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Till Quitmann // © vvg

Im Interview Till Quitmann

vvg - 01.08.2020 - 12:00 Uhr

Till Quitmann, Journalist, Moderator und Fernsehautor sitzt seit sieben Jahren wöchentlich in seiner Interviewreihe „Klappstuhl“ - zuerst im WDR, heute auf RTL. Kollegen nennen „Klappstuhl“ das am meisten unterschätzte Format im deutschen TV.

 

Vor genau einem Jahr hast du vom Westdeutschen (WDR) zu RTL-West gewechselt. Warum?
Es gab keine ausschlaggebende Sache. Ich hatte beim WDR ein tolles Team, aber dann kam ein neuer Chef, der von Anfang an mir gegenüber sehr kritisch auftrat. Als einige unschöne Worte fielen, war mir klar, dass der „Klappstuhl“ beim WDR keine Zukunft hat. Da habe ich mich nach Alternativen umgesehen und bei RTL klappte es sofort mit einem nahtlosen Übergang.

 

Bist du mit (d)einem Klappstuhl nur in NRW unterwegs, oder machst du auch „Stuhlgang"?
Im WDR war mein Schwerpunkt der Kölner Raum. Bei RTL ist es ganz NRW und auch darüber hinaus. Das Ruhrgebiet ist ganz anders als das Rheinland und in Köln hatte ich auch schon die „großen Köpfe“ durch.

 

Du interviewst namhafte Prominente. Suchst du sie selbst aus oder läuft`s schon so wie bei US-Talker James Corden?
Es ist beides. Es gibt Leute, die mich reizen, da fallen mir sofort 150 Fragen ein, wofür die Sendezeit viel zu kurz ist. Andere werden mir über Agenturen angeboten, also mit den Jahren wird es leichter, Gesprächspartner zu finden und auszusuchen.

 

Gibt es Menschen, denen du keinen Sitzplatz anbieten würdest?
Ich halte mich aus der Politik raus. „Klappstuhl“ ist ein Unterhaltungsformat und Politiker kommen in anderen Formaten zu Wort. Bei mir sitzen meist Leute aus Kultur, Kunst und Sport. Und da ich kein Streitgespräch führe, kommen Leute, mit denen ich nicht konform bin – wie z.B. AfD-Sympathisanten – nicht in meine Sendung. Andere, die sehr streitbar sind, wie ein Willi Herren, sind aber als Typ sehr interessant, das mich wiederum reizt.

 

Hat sich schon mal jemand geweigert, Platz zu nehmen?
Das passiert natürlich: Köln hält sich für den Nabel der Welt, dass ist aber nicht so. In München oder Hamburg ist der „Klappstuhl“ eben noch nicht bekannt. Aber letztendlich bekomme ich sie früher oder später alle.

 

„Mein rechter Klappstuhl-Platz ist frei, ich wünsche mir ... herbei.“ Wer wäre dein absoluter Traum-Gesprächspartner?
Diego Maradonna, weil er von Höhen bis Tiefen in seinem Leben alles durch hat. Wobei es natürlich besser wäre, ihn in meiner Muttersprache Deutsch zu interviewen. Ich hatte schon den Hollywoodstar Danny Trejo im Interview, das war toll, aber ich hätte mir gewünscht noch besser Englisch zu sprechen.

 

Wen der folgenden Personen würdest du lieber interviewen: Trump - Erdogan - Putin?
Von Putin bekäme ich keine Antworten; bei Erdogan hätten mich seine Fans auf dem Kiecker. Trump ist ja außer jeglicher Reichweite, aber mit dem Klappstuhl ins Weiße Haus zu gehen, stelle ich mir schon lustig vor.

 

Und bei einer Lesbe, einem Schwulen, einem Bisexuellen oder einem Transgender?
Das ist mir im Prinzip egal, ich wähle meine Gäste nicht nach ihrer sexuellen Orientierung aus, sondern nach ihrer Biografie und dem, was sie machen. Ich empfinde es als wichtiges Detail der Persönlichkeit, aber darüber muss sich bei mir keiner definieren.

Till Quitmann // © Archiv

„Klappstuhl“ hört sich ein wenig an, wie „Slapstick“ – wie viel Situationskomik steckt in deinen Gesprächsrunden?
Grundsätzlich sollte man sich selber und auch das Fernsehen nicht zu ernst nehmen. Es ist Unterhaltung und keine Weltsicht. Ich hoffe, gute Unterhaltung zu machen, denn je leichter es ausschaut, umso lustiger wird es und umso mehr Arbeit steckt darin. In Qualität versteckt sich das Wort „Qual“ nicht ohne Grund.

