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Moritz A. Sachs // © vvg

Im Interview Moritz A. Sachs

vvg - 08.03.2020 - 09:00 Uhr

Moritz A. Sachs ist Schauspieler, Produzent und Autor und seit Anbeginn der Kultserie Lindenstrasse" als Klaus "Klausi" Beimer dabei. Das Serien-Aus am 29. März 2020 war uns Anlass, Moritz über sein Leben und das Leben in der Serie auszufragen.

 

Du warst seit Beginn der Lindenstrasse Klaus Beimer, jetzt das Aus! Wie schaut dein Leben ohne aus?

… dass mir das Arbeitsamt sagt: „Ich hätte keine Freizeit, ich bin hauptberuflich arbeitslos!“. So klar hat sich noch gar nichts verändert und obwohl wir am 12. Dezember den letzten Drehtag hatten, fühle ich mich wie in jedem Jahr, denn da war bis Anfang Februar immer Winterpause. Das sieht in einigen Monaten sicher anders aus. Die Lindenstraße wird mir fehlen.

 

Wünscht du dir wieder eine Arbeit in einer Serie?

Natürlich, allerdings wäre es sicher ein Umstellung. Insbesondere Daily Soaps arbeiten ja mit einer ganz anderen Taktzahl, als wir das getan haben. Zur Zeit spüre ich nur Ungewissheit, weil ich ja nie auf dem freien Schauspielmarkt, sondern durch die Lindenstrasse exclusiv gebunden war. Ich ich freue mich aber auch darauf , etwas zu machen, wo ich mehr Freiheit in der individuellen Lebensgestaltung habe.

 

Was sind für dich die stärksten Prägungen durch die Serie?

Der Lindenstrasse verdanke ich meine Schauspieler-Ausbildung. Und natürlich das Team und der Cast, was tatsächlich ein familiäres Gebilde ist; ich kann mir nicht vorstellen, ohne dieses Gebilde, der geworden zu sein, der ich heute bin. Aber die Serie hat mich auch in meiner persönlichen Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, da ich örtlich und persönlich an sie gebunden war; deswegen sehe ich das AUS der Serie auch unter positiven Gesichtspunkten.

 

Du bist mit sieben Jahren eingestiegen, hat sich die Klausi-Jugend von der Moritz-Jugend unterschieden?

Anfangs fast gar nicht. Auch wenn Klaus' Eltern zehn Jahre älter waren als meine. Das kam erst später als Klaus' Bruder Benny starb: Klaus wurde Nazi, war dreimal verheiratet und hatte ein Kind mit einer moldawischen Prostituierten. Ich nicht. Aber zum Ende der Serie waren wir vom Urcharakter wieder näher beieinander.

 

Wie bist du an die Rolle gekommen?

Ich wurde gecastet, ohne mich beworben zu haben. Es gab ja noch keine Castingagenturen, schon gar nicht für Kinder. Da fragten Fotografen meine Mutter im Kölner Volksgarten, ob sie mich und meine Schwester für ein Casting fotografiert dürften. Sie sagte zu, was damals zwei DM kostete. Erst zwei Jahre später kam die Anfrage zu einer Pumuckl-Party für eine Geissendörfer-Serie mit 300 Kindern, die beim Spielen beobachtet wurden. Ich ging lieber auf einen Kindergeburtstag, folgte erst der zweiten Einladung und bekam die Rolle für ein Jahr. Dreissig Drehtage hieß es - daraus wurden dann vierunddreißig Jahre.

 

Hattest du als Teeniestar Groupies, wie die Stars das heute haben?

Niemand rechnete damit, dass die Serie nach drei Folgen so populär und ich so bekannt war, dass es kein Zurück mehr gab. Wir hatten zwölf Millionen Zuschauer pro Ausstrahlung. Ich war so bekannt, dass ich nicht mehr allein über die Strasse gehen konnte. Der Weg beim Klassenausflug vom Dom ins Römisch Germanische Museum dauerte zwei Stunden. Darauf hätte ich gern verzichtet, aber es war auch klar, wenn ich aussteige, ist die Bekanntheit nicht weg. So habe ich weitergemacht und als fünf Jahre später die Privaten mit Daily-Soaps begannen, ließ diese Groupie-Manie Gott-Sei-Dank nach.

