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Ina Müller // © Sandra Ludewig

Im Interview Ina Müller

ks - 27.11.2020 - 10:00 Uhr

Ich denke nach jedem Album: „Das war´s! Ich werde nie wieder Ideen oder Themen haben“

Laut, hibbelig und immer einen lockeren Spruch auf den Lippen: So kennt man die norddeutsche Entertainerin Ina Müller aus ihrer TV-Sendung „Inas Nacht“, in der sie Prominenten gerne Geheimnisse entlockt. Alle Jahre wieder bringt sie auch neue Musik heraus und erzählt damit aus ihrem eigenen Leben. Auf dem neuen Album „55“, das sie nach ihrem Alter benannt hat, offenbart sie ihre größten Laster, frühe Bettgeschichten und magische Momente mit ihrem Lebenspartner, dem Popstar Johannes Oerding. SCHWULISSIMO hat sie in ihrer Heimatstadt Hamburg getroffen.

Frau Müller, beim letzten Album sagten Sie: „Ich hoffe, es kommt noch mal so ein Leidenschaftsschub für irgendwas zwischen Hund und Plattenlabel gründen.“ Wie sieht es vier Jahre später bei Ihnen aus?
Das Plattenlabel habe ich nicht gegründet. Aber das mit dem Hund will ich immer noch. Ich frage mich auch jeden Tag, warum ich das nicht schaffe, mich nicht traue. Es muss bei mir aber auch Liebe auf den ersten Blick sein. Ich kann da nicht so rational rangehen wie „vier Jahre alt, Hündin von der Straße“. Ich muss mich leider direkt verlieben, damit ich sie gern im Haus hab. Ist ja beim Menschen auch so.

Haben Sie sonst etwas geschafft?
Ich habe geschafft zu überleben und ein neues Album zu machen. Und das ist schon ganz schön viel. Ich denke nach jedem Album „Das war´s! Ich werde nie wieder Ideen oder Themen haben“ – und dann geht’s doch immer wieder weiter.

Andere verschweigen Ihr Alter, Sie gehen mit der 55 nach vorne.
Ich fand es ganz lustig, ein Pop-Album „55“ zu nennen. In dem Alter ist man als Frau im Popbusiness eigentlich schon wieder weg vom Fenster. Mir war wichtig, dass die Fotos dazu knallig, bunt und mit viel Licht gemacht werden. Bei Wohnungen sagt man ja immer:„Lage, Lage, Lage“. Wir haben gesagt: „Licht, Licht, Licht“. Und alles an Blitzlicht rangeschleppt, was in den Raum passte. So wie in den Achtzigern.

Ich finde, Sie klingen oft wie Nena auf dem Album.
Wirklich? Ich mag Nena, damit kann ich gut leben. (lacht)

Und auf dem Albumcover sehen Sie aus wie Debbie Harry.
Es sollte ein bisschen „Kim Wildig“ sein. Die mochte ich immer, weil sie durch jedes Lebensalter mit Würde gegangen ist. Vor ein paar Jahren habe ich ein Konzert von ihr in London besucht und sie danach noch kurz getroffen. Sie sah so toll und natürlich aus. Nichts operiert.

Also kommt das für Sie auch nicht infrage?
Ich versuche immer, lieber am Bild zu operieren als im Gesicht. Speziell das Fernsehen ist da echt gnadenlos. Den Kamera-Menschen sag ich immer: „Leute hört mal, ich bin jetzt Mitte 50. Wir können die Sendung gerne noch machen, aber wir brauchen eine Lampe mehr bitte und eine Armlänge Abstand zu meinem Gesicht.“ Es ist auch nicht mehr so abendfüllend, mir mit der Kamera in die Nasenlöcher zu fahren. Ich weiß, Nahaufnahmen sehen immer spannend aus, aber ich komm da nicht mehr gegen an.

„55“ klingt vom Sound her frisch und modern. Wie ist die Platte entstanden?
Vor einem Jahr bin ich mit Frank (Ramond, Anm. d. Red.) nach Spanien geflogen. Nicht wegen des Wetters, auch wenn ich ihm gegenüber immer genau das behaupte, sondern weil er da nur Zeit für mich und unsere Ideen hat. Kein Freund, der Geburtstag hat, kein Kind, das ins Bett muss, gar nichts. Wir sitzen dann jeden Tag stundenlang auf der Hotelterrasse und erzählen uns Geschichten. Das sind dann oft schon die neuen Songs.

