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Guildo Horn // © vvg
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Im Interview Schlagerbarde Guildo Horn

vvg - 03.03.2015 - 10:00 Uhr

Der gebürtige Horst Köhler ist als Schlagerbarde Guildo Horn deutschlandweit bekannt. Dass er als Retter des deutschen Schlagers und Wiederbeleber des ESC auch in seinem Beruf als Sozialarbeiter wichtige Beiträge zur Akzeptanz behinderter Menschen geleistet hat, erfuhren wir in unserem Interview.

Guildo, wir sind ja ein schwules Magazin. Gilt der Text „Guildo hat euch lieb“ auch unseren Lesern?
Selbstverständlich! Im Übrigen mache ich da keine Unterschiede. Es interessiert mich nicht im geringsten, ob jemand hetero, schwul oder trisexuell ist. Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Aber ich finde den Namen „Schwulissimo“ total gut. Mit Schwulsein wird ja – gesellschaftspolitisch gesehen – immer ein Makel verbunden. Wenn man da humorvoll mit der eigenen Sexualität umgeht, ist das doch etwas Schönes. Ansonsten ist für viele die Sexualität eher eine triste Angelegenheit.

Du hast mit dem Lied 1998 beim ESC den siebten Platz geholt und mit deinem Auftritt neue Maßstäbe gesetzt. Welche Emotionen verbindest du, wenn du dich an den Song-Contest erinnerst?
Für mich war die Zeit sehr turbulent. Zuerst retteten wir den Schlager, dann wollten wir dem Grand Prix zur neuen Blüte verhelfen, der Ärmste lag ja seit Jahren in Trümmern. Wir, die Orthopädischen Strümpfe, sind damals aus unserer „Danke Tour“, wo wir 300 Konzerte im Jahr gespielt haben, raus und mehr oder weniger schwulissimomäßig durch die Veranstaltung gerutscht. Natürlich haben wir das spielerisch genommen und sehr genossen.

Ich bin vor allem Livekünstler, d.h. ich bin es gewohnt, zweieinhalb bis drei Stunden live auf einer Bühne mein Männchen zu stehen, beim GP dauerte ein Auftritt mit Halbplayback keine drei Minuten; das macht man dann mit wenig Aufregung. Ich habe mir keine Gedanken über das Millionenpublikum gemacht, warum auch? Ich bin da Selbstbefriediger und schaue erst mal, dass ich ganz bei mir bin und wir auf der Bühne möglichst viel Spaß haben. Bühne heißt Entspannung und nicht Kampf.

Das Jahr1998 war trotzdem eine Riesenzäsur in meinem Leben. Bis dahin war alles komplett Kunstfigur und Operettenspiel. Wenn man in so einen Focus reingerät, wird einem die Spielwiese dann Stückchen für Stückchen entrissen. Ich wurde ständig von irgendwelchen windigen Paparazzi beschattet, die versuchten, in meine Privatsphäre einzudringen. Das, was ich mache, mache ich sehr gerne und mit einer gewissen Leichtigkeit des Seins, da lasse ich mir ungern von außen so eine Schwere reintragen. Ich war damals mit meiner Band schon acht Jahre sehr erfolgreich auf Tour, ein Szenetipp eben, und dass man plötzlich in der Boulevardpresse so derartig präsent war, kannten wir nicht. Ich war plötzlich der neue süße Bildboy von nebenan auf Seite 1. Das war alles ein europaweiter Riesenzirkus. Wir sind jedenfalls ohne viel Plan in einen dunklen Tunnel reingelaufen und standen auf einmal im Scheinwerferlicht auf dem Seziertisch. Nach dem Grand Prix kamen viele Anfragen aus unzähligen Ländern, aber wir hatten Ideale und wollten unsere Fans in Deutschland nicht hängen lassen. So haben wir z.B. bei „Wetten...dass?“ abgesagt, um statt dessen einen Gig vor 800 Leuten zu spielen. Aber bei einem Event wie dem ESC dabei gewesen zu sein ist schon ‘ne Harke.

Am 5. März steigt der Vorentscheid zu „Unser Song für Österreich“. Welche Tipps gibst du den Kollegen?
Im Optimalfall: Spaß zu haben. Nicht zu viel erwarten und die Sache nicht allzu ernst nehmen. Ernst ist das Leben, heiter die Kunst. Punkt.

Beim letzten ESC gewann eine Dame mit Bart, beim Supertalent auch. Ist der Song heutzutage „Wurst“ – hat nur ein Künstler mit einer flippigen Performance Chancen?
Nein, überhaupt nicht. Das Gesamtpaket muss stimmen. So skurril wie das ist, es muss authentisch sein. Die Welt, die transportiert wird, muss stimmig sein. Das Publikum merkt schnell, wenn etwas aufgesetzt ist. Conchita hatte sowohl ein tolles Lied als auch eine tolle Stimme, eine super Performance und eine tolle Story zur rechten Zeit. Als ich damals mitgemacht habe, hieß die Gewinnerin Dana International. Da stimmte das Gesamtpaket ebenfalls. Ich glaube, heute wird viel Musik am Reisbrett entworfen, man verlässt sich gerne mal auf gesetzte Pferde. So wie beim Dschungel momentan, da sitzen dieselben Charaktere wie im letzten Jahr. Wichtig ist doch, dem Zuschauer etwas Neues zu bieten. One Moment in time.

