Ein Interview mit Context e.V. Sie suchen Familien für Kinder, nicht andersherum. Neue LGBTI*-Familien
Mitte Juni sprachen wir mit Nicole Wagener über ihre Arbeit. Sie unterstützt dabei, ein neues Zuhause für Kinder zu finden, die nicht bei ihrer Herkunftsfamilie bleiben können. Dabei entstehen auch liebevolle Regenbogenfamilien.
Hallo, Nicole. Schön, dass du Zeit für ein Interview gefunden hast. Bitte stelle dich kurz vor.
Hallo, mein Name ist Nicole Wagener und ich bin seit etwa 1,5 Jahren bei Context e.V. Den gemeinnützigen Verein gibt es bereits seit 2009 und er wurde am Niederrhein gegründet.
Kannst du uns erklären, was Context e.V. ist und wie es zu den Erziehungsstellen als Regenbogenfamilie kam?
Wir sind ein anerkannter Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe. Eine unserer Kernaufgaben ist die Vermittlung und Betreuung von Kindern in Erziehungsstellenfamilien und die Begleitung dieser. In der Regel kommen Jugendämter mit Anfragen auf uns zu, wenn sie Kinder in Obhut genommen haben, die nicht mehr in ihren Herkunftsfamilien bleiben können. Wir helfen dabei, für diese Kinder Menschen zu finden, die ihnen ein liebevolles Zuhause und einen sicheren Hafen geben. Jedes Kind hat natürlich sein Päckchen zu tragen, aber ein familiäres Umfeld und Geborgenheit können dabei helfen, Versäumtes nachzuholen. Familie ist für uns da, wo Menschen miteinander leben und Kinder glücklich groß werden können, unabhängig von Familienstand, sexueller Orientierung, Herkunft und Religion. Wir haben erlebt, dass LGBTI*-Familien durch ihre eigene Vielfaltserfahrung den Kindern oft mit offenen Herzen und Verständnis begegnen können.
Wie läuft es grundsätzlich ab, wenn eine Erziehungsstelle ein Kind aufnehmen möchte?
Der Weg zur Erziehungsstelle ist ein individueller Prozess. Es gibt aber ein paar Orientierungspunkte. Wir beginnen immer mit einem unverbindlichen Informationsgespräch. Dort wird beispielsweise erklärt, was eine Erziehungsstelle ist, wie das Finanzielle und Rechtliche aussieht, was auf die Menschen zukommt. Besteht Interesse, folgt der zweite Schritt: Bei einem Hausbesuch werden Details besprochen. Die Wohnsituation wird analysiert, genauso wie die Eignung der Bewerber:innen. Im weiteren Verlauf nehmen Interessierte an unserem kostenlosen Vorbereitungsseminar, bestehend aus 9 Modulen und TÜV-zertifiziert, teil. Wir möchten die Familien gut vorbereiten.
Wenn wir der Meinung sind, die Familie passt zu einem Kind, folgt die Anbahnungsphase. Die Erziehungsstelle erhält alle Informationen von dem Kind und es findet ein schrittweises Kennenlernen statt. Die Bewerber:innen schleichen sich so in das Leben und das Herz des Kindes. Das dauert mal länger und geht mal schneller.
Nun haben Erziehungsstelle und Kind die ersten Hürden überwunden und durch euch zueinander gefunden. Was passiert, wenn das Kind in der Familie angekommen ist?
Mit dem Einzug eines Kindes beginnt der Familienalltag. Darüber hinaus bekommt jede Erziehungsstelle eine pädagogische Fachberatung zur Seite gestellt, die mindestens einmal pro Woche in der Familie ist und unterstützend zur Seite steht. Zusätzlich bieten wir freizeitpädagogische Maßnahmen für die Kinder, Fortbildungen für die Eltern und viele Treffen zum Austausch unter Gleichgesinnten. Sollte weiter Kontakt zur leiblichen Familie bestehen, begleiten wir diesen in unseren Räumlichkeiten unter Aufsicht unserer Pädagog:innen.
Wie wir wissen, bringt Zeit Veränderung. Was sind eure Zukunftsziele speziell für die Regenbogenfamilien?
Wir begleiten aktuell mehrere queere Familien und überlegen, ob wir gemeinsam mit ihnen einen Regenbogenfamilien-Stammtisch einrichten. Vielleicht gibt es ja im Erziehungsstellen-Alltag Fragen, die gezielt Regenbogenfamilien beschäftigen. Und wir wünschen uns natürlich weitere LGBTI*-Familien. Grundsätzlich brauchen wir weitere Erziehungsstellen, denn wir haben immer mehr Anfragen von Jugendämtern als Möglichkeiten.
Das können wir gut nachvollziehen. Wie können andere Context e.V. in diesem Bereich unterstützen?
Wir können als gemeinnütziger Verein Spenden annehmen und quittieren. Was den Kindern noch mehr helfen würde, ist das Weitersagen. Wir suchen immer Menschen, deren Wunsch es ist, einem Kind ein neues Zuhause zu geben. Auf unserer Internetseite context-ev.de gibt es bereits erste Informationen.
Okay, Nicole, dann wären wir am Ende meiner Fragen. Ich bedanke mich für das freundliche Gespräch. Wir hoffen, dass ihr noch vielen Erziehungsstellen und Kindern dazu verhelfen könnt, eine Familie zu werden.