 

Du hattest zwei Mal eine einjährige Pause, wolltest du „raus“?

Beim ersten Mal Ja, beim zweiten Mal nicht. Nach dem Zivildienst wollte ich ein Jahr auf Weltreise gehen. In eine Welt, in der man mich nicht kennt. Wir haben meine Szenen vor- bzw. nachgedreht, dadurch fehlte Klaus nicht in der Serie. Ich reiste zuerst allein, später mit meiner damaligen Freundin durch Südamerika, Afrika und Asien.

 

Die Welt verändert sich, würdest du so eine Reise heute noch machen?

Ich vermeide innerdeutsche Flüge und mache auch keinen Urlaub, wo ich ins Flugzeug steigen müsste. Aber aus Umweltsicht rechnet sich ein Flug für ein Jahr Reisen ganz anders. Und es ist wichtig für die Touristik-Regionen, dass Devisen ins Land kommen und für den Austausch zwischen den Kulturen ist Reisen wichtig. Man muss es nicht verbieten, aber man sollte sich überlegen, ob fünf Mal Malle im Jahr nötig sind, oder ob die "Klapsmühle" mit entsprechend Alkohol nicht ausreicht.

 

Hast du Angst vor der Zukunft?

JA!, was vor allem dem Zeitgeist verpflichtet ist. Wenn man sich allerdings die Realität anschaut, besteht für Angst wenig Grund. Der Hunger ist weltweit zurückgegangen, der direkte Einfluss von Umweltschäden auf den Menschen hat sich hierzulande vorerst verringert. Es gibt weniger Kriege und Kriegstote. In diesem Land ging es uns nie besser, die persönliche Freiheit und das Sicherheitsgefühl sind größer als je zuvor. Trotzdem sind die Zukunftsängste groß, vor allem was die Umwelt betrifft, und das Erstarken der Rechten. Wir müssen verdammt noch mal aufpassen.

 

Du arbeitest auch als Regie-Assistent, Produktions- und Aufnahmeleitung. Konntest du Herrn Geissendörfer zur Hand gehen?

Nein, das habe ich ausserhalb der Lindenstraße getan. Ich wollte ein zweites Standbein haben, für den Fall, dass es die Lindenstrasse einmal nicht mehr geben sollte. Ich habe immer gerne am Set gearbeitet. Die Regieassistenz ging dauerhaft rein zeitlich nicht gut mit der Lindenstraße zusammen. So habe ich letztendlich Produktionsleitung gemacht und als Produzent, also im organisatorischen Bereich gearbeitet. Das ließ sich terminlich besser koordinieren. So habe ich hinter der Kamera bei diversen Serien und Filmen, aber auch im Theater, bei Musicals und Events gearbeitet.

Moritz A. Sachs // © vvg

Machen wir mal ’nen "SCHNITT" – Du bist Veranstalter

Du meinst das Internationale Kurzfilmfestival „shnit", das ich in Köln von 2009 bis 2013 veranstaltet habe. Es findet jährlich im Oktober gleichzeitig in mehreren Städten statt. Bern ist der Gründungsort, Köln und auch Wien sind nicht mehr dabei, aber wir sind bzw. waren in Kapstadt, Singapur, Buenos Aires, Lagos, Kairo, San Jose, Moskau, San Franzisco und NY. Ich bin heute noch in der Organisation.

 

Ende März erscheint zum Serienende dein Buch „Ich war Klaus Beimer“.

Angefangen habe ich damit gleich, als das Serienende bekannt wurde. Das letzte Kapitel habe ich nach Drehabschluss zwischen Weihnachten und Silvester geschrieben. Es ist ein autobiographises Buch, selbstverständlich mit einem Schwerpunkt auf meine Erlebnisse mit der Lindenstraße - ihren Einfluss auf mich als Kind, auf die Politik. Es hat mir sehr gut getan, viele kleine und große Anekdoten und Erinnerungen zusammen zu tragen. Erscheinen wird es am 27. März, pünktlich zum Sendeaus der Lindenstraße.

 

Kollegin Andrea Spatzek spielt Theater, wär das eine Alternative?