Hat der Dschungel schon bei dir angefragt?
Früher mal. Ich würde das nie im Leben machen, weil ich mich nicht 24 Stunden filmen lassen will, um mich dann von irgendwelchen Spezis am Schnittpult in eine bestimmte Persönlichkeit zusammensetzen zu lassen. Außerdem will ich weder Augen, noch Tierhoden essen. Ok, vielleicht mal ein Affenschnäutzchen. Ich gucke mir das lieber von der Couch an und schmunzele darüber. Wenn ich nach Australien will, fahre ich dahin und mache Urlaub.

Dschungelbewohner Walter Freiwald hat sich öffentlich für das Amt des Bundespräsidenten beworben. Wäre das nichts für dich, wo du doch den Namen eines ehemaligen BP trägst?
Als mein Namensvetter aus dem Amt ausgeschieden ist, habe ich eine Aktion gestartet, dass man doch Stempel und Briefpapier weiterverwenden könnte, wenn ich sein Nachfolger würde. Aber diese permanenten Kranzniederlegungen würden mir persönlich nach einer gewissen Zeit auf den Keks gehen. Ich finde, dass wir im Moment einen guten BP haben, der macht wenigstens mal den Mund auf. Aber wenn man genug bei mir kratzen würde..., Bundespräsident wäre doch ein geiler Job. Man verdient ja schließlich sehr gut.  Auch nachher.

Und du könntest wie Walter Scheel (der 4. BP) auch noch singen. Du selbst outest dich mit „Ich find Schlager toll“ und behauptest „Das schönste Lied kennt Guildo Horn“. Welches sind deine Lieblings-Hits?
Ich finde „Liebesträume“ von Peter Alexander sensationell und liebe die Magic Numbers, vor allem den Titel „I see you, you see me“. Daran kann ich mich nicht satthören. Wenn ich auf eine einsame Insel Musik mitnehmen müsste, wäre das natürlich Musik der Beatles. Weil die mir alles geben, was ich zum Leben brauche. Was ich nicht mag, ist Free-Jazz und ich bin kein Freund lateinamerikanischer Sachen. Das ist nicht mein Ding. Da bin ich wohl zu steif in der Hüfte.

Musik kennt bekanntlich keine Grenzen. Allein das Wort „Grenze“ ist ein politisches Reizthema...
Das ist ein ganz schwieriges Thema. Ich finde es wichtig, mit Menschen aller Couleur und Gesinnung zu sprechen. Man kann nicht nach links oder rechts ausgrenzen, man muss alle ins Boot nehmen. Es ist schwierig, wenn sich Menschen durch ihre politischen Vertreter überhaupt nicht mehr erreicht fühlen. Ich bevorzuge eine freie Gesellschaft, in der sich jeder ausleben kann, wie er möchte. Ich möchte, dass unsere demokratische Gesellschaft, an der Generationen seit Jahrhunderten gebaut haben, erhalten bleibt und nicht aus Angst oder falsch verstandener Solidarität vor die Hunde geht. Das ist ein brutales Thema, man weiß schon nicht mehr, was man denken soll …Ich bin ja auch noch so klein. 
 

Guildo Horn // © vvg

Lass uns mal Privat werden: Wie kam Horst Köhler zum Namen Guildo Horn?
Nach langem Nachdenken mit Kakao und viel Schlagerhören gefiel uns der Name vom Klang her. Ich war ja immer Schlagerfan. Ursprünglich war die Idee, meine Haare wie ein Horn zu tragen. Eines nach hinten, eines nach vorn. Ich war zu der Zeit immer fahndungsmäßig unterwegs: unrasiert, lange Haare und ziemlich verstrahlt. Da gab’s dann dieses Umstyling. Vor allem auch für meine Mutter.

Was unterscheidet Guildo und Horst?
Auf der Bühne bin ich „on“, dann habe ich die Aufgabe, Menschen zu unterhalten. Man wird als Unterhaltungskünstler ja gebucht, um die Freizeit der Menschen zu gestalten. Privat habe ich es lieber etwas ruhiger, da muss ich nicht immer im Mittelpunkt stehen. Aber beide essen wir sehr gerne, der Guildo und der Horst. Wenn man mich nur von der Bühne kennt, ist man vom privaten Guildo eher überrascht, sagt man.

Du hast mit behinderten Menschen gearbeitet, und bist für deine Talkshow „Guildo und seine Gäste“ ausgezeichnet und als „Christoph Kolumbus der Behindertenarbeit“ gelobt worden. Was hast du denn „entdeckt“?
Überhaupt nichts. Amerika liegt manchmal nur einen Schritt entfernt. Ich praktizieren einen normalen Umgang mit behinderten Menschen, wie mit jedem anderen Menschen auch. Nur weil jemand behindert ist, finde ich ihn nicht sympathischer, oder unsympathischer. Ich habe früher in der Lebenshilfe in Trier damit angefangen, habe ein soziales Jahr und Musik mit Behinderten gemacht, danach Pädagogik studiert und als Musiklehrer gearbeitet. Das war faszinierend. Intelligent sein, laufen, hören und sehen können ist nicht alles. Wenn einer ein Manko hat, hat er fast immer auf der anderen Seite eine Qualität. Wenn einer lebt und sein Leben genießt, ist es scheißegal, ob er behindert ist oder nicht.

