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Peter Clös // © vvg

Im Interview Peter Clös

vvg - 12.12.2015 - 10:00 Uhr

Der Schauspieler und Buchautor Peter Clös, Jahrgang 1956, wuchs im Sauerland auf. Seine schauspielerische Ausbildung erhielt er am renommierten Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Seine Theaterengagements waren u.a. Rheinisches Landestheater Neuss, Städtische Bühnen Münster, Schauspiel Bonn, Burgfestspiele Bad Vilbel, Apollo Theater Siegen. Er ist bekannt aus Filmproduktionen wie „Der Name der Rose“ und „Der grüne Heinrich“. Im Fernsehen glänzte er in den Serien „Ein Fall für zwei“, „Polizeiruf 110“, „Tatort Münster“, „Der letzte Bulle“ und „SoKo Köln“. Auch in „Verbotene Liebe“ trat er auf. Derzeit spielte er beim Sender TNT in der Serie „Weinberg“ mit. Außerdem ist er bis zum 22. Dezember im Apollo Theater Siegen als Blechmann in „Der Zauberer von Oz“ zu bewundern. Im Juni 2015 erschien von Clös – der übrigens u.a. auch Schauspielcoach von Atze Schröder war – die Autobiografie „Das Montagskind“, mit dem er sich zur Zeit auf Lesetour befindet. In Köln liest er am 18. Dezember um 19:00 Uhr bei MGW in der Händelstraße. Sein Buch ist über BoD und Amazon erhältlich.

Peter Clös, im Buch „Das Montagskind“ erinnerst du dich an dein Unbehagen, wenn der Deutschlehrer fragte: „Was will uns wohl der Dichter hiermit sagen?“ Wir fragen nun „Was willst du uns mit deinem Buch sagen?“
Ich habe keine Botschaft, die für alle gilt. Ich erzähle meine Geschichte, und der Leser entscheidet, was sie ihm sagt.

Du sagst „Ich hatte keinen Spaß am Kinderleben; ich erstickte an meiner Ohnmacht!“ Was wäre aus dir geworden, wenn du noch heute in deinem Heimatort leben würdest?
Dann wäre ich Lehrer oder Pfarrer geworden oder längst tot. Lehrer wäre mir davon am liebsten gewesen. Wenn man Schauspieler ist, ist man im Grunde auch Lehrer und Pfarrer, weil man an die Dinge glaubt, die man tut. Und wenn man Schauspiellehrer ist, wie ich es auch bin, ist man Schauspieler, Lehrer und Pfarrer in einem.

Du erlebtest in einem familiären, christlichen Umfeld einen Vater, der niemals zärtlich war. Wolltest du nicht selbst einmal Vater werden und dann alles viel besser machen?
Ich habe durchaus in meiner Jugend gedacht, dass ich mal eine Ehefrau und auch Kinder haben würde, um das Modell nachzuleben, das mir vorgelebt wurde. Ich habe ja an dessen Inhalte geglaubt. Darum habe ich die Erkenntnis des Homosexuell-Seins jahrelang im Ahnungsbereich belassen. Wäre ich Vater geworden, hätte ich eine Erziehung schlecht gefunden, die lediglich darin besteht, Erlittenes auszugleichen. Sinnvoller ist es, eine souveräne Person zu sein, die sich akzeptiert und angenommen hat und somit bei Null startet, ein Kind zu erziehen. Wenn ich nur das Gegenteil von meinem Vater oder meiner Mutter mache, bin ich auch unfrei. Ich bin froh, dass ich keine Kinder habe, weil damit die neurotische Elendsvererbung von Generation zu Generation – dieses Neurosenkarussell – ein Ende hat.

