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Fotograf Victor Hensel-Coe // © Archiv
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Im Interview Fotograf Victor Hensel-Coe

vvg - 21.11.2020 - 10:00 Uhr

Victor, seit wann fotografierst du und wie bist du zur Fotografie gekommen?
Meine Leidenschaft begann, als ich nach der Highschool einen Fotografiekurs am College absolvierte. Ich dachte, ich würde den Kurs nach einem Jahr sowieso abbrechen. Aber ich habe mich darauf eingelassen und anstatt wie geplant Biologie oder Theater zu studieren, entschied ich mich für einen Abschluss in der Modefotografie. Obwohl ich fünf Jahre lang studiert habe, würde ich sagen, dass jeder, der in die Fotografie einsteigen will, eigentlich nur Ausdauer und Geduld braucht. 

Was sind deine Lieblingsszenen bzw. Modelle?
Meine Lieblingsszenen sind die, bei denen jeder sagen würde: „So etwas habe ich wirklich noch nie gesehen!“. Eines meiner Lieblingsmotive aus meiner Ausstellung ist das Shooting, das ich für das Boner-Magazine gemacht habe: Bei diesem wird der ermordeten Cheerleaderin „Sashay Away“ in die Brüste geschnitten. Es ist, als ob Carravagio auf Halloween trifft. Meine Lieblingsmodelle sind die, die wirklich ihre eigenen Ideen haben, um das Shooting in eine spannende Richtung zu lenken. Das bedeutet, dass sie beispielsweise plötzlich ihre Körper in seltsame Positionen verdrehen oder darauf bestehen, dass ihr Foto in einem Smoothie-Stand aufgenommen wird. Ich schätze die zusätzliche Vorstellungskraft und Kreativität - es sind oft die Aufnahmen, die zu den ikonischsten werden.

Wie kommst du mit deinen Modellen in Kontakt? 
Es sind Leute, die ich in Berliner Clubs treffe, oder bestehende Kunden selbst. Manchmal finde ich sie auch bei Instagram.

Wo konnte man deine Fotos bisher sehen?
An einer Vielzahl von Orten! In London habe ich sechs verrückte Cover für das berühmte Szene-Magazin „QX“ fotografiert. Ich hatte Features in „Attitude“ und anderen kleineren queeren/modischen Publikationen. In Berlin bekomme ich, seit meine Shootings in den Magazinen „Kaltblut“, „Kodd“ und „Siegessäule“ erschienen sind, viel mehr Aufmerksamkeit. Unmittelbar nachdem ich meine Kinky-Fotografien in der Ausstellung „Unbound“ in Berlin-Ostkreuz gezeigt hatte, feierte „Berlin is Wonderland“ sein Debüt im Kunstraum Kule in Berlin-Mitte.

Und im November/Dezember bin ich mit meiner Ausstellung „Berlin is Wonderland" im MGW-Cologne zu sehen. Ich werde persönlich bei der Eröffnung am 13. und 14. November anwesend sein und würde mich sehr freuen, wenn recht viele Interessierte zu unserer Ausstellungsparty kommen – sofern Corona das zulässt.

Wie würdest du deine Arbeit beschreiben? Das ist schwierig selbst zu sagen, also werde ich andere Leute zitieren: sauber - aber schmutzig, aufmerksamkeitssuchend - aber clever, wild - aber strukturiert. Vor allem aber farbenfroh! Zusammenfassend kann man sagen: Ich arbeite als Fotograf in den Bereichen Mode und Porträt und mache hauptsächlich Aufnahmen im Nightlife-Bereich.

Deine Aufnahmen leben tatsächlich von der Farbe. Gibt es auch Schwarz-Weiß-Fotos?
Einige Fotografen werden diese Aussage hassen, aber ich entscheide mich meistens dafür, keine Schwarz-Weiß-Fotos auszustellen, weil ich es für Betrug halte. Monochrom ist sehr leicht zu retuschieren, weil es keine verwirrenden Farben gibt. Ich denke die Belohnung für die korrekte Bearbeitung von Farbfotos ist größer. Das heißt aber nicht, dass es einfach ist - es gibt Fotos in der Ausstellung, bei denen ich zugeben kann, dass ich sie nicht hundertprozentig getroffen habe.

Deine Fotos sind sehr erotisch. Kannst du Shootings und (Cum-)Shots noch trennen?
Ich muss zugeben: Manchmal, wenn es ganz heiß hergeht, möchte ein Teil von mir lieber bei der Aktion auf der anderen Seite der Kamera sein. Aber dann erinnere ich mich daran, dass es meine Aufgabe ist, dem Publikum diese außerordentliche Geilheit zu vermitteln. Unsere Spezies muss auf die anderen fantastischen und großartigen Menschen aufmerksam gemacht werden, die es auf der Welt gibt.