Das Stück „Wohnung gucken“ haben Sie bereits im Sommer mit Ihrem Partner Johannes Oerding bei einem seiner Konzerte in Hamburg gesungen. In dem Youtube-Video davon sieht man, dass Sie ganz cool sind und Johannes völlig beseelt ist, als Sie anfangen zu singen.
Oh Gott, ja. Ich bin dann immer im „Bitte jetzt bloß nichts falsch machen“-Tunnel. Wir haben den Song da ja zum allerersten Mal gesungen. Meine Emotionen kommen deshalb immer zeitverzögert – danach oder davor. Aber in dem Moment, als Johannes und ich die Musik zu dem Text geschrieben haben, war mir schon klar: „Das muss hier unser Meisterstück werden.“

 

Ina Müller // © Sandra Ludewig

Eigentlich wollten Sie und Johannes doch Berufliches und Privates voneinander trennen?
Ja, aber das haben wir von Anfang an nicht geschafft. Seitdem wir uns kennen, machen wir zusammen Musik. Manchmal nur so, manchmal aber auch für unsere Alben. Wir haben auf seinem letzten Album gerade erst ein Duett gesungen – und zwar schon wieder ein Trennungsduett, wo die Leute schon sagten: „Jetzt müssen sie aber getrennt sein.“ Dabei hat sich das immer nur so ergeben. Deswegen war für mich bei „Wohnung gucken“ auch sofort klar: Jetzt mal kein Trennungssong und auch kein Duett, sondern mein Lied für dich.

Aber Johannes singt trotzdem mit.
Das war eigentlich gar nicht geplant. Aber es gab diesen Moment, als wir zu zweit am Mikrofon standen und für das Demo den Song eingesungen haben, wo klar wurde, dass nur er die zweite Stimme singen kann. Bei mir gingen da sofort die Schleusen auf. Das sind so magische Momente, die kann man auch schlecht erklären.

Wenn man sich so einen Backgroundsänger leisten kann, ist das doch Luxus.
Aber ich hatte auch ein schlechtes Gewissen. Mir war ja klar, die Leute werden ihn sofort raushören. Für ihn war das aber kein Problem. Jetzt ist aber erst mal gut mit Duetten, zu viel Duett ist wie zu viel Schokolade.

Worüber Sie auch einen Song geschrieben haben: „Zucker ist wie Heroin“. Ist das für Sie so?
Bei Unterzuckerung werde ich unleidlich – nicht im Sinne von gewalttätig, sondern eher so: In welche Wunde kann man den Finger denn jetzt mal reinlegen, damit es wehtut? Und da schafft Zucker Abhilfe, das ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen. Man könnte sagen, Zucker ist mein Heroin!

Sind Sie mit Heroin mal in Berührung gekommen?
Nein. Ich hätte in meinem Leben gerne mal alles ausprobiert, aber ich bin zu feige. Ich hatte da immer diese Riesenangst vor Kontrollverlust. Und ich weiß, hätte es mir gefallen, wäre ich drauf gewesen. Das war bei mir mit dem Rauchen auch so. Es hat mir gefallen und ich rauche heute immer noch. Es ist wie mit dem Zucker – es hat mir gefallen und ich esse heute immer noch Zucker. Und ich ahne, würde ich mal in die Spielhalle gehen und so richtig abräumen, würde ich wieder hingehen. Ich neige dazu, Dinge, die mir gefallen, immer wieder haben zu wollen. Wie ein kleines Kind, das immer „nochmaaaal“ ruft.

Vielleicht war es ganz gut, dass Sie bisher Social-Media-mäßig nicht aktiv waren? Das birgt ja auch großes Suchtpotenzial.
Das stimmt. Ich weiß aber trotzdem ganz genau, was da los ist.  

Mit einem Geheimaccount?
Ja! Mit “Bumsi3000!“. Habe ich aber jetzt gelöscht.

Seit ein paar Tagen sind Sie offiziell unter die Instagrammer gegangen.
Ich will das jetzt auch lernen. Auf meinem „Inas Nacht“-Account wurde ich oft gefragt: Was macht Inas Nacht eigentlich am Tag? Und weil ich im nächsten Jahr nicht auf Tour bin und mir dann sicher ein bisschen langweilig ist, probiere ich das jetzt mal aus. Und wenn ich es doof finde oder die Follower mich doof finden, höre ich wieder auf. Außerdem finde ich, dass Instagram im Moment die freundlichste Plattform ist.

Ein Lied widmen Sie Ihrem Laster: dem Rauchen.
Ich wollte diesen Song eigentlich gar nicht rausbringen. Wenn man dem Text nicht richtig zuhört, könnte man meinen, es geht um ein Liebeslied an die Zigarette. Das ist es aber nicht. Trotzdem hatte ich das Instagram-Kommentar schon vor Augen, in dem steht: „Hallo Frau Müller, ich fand sie ja immer ganz gut, auch ihre Lieder. Aber mit ihrem ‚Rauchen’-Lied haben sie sich leider keinen Gefallen getan. Mein Mann ist mit 68 an Lungenkrebs gestorben. Ich bin raus, schönes Leben noch.“ Und dann hab ich aber gedacht: Der Text ist schlau und originell und du singst den jetzt! Das Rauchen hat doch dein Leben wirklich beeinflusst.

