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Charlotte Bohning // © vvg

Im Interview Charlotte Bohning

vvg - 10.10.2015 - 10:00 Uhr

Charlotte Bohning ist seit Jahren durch viele Rollen bekannt,1999 debütierte sie in der Serie „Lukas“. Es folgten Episodenrollen in „Großstadtrevier“, „SOKO Köln“, „SOKO Leipzig“, „Ein Fall für zwei“ oder „Der kleine Mönch“ und durchgehende Hauptrollen in „Unter Brüdern“, „Nikola“ oder „Angie“. Anschließend war sie in Fernsehfilmen zu sehen, u.a. in der Reihe „Der Kapitän: Packeis“, im ARD-Film „Mensch Mama!“, in der Komödie „Holger sacht nix“ und der Dokumentation „An einem Tag in Duisburg“. Im Krimi „Tiefe Wunden“ spielte sie ebenso wie in „Tatort“-Episoden aus Münster und Stuttgart sowie im Thriller „Lösegeld“, der 2013 für den Grimme-Preis nominiert wurde. Im Kino konnte man sie, z.B. in „Abseitsfalle“, „Frisch gepresst“ oder „Vollidiot“ sehen. Am 13. September war sie gerade im „Tatort: Hinter dem Spiegel“ zu sehen.

Charlotte, in deiner erste Rolle, in der wir dich gesehen haben, warst du Dirk Bachs Filmtochter Lisa in der Serie „Lukas“. Mit Dirk warst du auch in „Der kleine Mönch“ und in „Crazy Race“ dabei. An was erinnerst du dich, wenn du seinen Namen hörst?
Das ist witzig, weil ich gerade gestern noch mit meinen Eltern über Dirk gesprochen habe; meine Mutter war ja seine Klassenlehrerin. Meine erste Erinnerung an ihn ist, dass es ein Klassentreffen bei meinen Eltern gab und wir ihn am Bahnhof abholten. Da stand er in einem Fix & Foxi Anzug und nahm mich Fünfjährige auf den Arm. Wir haben von ihm jedes Jahr eine Ansichtskarte aus dem Urlaub erhalten – und wir haben beide am gleichen Tag Geburtstag.

Du hast mit Annette Frier in „Danni Lowinski“, mit Mariele Millowitsch in „Nikola“ und mit Mirja Boes & Angelika Milster in „Angie“ gespielt. Wie müsste denn die Serie aussehen, die deinen Namen trägt?
Das ist schwierig, weil ich mir über solche Sachen noch nie Gedanken gemacht habe. Keine Ahnung, ich habe schon in vielen Genres mitgespielt. Ich spiele eigentlich alles sehr gerne und habe keine spezielle Vorliebe. Spontan würde mir jetzt der Titel „Letzte Ausfahrt Nippes!“ einfallen. 

Hört sich stark nach einem Krimi an, in denen du schon oft mitgespielt hast. Du warst in „SOKO Köln“, „SOKO Leipzig“, „SOKO Wismar“, „Ein Fall für Zwei“, im „Tatort Stuttgart“ und im „Großstadtrevier“ dabei. Warst du Kommissarin, Täter oder Opfer?
Bisher wurde ich meistens in der Rolle einer Verdächtigen besetzt; ich war allerdings nie die Täterin. Und ich habe weinende Ehefrauen gespielt; also auch eine Art Opfer.

Nun steigst du ab dem 7. Oktober in die 2056. Folge der Serie „Rote Rosen“ ein. Du spielst Isabelle Münzberg, die sich in eine Frau verliebt. Hat es dich Überwindung gekostet, weil der Partner kein Mann ist?
Ich gehe mit meiner neuen Rolle so um, wie mit jeder anderen auch: Ich mache mir keine großen Gedanken darüber, ob ich nun eine Lesbe, eine Postbotin oder was auch immer für eine Person spiele. Das macht für mich keinen Unterschied. Ich muss mich auf diese Rolle nicht groß vorbereiten, denn ich kenne genug Leute, die homosexuell sind; das ist kein Problem. Da steht halt jemand vor mir und ich muss in meinem Spiel rüberbringen, dass ich diese Person toll finde. Ehrlich gesagt fällt es mir leichter, das mit einer bezaubernden jungen Dame zu machen, als mit einem „alten Sack“, den ich schon in einer Rolle vor mir hatte. Natürlich ist es in der Rolle ungewohnter: Wenn ich einen Mann küsse, kommen Mechanismen ins Spiel, die ich kenne; das ist klar. Aber bevor es jemand ist, den ich überhaupt nicht mag, ist für für wesentlich einfacher, eine Frau zu küssen, obwohl es ungewohnt ist.