Mit 20 gingst du in Sexshops, weil deine homosexuellen Wünsche gefälligst im Dunkeln bleiben sollten. Waren die 1970er verklemmter als die 1950er?
Nein, waren sie nicht. Ich war in den 1970ern verklemmt, weil ich in den 1950ern groß geworden bin. Wenn sich das mit dem lieben Gott paart, der im Hintergrund immer den Zeigefinger hebt, führt das zu einem Klima, das einem nicht erlaubt, den eigenen Affekten nachzugeben. Ich hielt dauernd den Atem an und filterte drei Mal, ob es erlaubt war oder nicht. Ich freue mich, dass wir heute diese Offenheit haben, bin aber misstrauisch, ob dieser Zustand in Stein gemeißelt ist. Es müssten nur ganz wenige politische Schrauben zurückgedreht werden und wir hätten wieder den Zustand, in den wir nicht zurückwollen. Auch das Wort „Toleranz“, das wir oft gebrauchen, ist falsch. Toleranz kommt von dulden. Ich will aber gar nicht geduldet werden; ich will, dass man mich akzeptiert und mir Respekt zollt.             

Mit 14 bemerktest du, dass dich Mädchen nicht wahrnehmen und dir wurde bewusst: „Ich werde ein Leben lang allein bleiben.“ Resultierte daraus der Entschluss, es mit Jungen zu probieren?
Ich habe mich in meiner Adoleszenz durchaus in Mädchen verliebt, wusste aber nie, war es Liebe oder geschah es aus dem Druck heraus, der Gesellschaft diesen Dienst zu erweisen? Ich hab's dann mal bei einer Dame des Gewerbes versucht, aber das war auch nicht der Bringer. Also habe ich umgedacht.
 

Peter Clös // © vvg

Deine erste, unbewusste Liebe hieß Stefan. Den Penis-Vergleich hattest du mit Thomas und erste, unfreiwillige sexuelle Handlungen mit dem älteren Onkel Erwin. Später gabst du dem maskulinen Peter einen Korb, weil du knabenhaftere Typen bevorzugtest. Hast du dir unbewusst immer einen Stefan gesucht?
Ja, habe ich. Es ist ein spezielles Los von mir, dass meine erotische Zielgruppe nicht mit mir älter geworden ist. Es musste stets ein junger, im positiven Sinne unfertiger Mensch sein. Ich habe immer die Altersgruppe zwischen 20 und 30 Jahren präferiert. Dadurch wurde die Alters-Schere zwischen mir und denen immer größer und die Chance, einen Partner zu finden, immer geringer.

In deiner Kindheit fandst du dich hässlich. Hätte dein Leben anders ausgesehen, wenn du – in deinem Verständnis – ein schöner Mann geworden wärst?
Erst mal glaube ich, dass dir das Los, das dir im Leben zufällt, auch Kraft gibt, die Hürde zu nehmen. Aber trotzdem: Wenn ich so ausgesehen hätte wie Brad Pitt, wären mein Leben und die Resonanz auf mich mit Sicherheit erfreulicher verlaufen. Übrigens: Ich werfe der Welt nicht vor, dass sie auf Äußerlichkeiten reagiert, das tue ich ja selbst. Ich werfe der Welt nur vor, dass sie es leugnet.

Die ‚schwule Metzgerinnung’ hatte entschieden, mein Fleisch der Qualitätsgruppe B zuzuordnen.“ Was stört dich denn an der Szene?
Mich stört, dass die Schönen glauben, über die vermeintlich Hässlichen befinden zu dürfen und sie aburteilen, weil sie ihren Vorstellungen nicht entsprechen. Es hat doch jeder Mensch eine Lebensberechtigung, egal wie er aussieht! Was mich befremdet, ist der Körperkult. Aber vielleicht ist es das Vorrecht junger Leute, arrogant zu sein. Jugend, die von der Jugend nichts weiß...

Uns hat dein „Danke“ an die Stricher sehr gefallen.
Oh, das war mir ein großes Bedürfnis! Ich bin froh, dass es diese Möglichkeit der Energieabfuhr für mich gibt. Vom wunderschönen Erlebnis bis zum Desaster hab ich alles hinter mir. Mir war immer wichtig, die Escorts so respektvoll zu behandeln, wie ich selbst behandelt werden möchte. Ich nehme es dem Schöpfer persönlich übel, dass er die Sexualität überhaupt erschaffen hat und uns mit einer solchen Triebhaftigkeit allein lässt. Ein so viel an Lust trifft auf ein so wenig an Gelegenheit! Mein Vorschlag wäre, Sexualität per Krankenschein zu verschreiben. Sie ist ein Grundrecht wie Essen und Trinken.