Was wolltest du als Kind werden?
Prinzessin, Lokomotivführer, Polizist und dann nur noch Schlagzeuger.

Prinzessin, das ist ja geil.
Man weiß ja nicht, wohin es einen im Leben treibt. Ich habe, bis ich 15 war, von Hetero- und Homosexualität nicht viel gewusst. Da wurde im katholischen Trier nicht darüber gesprochen und es gab nur den Stadtschwulen Robby, den jeder kannte. Als ich später bei Verona Feldbusch in „Peep“ eine Wichsstory von mir erzählte, stand das katholische Trier Kopf, weil man da ja nicht drüber spricht! Ich glaube, nur der Robby fand das gut.

Danke für die Vorlage. Erzählst du uns die Story?
Also: Ich hatte den Quellekatalog mit Damenunterwäsche in der Hand und merkte, dass mir das gefiel. Ich war „voll dabei“, als „es“ plötzlich rauskam und die Seiten verklebte. Je mehr ich versuchte, das wegzuwischen, desto mehr fiel es auf. Also habe ich die beiden Seiten rausgetrennt. Tage später wurde ich in die Küche gerufen, wo meine Mutter, meine Oma und meine Schwester saßen und fragten, ob ich wüsste, wo die fehlenden Seiten geblieben sind. Meine Reaktion: „Nein! Ich habe da nichts damit zu tun!“

Du hast dir also einen von der Palme... Was bringt dich auf die Palme?
Wenn man mir sagt, was ich zu tun oder zu lassen habe; das macht mich wahnsinnig. Ich bin ja Freidenker, das kann ich nicht ab. Und Geiz finde ich schrecklich; da kriege ich Pickel, überall!

Wovor hast du Angst?
Vor dem Tod. Sonst vor nichts.

Was sind deine Wünsche für die Zukunft?
Ich bin rundherum zufrieden. Ich brauche nicht viel Veränderung. Ich möchte mein Leben so wie bisher weiterführen können. Ich habe für mich das gefunden, was ich für mein Leben brauche.

Noch einmal zum ESC. Woran liegt es, dass der bei Schwulen so beliebt ist?
Keine Ahnung. Ich fand das in Russland total witzig, das war ja im Grunde eine komplett schwule Veranstaltung. Ich verfolgte das zu Hause am Fernseher und quietschte vor Freude. Ich glaube, es liegt daran, weil alles sehr schrill, plüschig und bunt ist. Ich war Tage vorher als deutsches Jurymitglied in Moskau dabei, und konnte sehen, was da so abgeht. Da schüttelt man nur den Kopf. Der Umgang mit Homosexuellen ist dort leider wie im Mittelalter. Als ich mich vor Ort zu dem Thema kritisch äußerte, habe ich mich danach total beobachtet gefühlt. Keine Ahnung, ob’s so war, aber generelles Kopfschütteln meinerseits.                                                                                                         

Du unterstützt die LSVD-Aktion „EinszuEins“, die sich für die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften einsetzt.
Ich habe 1991 durch meinen damaligen Manager zum ersten Mal mit schwulen Männern zu tun gehabt. Es ist doch ganz normal, dass man, wenn man zusammen ist und sich liebt, auch heiraten und sich gegenseitig absichern will. Da braucht man doch eigentlich gar nicht darüber zu diskutieren. Wenn man das neutral betrachtet, kann man über jeden neuen Schritt, in dem es um Selbstverständlichkeit im Leben geht, glücklich sein. Wenn man selbst betroffen ist, hat man bestimmt des Öfteren das Empfinden, dass es nicht schnell genug geht.

Hat dich nie ein Mann angemacht?
Doch, ich bin schon oft angeflirtet worden. Aber das ist doch eine Sache, mit der man spielt. Ich glaube, von Guildo Horn haben sowieso anfangs die meisten gedacht, dass er schwul sei; ich galt ja als besonders schrill und weich. Ich habe jedoch im Laufe der Jahre gemerkt, dass ich diesen einen Makel hab: Ich bin hetero... und glücklichst verheiratet mit meiner Herzensdame und habe zwei Kinder. Ich bin ein treuer Mensch, wenn ich in einer Partnerschaft bin, dann geht gar nichts nebenher. Aber, was meine homoerotische Jungfräulichkeit angeht: Man weiß ja nie, was im Leben noch alles passiert.

Du hast einen 19-jährigen Sohn und eine 3-jährige Tochter. Wäre es ein Problem, wenn die sich für gleichgeschlechtliche Partner entscheiden würden?
Das wäre mir so was von egal. Das Wichtigste für mich ist nur, dass sie glücklich werden.

Dieses Interview hat SCHWULISSIMO mit Guildo Horn im Februar 2015 geführt.

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