Hast du Samantha Viana, die Eliane spielt, in die du dich verliebst, schon kennengelernt?
Inzwischen ja, ich kannte sie aber vorher nicht, mag sie aber sehr. Als wir uns das erste Mal trafen und unterhielten, war uns schon bewusst, dass wir uns demnächst näherkommen würden. Ich glaube aber, dass sich die Crew am meisten über uns gefreut hat. 

Die Liste berühmter Frauen in lesbischen Filmen ist lang: Romy Schneider in „Mädchen in Uniform“, Audrey Hepburn in „Infam“, Gina Gershan in „Bound“ oder kürzlich erst Ina Weisse in „Ich will dich“. Heute ist das Thema gleichgeschlechtliche Liebe fast in jeder Serie dabei: GZSZ, AWZ, VL, Lindenstraße, Marienhof, Hinter Gittern und nun auch in „Rote Rosen“. Wird das Thema gesellschaftlich akzeptiert?
Inzwischen definitiv. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass man solche expliziten Fragen erst gar nicht mehr stellen muss. Natürlich ist Gesprächsbedarf da; es gibt immer noch Dinge, die nicht so sind, wie sie sein sollten. Besonders wenn man in die osteuropäischen Länder blickt, unglaublich, was da passiert – und das im 21. Jahrhundert! Die Filme mit Romy und Audrey waren damals ja auch noch Skandalfilme. Für mich ist das eine völlig alltägliche Sache, über die ich gar nicht viel nachdenke. Wünschenswert wäre es, wenn alle so denken würden.

Glaubst du, dass die ZuschauerInnen ein Frauenpaar im Film lieber sehen als ein Männerpaar?
Ich kann das nicht sagen, aber ich möchte es mal für mich so beantworten: Ich bin nicht lesbisch, aber wenn ich mir Paare beim Eiskunstlauf oder beim Tanzen ansehe, schaue ich nur auf die Frauen; das ist für mich eine Ästhetik, die mir mehr zusagt. Männer schaue ich mir nie an.

Hast du Angst, dass man dich in weiteren Rollen als Lesbe besetzt?
Nein, das glaube ich nicht. Weil die Rolle ja nicht so angelegt ist, wie man sich eine Klischee-Lesbe vorstellt. Ich habe da keine Angst, warum auch? Aber man darf auch nicht vergessen, dass man den Menschen, die nicht wie wir in Städten wie Berlin, Köln oder Hamburg leben und mit dem Thema vertraut sind, Zeit geben muss. Sie müssen sich mit dem Thema auseinandersetzen können, damit sie keine Angst mehr haben, dass ihnen irgendjemand etwas wegnimmt oder sie dadurch in irgendeiner Form benachteiligt werden. Man kann nicht mit der Holzhammermethode da drangehen und sie zwingen, das jetzt zu akzeptieren, so wie es ist.

Wie reagierst du, wenn man jetzt von dir schwul-lesbisches Engagement erwartet?
Das kommt ganz darauf an, was man von mir erwartet. Wenn man möchte, dass ich am Welt-Aids-Tag sammle, mache ich das selbstverständlich.
 

Charlotte Bohning // © vvg

Wir denken da zum Beispiel an das aktive Promi-Fußball-Spiel beim CTC. Wie ist denn generell dein Verhältnis zur schwul-lesbischen Szene?
Ich kannte das „Vampire“ am Rathenauplatz in Köln, das es leider seit etlichen Jahren nicht mehr gibt. Ich war und bin nie ein Szenegänger gewesen, habe aber gute schwule Freunde; dadurch bekomme ich einiges mit. Aber auch sie selbst sind keine eingefleischten Szenegänger. Darum muss ich gestehen: So einen totalen Einblick habe ich nicht.

Wie würdest du reagieren, wenn dich eine Frau anmachen würde?
Ich würde mich ab einem bestimmten Punkt sehr höflich für die Zuneigung, die mir entgegengebracht wird, bedanken und sie darüber aufklären, dass ich in festen Händen und seit ein paar Jahren glücklich verheiratet bin.

Wie stehst du denn zur Frage, ob gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen?
Es sollte keinem Staat obliegen, darüber zu urteilen, welche Menschen sich aus liebesbedingten Gründen zusammentun wollen oder nicht. Ich finde die Vorstellung ganz schrecklich, wenn eine Person eines Paares, das schon Jahre zusammen ist – und das im Umfeld als Selbstverständlichkeit angesehen wird – plötzlich krankheitsbedingt im Krankenhaus landet und die andere Person dann nichts mehr zu sagen oder mitzubestimmen hat. Da kommt die Verwandtschaft aus Hintertupfingen, mit der das Paar seit 30 Jahren keinen Kontakt mehr hatte, und fällt Entscheidungen. Das ist eine ganz schlimme Vorstellung und das wünsche ich keinem Menschen. Mein Lebenskonzept wird ja durch die Tatsache, dass schwul-lesbische Paare heiraten dürfen, nicht gefährdet. Was wird mir dadurch weggenommen? Es sollte so selbstverständlich sein, dass man erst gar nicht mehr darüber redet.