Dein Gesicht wurde dein größter Feind: „Es wurde und wird nicht begehrt, also begehrte es sich auch nicht selbst". Fühltest du dich eigentlich als „behindert“?
Meine Operation an der Gaumenspalte erfolgte erst nach der Pubertät. Bis dahin lief ich mit einem Sprachfehler herum, das war meine Behinderung. Ich wurde über die Sprache ausgegrenzt. Da sind Kinder sehr hart, wenn sie merken, dass jemand anders sprichst als sie; dadurch habe ich mich hässlich gefühlt. Später habe ich mich für einen Beruf entschieden, der darin besteht, dass man sich zeigt. Heute bin ich längst hinter die positiven Aspekte meines Gesichts gekommen, das meine Kollegen „Charakterfresse“ nennen. Es ist nicht austauschbar und verleiht mir eine ungewöhnliche Aura. Jeder muss die Trauben da pflücken, wo er drankommt.

Gibt es einen beruflichen Traum, den dir die berühmte Fee erfüllen könnte?
Ich würde gern mit Max Riemelt und Dagmar Manzel drehen. Mein Szenenvorschlag: Sie ist die Mutter von Max; er bringt mich als Freund mit nach Hause und sie sagt zu ihm: „Der ist doch viel zu alt für dich!“

Eine Show von dir hieß: „Ich hab von Kopf bis Fuß die Liebe eingestellt“. Hast du das Lieben tatsächlich aufgegeben?
Ja, aber nur zwangsweise. Wenn ich könnte, wie ich wollte und auf der Kontaktbörse noch Chancen hätte, würde ich auch noch mit 80 Jahren...

Du schreibst: „Ich schaffe es bis heute nicht, groß von mir zu denken.“ Siehst du dich heute anders?
In meiner Kindheit hatte ich Zweifel im Übermaß, und der hat mich kleingehalten. Wie sollst du jemals groß von dir denken, wenn dein Kinderwille „Dreck“ wert ist? Erst müssen andere groß von dir denken, damit du es als Kind lernst. Heute sage ich: Man muss nicht all das können, was andere können. Ich muss nicht wie mein Vater den Teppichboden verlegen und die Wände täfeln können. Dafür habe ich das Künstler-Gen mitbekommen. Das kann ich!

Hast du Gott inzwischen verziehen?
Nein, ich werde mich auch weiterhin bei ihm beschweren. Wenn meine Wutattacke kommt, kriegt die immer der Rabengott ab. Trotzdem bin ich bis heute kein Atheist geworden. Ich glaube, dass wir gelenkt werden. Ich weiß nur nicht, von wem.

Wie sieht denn so eine Wutattacke aus?
Wenn ich etwa einen Filmabend geplant habe und der in die Hose geht – entweder, weil die gekaufte DVD defekt ist, die Fernbedienung nicht funktioniert oder der DVD-Player selbst aussetzt; das laste ich dann dem Rabengott an, der nicht will, dass ich einen Filmabend habe. Dann werde ich laut! Das ist meine Art, Frust loszuwerden. Im Buch sage ich zu Gott: „Ich freue mich aufs jüngste Gericht, weil ich dir dann endlich in die Fresse spucken kann für all das, was du mir angetan hast.“

Der grinst sich einen und denkt „Du bleibst ein Montagskind!“
Wahrscheinlich!

Hast du einen Wunsch an die Zukunft?
Nach all dem bisher Erlebten und mit der Erfahrung einer Krankheit, die man sich nicht wünscht, würde ich – auch vor dem Hintergrund dieses Buches – gern mit meiner Familie, meiner Geschichte und meiner Krankheit Frieden schließen. Ich wünsche mir höhere Glücksanteile und die Fähigkeit, das Leben mit einem Lächeln zu betrachten.

Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Peter Clös im November 2015 geführt.

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