen - mit Spenden sowie meiner Reichweite. Du hast nur dieses eine Leben und jeder sollte die Chance haben, dieses so gut es geht zu genießen. Momentan arbeite ich daran, meine eigene Charity aufzubauen für Menschen mit einer HIV-positiven Diagnose.

© Timo Kerber

Du hast über 500 Songs geschrieben, was ist dein Lieblingsthema?
Ich habe meinen ersten Song mit 17 geschrieben und die Thematik war damals eine ganz andere. Es ging darum, ein Star zu werden und alles zu erreichen, aber je älter ich wurde, desto tiefgründiger wurden auch meine Texte. Viele davon waren Überlebenssongs nach dem Motto: „Ich kann das Schaffen und egal wie hart es gerade ist, ich werde drüber hinwegkommen!“. Es waren durchgehend solche Songs. Und um ehrlich zu sein finde ich diese Art von Texten immer noch am besten.

Und wie erfindest du dich nach so vielen Songs immer wieder neu?
Ich gehe die Sache meist unterschiedlich an, um neue Dinge zu schaffen. Normalerweise kreiere ich meine Lieder am Piano, aber am Ende kommen dabei dann oft langsame und traurige Lieder bei raus. Also schmeiß ich einen peppigen Track an oder schreibe den Song auf einem anderen Instrument. Ich höre unterschiedliche Künstler, um mich zu inspirieren. Außerdem habe ich das Glück, mit fantastischen Menschen zusammenzuarbeiten. All das hilft einem aus der Komfortzone und das ist extrem wichtig.

Hast du schon neue musikalische Projekte in der Pipeline?
Ich bin gerade dabei, ein Album fertigzustellen.

Hast du schon einen Namen dafür?
Ja, den verrate ich aber noch nicht. (lacht) Ich bin ein bisschen komisch, wenn es um meine Musik geht. Wenn ich meine Songs veröffentliche, gebe ich sie der Welt und dann sind sie nicht mehr meine. Also bin ich sehr egoistisch bis zu diesem Tag und behalte alles für mich. Aber es wird vermutlich nächstes Jahr veröffentlicht. Das Hauptthema des Albums wird toxische Männlichkeit sein. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass sich Männer öffnen und ihre feminine Seite ausleben können. Dazu werde ich bald auch ein Musikvideo aufnehmen.

Wirst du auch nach Deutschland mit deinem neuen Album kommen?
Ja, definitiv. Momentan versuche ich ein paar Wörter zu lernen. Ich liebe Deutschland und habe dort ein fantastisches Team.

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