Ein Film von dir heißt „Tiefe Wunden“. Was hinterlässt bei dir tiefe Wunden?
Das geht in den gesellschaftspolitischen Bereich: Das ganze Flüchtlingsthema finde ich schlimm und bedrückend. Ich hörte vor kurzem, dass Donald Trump eine Mauer an der mexikanischen Grenze bauen möchte, wenn er Präsident wird. Das steckt so eine Unmenschlichkeit und Dummheit dahinter, das kann ich gar nicht fassen.

Was würdest du dir wünschen?
Frieden. Ansonsten herrscht immer das gleiche Prinzip: Menschen, die aggressiv reagieren und Gewalt ausüben, haben eigentlich nur Angst vor dem, was sie nicht kennen – Angst, dass man ihnen etwas antut oder wegnimmt. Das macht mich wütend. Andererseits weiß ich, dass Gegengewalt keine Lösung ist. Dadurch kommt es nur zum gegenseitigen Hochschaukeln. Man muss allen Menschen klarmachen, dass sie einen Wert haben – besonders denen, die so dumm sind, dass sie sich negativ verhalten. Sie müssen sich als wertvoll ansehen und es als nicht mehr notwendig erachten, andere zum Sündenbock und minderwertig machen. Es ist nur eine Auslagerung eigener Ängste, die auf andere produziert wird, sei es nun auf Schwule, Fremde, Asylanten oder wie im Fall von Donald Trump auf die Mexikaner. Ich habe einen türkischen Bekannten, der ebenfalls auf die Neuankömmlinge aus Syrien schimpft. Er hat vergessen, dass er selbst einmal Asylbewerber war. Es entsteht schon wieder eine neue Hierarchie, nach dem Motto: „Ich hab stärkere Rechte, denn ich bin schon länger hier.“

Wovor hast du Angst?
Nicht vor dem Alter, obwohl das Alter schon ein paar Dinge mit sich bringt, auf die ich gerne verzichten könnte. Eher davor, nicht gesund zu bleiben und krank zu werden.

Viele Stars lassen Dinge, die das Alter mit sich bringt durch Schönheits-OPs beheben? Was hältst du davon?
Spontan denke ich zuerst, das wäre totaler Schwachsinn, aber beim näheren Nachdenken … Ich weiß ja gar nicht, warum der andere was machen hat lassen. Sind irgendwelche Nöte und Ängste ausschlaggebend, durch die er denkt, dass es bei ihm dann besser gehen könnte. Sind es Eingriffe, die eine immens höhere Lebensqualität bringen? Dann finde ich das in Ordnung. Nicht in Ordnung ist es, wenn es aus reiner Eitelkeit geschieht. Für mich selbst käme es nicht in Frage. Ich musste noch nie operiert werden: Es gehört schon ein Menge Mut dazu, sich freiwillig auf einen OP-Tisch zu legen und sich aufschneiden zu lassen. Aber ich will nicht darüber richten.

Gibt es eine bestimmte Rolle, die du gerne einmal spielen möchtest?
Das kann ich wirklich nicht beantworten. Was ich gerne hätte, wäre eine Rolle, bei der ich etwas Besonderes lernen müsste: Kung Fu oder so etwas. Das fände ich interessant. Wünsche betreffend bestimmter Schauspieler habe ich nicht, ich hatte auch nie Vorbilder im Leben. Aber es gibt Kollegen, die viel Berufserfahrung haben – das finde ich schon interessant.

Wie lauten deine Wünsche an die berühmte Fee?
Glücklich, zufrieden und fröhlich sein, Spaß haben. Und wie sich Sandra Bullock in ihrer Paraderolle einmal wünschte: Weltfrieden. Wenn jeder Mensch seinen inneren Frieden hat, wird alles gut und jedem ist geholfen. Ansonsten gibt es keine konkreten Dinge; die Pläne, die man macht, gehen sowieso schief. Wenn man sich in sich selbst wohlfühlt, läuft alles andere von ganz alleine. Wobei: was ich gerne können würde, wäre Klavier spielen ...

Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Charlotte Bohning im September 2015 geführt.

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