Kannst du mit Männern oder mit Frauen vor der Kamera besser arbeiten?
Ganz ehrlich: Frauen sind in gewisser Weise einfacher, weil sie unter dem männlichen Blickwinkel aufwachsen und manchmal dann eine klarere Vorstellung aus ihren eigenen Blickwinkeln haben. Viele schwule Männer lieben es jedoch, vor der Linse zu stehen und scheuen nicht davor, sich die Hände oder Knie schmutzig zu machen, um etwas zusätzliche Aufmerksamkeit zu erhalten. Das ist aber von Mensch zu Mensch verschieden.

Was sind deine bevorzugten Drehorte und wie findest du diese?
Ich arbeite bei der GMF-Party im Ritter Butzke, einem Techno-Club in Berlin Kreuzberg, wo ich den „Garten der irdischen Freuden“ für Kaltblut fotografiert habe. Nach der Veröffentlichung wurde ich gefragt, ob das Shooting an mehreren Orten stattfand. Erst dadurch wurde mir klar, was für eine fotografische Goldmine dieser Ort ist. Umgekehrt erzählte mir ein Gast aus jener Nacht von der Industriebrache am Baumschulenweg, wo ich letztendlich das Feature für „Drummer“ fotografierte, das am Ende ebenfalls zu einem konkreten Wunderland wurde.

Was wäre deine Traumszene?
Ein „Fear and Loathing in Las Vegas“-Shoot, ein Fotoshooting mit der Besetzung des Cirque Alphonse aus Montreal. Disco-Bären, die mit Eidechsenfrauen Akrobatik machen? Das wäre ein toller Anfang.

Wie bist du selbst in die Szene gekommen?
In die Schwulenszene kam ich, als ich im Zwischenjahr zwischen College und Universität einen Job in der Schwulenbar von Admiral Duncan bekam – einem der ältesten schwulen Pubs in der Old Compton Street in Soho. Von da an war ich für immer in das queere Nachtleben meiner Heimatstadt integriert.

Wann hast Du bemerkt, dass Männer dich anmachen?
Von meinen frühen Teenagerjahren an, denke ich. Ich merkte im Alter von 17 Jahren, dass mich Bara (Gay Bear Manga) anmachte. Schaut euch doch mal bei Google den Manga-Künstler „Gengoroh Tagame“an! (lacht)

Wann hast du deine ersten sexuellen Erfahrungen gemacht?
Das ist eine ziemlich detaillierte Frage für ein Interview über eine Fotoausstellung. „Wann haben Sie sich zum ersten Mal gefesselt?“, wäre eine interessantere Frage.

Okay, dann berichte uns darüber!
Na, wenn du fragen musst! (lacht) Es war heiß. Ich wurde von einem sehr berühmten Seilknechtschaftsexperten im inzwischen geschlossenen schwulen Lederclub „The Hoist“ gefesselt. Er war unglaublich und sehr schnell. Weil mir die Augen verbunden waren, fühlte es sich an, als würden mich zwei Leute fesseln!

Wie war das Outing?
Heiß. Unter "Gay rope bondage" kannst du eine Vorstellung bekommen.

Wie denkst du über die Szene im Allgemeinen?
Normalerweise schließe ich meine Augen und halte mir die Ohren zu, wenn ich danach gefragt werde. Ich habe gesehen, wie die Szene in London von Immobilienmaklern aufgefressen wurde, weshalb ich nach Berlin gezogen bin – wo sie immer noch stark ist. Jetzt, wo quasi die Apokalypse im Gange ist, kann sich jeder vorstellen, wie die Dinge in den kommenden Jahren aussehen werden.

Was ist, wenn sich jemand privat für dich interessiert?
Ich bin in einer festen Beziehung mit der Stadt Berlin und meiner Kamera. Ich würde nicht sagen, dass quatro polyamory unmöglich ist, aber jeder sollte sich bewusst sein, dass er sich in ein bereits sehr volles Boot setzt.

Wenn jemand von dir fotografiert werden möchte, wie kann er dich kontaktieren?
Ich bin ein Fotograf wie jeder andere. Wer mit mir zusammenarbeiten möchte, sollte mich über Instagram / Twitter (@MrHotshoe ) kontaktieren oder besser noch über E-Mail (victorhenselcoe.com) Kontakt zu mir aufnehmen. Ich würde mich auch freuen, wenn ihr mir auf ig- @mrhotshoe @wonderland.tiff @pigture.by.dash und @hairylittlepig folgt. Ich lebe zwar jetzt in Berlin, aber Englisch ist für mich immer noch die ideale Sprache.

Vielen Dank für das Interview!

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