Inwiefern?
Ich stand eigentlich immer bei den Rauchern: Auf dem Schulhof, in der Mittagspause, in der Bushaltestelle, vor der Disco, im Zug... immer. Ich weiß noch, wie wir zitternd in Kitteln hinter der Apotheke standen und rauchten. Auf Partys waren wir die Letzten und im Flieger saßen wir hinten. In dem Song geht es darum, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich nicht schon mit 16 in die Raucherecke gegangen wäre, sondern zu denen, die in der Pausenhalle Sunkist getrunken haben, in der Apotheke im Aufenthaltsraum geblieben sind oder in der Kneipe drinnen herumlungerten und nicht davor.

 

Ina Müller // © Sandra Ludewig

Was wäre anders?
Hätte ich nicht geraucht, hätte ich heute auf jeden Fall andere Freunde, es hätte bestimmte Geschichten nicht gegeben, es hätte sogar Trennungen von Freunden nicht gegeben. Es wäre ein anderes Leben gewesen.

Im Lied behaupten Sie auch, dass Sie dann weniger geküsst hätten.
Ja und besser gerochen sicher auch! Schon deshalb ist es keine Ode an die Zigarette. Ich finde ja auch das Nichtrauchergesetz toll. Bei mir hat das total geholfen. Bei einigen meiner Freunde hat es allerdings das Gegenteil bewirkt. Die haben dann gesagt: „So nicht, das lassen wir uns nicht vorschreiben.“ Wenn heute noch irgendwo richtig viel geraucht wird, wird mir auch schon mal schlecht.

So wie bei „Babylon Berlin“, da „quarzen“ sich alle gegenseitig zu.
Ich konnte es gar nicht mit ansehen, wie viel da geraucht wurde. Ich habe tagelang nicht geraucht, nachdem ich das geguckt hatte.

War Helmut Schmidt ein Verbündeter, als er in Talkshows seine Fluppe rausholte?
Ich finde, bei einem Menschen wie Helmut Schmidt stellt sich diese Frage, ob der das darf, ob dem das steht, ob das denn gesund ist, einfach nicht. Das gehörte zu ihm. Seit ein paar Jahren sehe ich immer wieder an ganz typischen Nichtraucherorten Aufkleber, auf denen steht: „Helmut Schmidt hätte hier geraucht!“

Darüber kann ich mich jedes Mal kaputtlachen. Ich rauche heutzutage tagsüber gar nicht mehr, nur abends, wenn ich Wein trinke. Das ist dann die tollste Zigarette der Welt.

Sie singen auch über Ihr erstes Mal...
Nein, ich singe über mein erstes halbes Mal, bitte! Das ist ein riesiger Unterschied! Weil es völlig ungelenk und deswegen kein ganzes Mal war. Damals habe ich gedacht: Also, wenn es das ist, worüber seit Tausenden von Jahren gesungen wird, Gedichte gereimt werden und was angeblich die Welt bewegt, dann aber gute Nacht Marie. Ich war sehr enttäuscht. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich merkte: Ach so verstehe!

Wie schwer war Ihr Weg nach oben?
Es war kein glatter Durchmarsch, aber es war auch nicht wirklich schwer. Ich wusste ja immer, was ich machen will und war mit meinem Output zufrieden. Schwer war manchmal die Masse an Arbeit. Zuviel von allem, dazu die Überforderung durch die Ansprüche, die der Job mit sich bringt – das zehrt schon an einem. Und ich leide immer unter extremem Lampenfieber.

Frisst das Energie?
Manchmal ist es schwer, immer genug Energie zu haben. Eine Tour zu machen und auf einmal in der Lanxess-Arena in Köln zu stehen, die noch mal doppelt so hoch ist wie alle anderen Arenen, da denkst du dann schon: Alter Schwede, das kann man doch als kleiner Mensch, der hier gerade auf der Bühne steht, gar nicht wuppen!

Gab es Hürden, die Sie bei Entscheidungsträgern nehmen mussten?
Wenn ich hätte betteln müssen, wäre ich nicht hingegangen. Wenn ich gewusst hätte, die wollen mich nicht, hätte ich niemals angeklopft. Zum Glück wollte ich aber auch nie so etwas wie die Sportschau moderieren. Ich habe immer versucht, das zu machen, was ich kann. Und dafür musste ich selten kämpfen, da hat man mich immer reingeschubst, so nach dem Motto: „Meint ihr, ich kann das?“ – „Ja!“ Schubs. Und dann hab ich’s gemacht.

Hat das alles seinen Preis?
Ja, aber hat nicht alles im Leben seinen Peis? Hätte ich diesen Job nicht, wäre ich an der einen oder anderen Stelle vielleicht mal anders abgebogen. Aber dann hätte ich nicht so weiter arbeiten können, wie ich es wollte. Und ich hatte auch nie diese Sehnsucht danach in mir.

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