Natürlich. Bisher ging das nebenher. Ich habe neben einigen kleineren Produktionen in der Schweiz bei einem Open-Air-Stück gespielt und in Köln im „Jedermann“ den schnöden Mammon. Warum nicht auch in Zukunft?

 

Du hast bei „Let's Dance” mit Melissa Ortiz-Gomez den zweiten Platz ertanzt. Gerade erst lief das Dschungelcamp, haben die schon angefragt?

Darüber würde ich reden, wenn ich mitmachen würde. Aber selbstverständlich sehe ich es immer mal wieder an. Dschungelcamp gehört zu einer Liga, wo selbst die Süddeutsche und der Spiegel nicht mehr dran vorbeikommen.

 

Was bringt dich denn auf die Dschungel-Palme?

Zuspätkommen! Das ist eine Unsitte, die durch das Handy noch zugenommen hat. Noch mehr bringt mich Intoleranz auf die Palme, vor allem weil ich die Erfahrung durch meine Medienpräsens auch selber gemacht habe. Leute anzugreifen für nix, nervt mich total.

 

Du hast innerhalb weniger Monate über vierzig Kilo abgenommen.

Davon konnte ich ungefähr dreißig halten. Als Twen habe ich schon gemerkt, dass es mir nicht leicht fällt mein Gewicht zu halten. In einer Stressphase vor fünfzehn Jahren habe ich in kürzester Zeit zwölf Kilo zugenommen. Irgendwann hatte ich die Nase voll. Ich habe mir professionelle Hilfe gesucht und mit intensivem Sport und Ernährungsumstellung konnte ich in wenigen Monaten so viel abnehmen.

 

Du bist in der Serie schon früh mit Themen konfrontiert worden, worüber sich Fernsehdeutschland aufregte: 1988 das Thema Aids als Benno starb, 1990 küssten sich Carsten Flöter & Robert Engel, 1997 heiratete Carsten den Theo Klages. Wie hast du das aufgenommen?

Bei Bennos Tod war ich noch sehr jung, aber ich erinnere mich, wie liebgewonnene Team-Mitglieder wirklich an AIDS starben. Beim Schwulenkuss, habe ich nicht verstanden, warum man so ein Tamtam darum macht und die Folge sogar im BR auf den Index kam. Für mich war das Normalität, ich kannte das von Sommerfesten der Lindenstrasse. Die politische Dimension habe ich nicht erkannt. Bei der Hochzeit war ich alt genug und habe ich es verstanden. Damals war ich viel mit Claus Vincon unterwegs. Im TIMP haben wir den „Geilsten Arsch der Welt“ gesungen. Wir waren sowohl im legendären LuLu, als auch im heißen Sommer 1993 beim CSD.

 

Hattest du persönlich homoerotische Erlebnisse?

Natürlich bin ich im LuLu angemacht worden. Das schwule Nachtleben funktioniert ja, damit man sich kennenlernt. Wo sollte man damals sonst einen Partner finden? Ein wenig Flirten gehörte dazu und auch mehr. Ich wollte wissen, ob ich wirklich dazugehöre, weil ich mich sehr wohl gefühlt habe. Stinksauer war ich, als ich als Stammkunde Lokalverbot erhielt, weil ich heterosexuell bin.

 

Am 29. März flimmert die letzte Folge - Feiern oder Trauern?

Das Team wird gemeinsam schauen. Trauer kann man am besten begegnen, indem man feiert. Es war eine gute Zeit und die kann man besten Gewissens feiernd beschliessen. Ich werde also beides tun. Ich finde es einen Fehler, dieses Format einzustellen, denn wir könnten es politisch gerade gut gebrauchen. Man hätte die Lindenstrasse nur wieder von der „Leine“ lassen müssen.

Ich bin auch nah am Wasser gebaut, im letzten Jahr mit den unzähligen Abschieden habe ich so manches Tränchen verdrückt. Wie auch beim Schreiben meines Buches.

 

Wo werden wir dich in Zukunft sehen können?

Wiederholungen der Lindenstrasse gibt es auf ONE. Im Zuge des Buches werde ich sicher Lesungen halten. Danach muss ich schauen, wie ich die Weichen stelle, ob vor oder hinter der Kamera.

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