 

Hast du dich – symbolisch gesehen – schon mal zwischen zwei Stühle gesetzt?
Ich bin manchmal schon echt frech, aber ich warte bis heute noch darauf, dass mal jemand aufsteht und die Sendung verläßt. Einmal habe ich den Turner Florian Hambüchen auf dem 10m-Turm im Freibad interviewt und nach einem mißglückten Witz über kleine Menschen, hat er mich spontan vom Turm ins Wasser geschmissen. Er ist aber lachend hinterher gesprungen. Und als ich in Frankfurt Moses Pelham interviewte und ihn drei Mal mit Samy Deluxe ansprach, stand das Interview kurz vor dem Abbruch.

 

Du kannst überall Platz nehmen, kannst du auch überall übernachten?
Nein, ich bin vergeben, ich habe eine Partnerin, zwei schulpflichtige Töchter und wohne in einem 3-Blondinen-Haushalt.

 

Was wolltest du werden, als du in dem Alter deiner Töchter warst?
Bühne fand ich schon immer toll, aber ich hatte keine Vorstellung, in welcher Art ich mich da wiederfinde. Es gab ja keine Comedians als Vorbilder. Aber ich war der Klassen-Clown und habe schon seit der Grundschule Bläck-Fööss-Lieder auf der Bühne vorgesungen. Sportler fand ich auch toll, aber da ich nicht so sportlich war, fiel das weg.

 

Auf Partys ist man gern gesehen, wenn man einen eigenen Stuhl mitbringt; bist du ein Partymensch?
Ich war zwanzig Jahre ein totaler Partygänger. Es gab keine Party ohne Quitmann, ich habe immer gern gefeiert. Da ich immer der Clown war, wurde ich auch auf jede Party eingeladen. Das hat sich aber gegeben, als ich Familienvater wurde.

 

Dein Klappstuhl blieb in den letzten Monaten unbesetzt; wie hast du die Corona-Zeit abgesessen?
Ich konnte auch in den Zeiten meine Sendung machen; ich war sozusagen das Gegenprogramm zu Corona. Es gibt viele Sendungen, die nicht mehr laufen. „Klappstuhl“ läuft, dafür Danke an meinen Chef. Nur die "Klappstühle" im Theater fielen aus und meine Mädchen waren auch plötzlich den ganzen Tag zu Hause. Aber der Familie hat das gut getan, in dieser Zeit eine gewisse Entschleunigung geniessen zu können.

 

Wovor hast du Angst?
Das meinen Liebsten etwas passieren könnte, egal ob Unglück oder Krankheit. Als Freiberufler habe ich natürlich Existenzängste: Werde ich in drei Jahren noch gefragt sein? Kann ich in meinem Fach noch genug Geld verdienen? Wen interessieren die letzten sieben Jahre, was wird in fünf Jahren sein? Angst ist allerdings ein schlechter Begleiter, deswegen schaue ich optimistisch nach vorn.

Till Quitmann // © vvg

Wenn du einen Sitz-Platz im Bundestag hättest, was würdest du politisch erreichen?
Wenn ich sehe, was die Politik in Corona-Zeiten mit den Künstlern macht, da würde ich schon einiges umverteilen. Es darf nicht nur um Autos, Flugzeuge und die grossen Industrien gehen. Ich würde die Fleischindustrie komplett umgestalten, den städtischen Autoverkehr minimieren und den ÖPNV besser organisieren.

 

Und bei einem Sitz-Streik: Wofür würdest du auf die Straße gehen?
Zu meiner Schulzeit bin ich gegen „Pershings“ auf die Strasse gegangen; im Studium gegen den Abbau von Studienplätzen. Heute finde ich toll, wofür die Friday-for-Future-Bewegung auf die Straße geht und schließe mich den Inhalten an. Und gegen Alters-Diskriminierung und Alters-Armut muss endlich auch mal auf die Strasse gegangen werden. Plastikmüll und Kindesmissbrauch regen mich auf und die dagegen viel zu laxen Gesetze.

 

Was hältst du von der „Black Lives Matter" Bewegung?
Meine Tante war mit einem GI zusammen, so wurde ich von kleinauf damit konfrontiert, dass mein dunkelhäutiger Cousin andere Probleme hatte als ich. Meine Mutter floh aus dem Osten. Von daher waren Ausgrenzung und Andersein daheim immer ein Thema. Ich bin froh, dass wir nicht die Probleme wie in Amerika haben. Der Mensch ist gewalttätig gegen Schwarze, gegen Schwule, gegen Andersartige. Viele Menschen ticken da leider nicht richtig…

 

Björn Heuser singt: „Wie geht der Klappstuhl auf?“ Wir fragen: Was macht dich wütend?
Ich kann es nicht leiden, wenn Leuten alles egal ist und der Ehrgeiz fehlt, ein Ziel zu erreichen. Es macht mich wütend, wenn auf Kosten Anderer verschwenderisch gelebt wird. Kein Mensch braucht fünf Autos. Und wenn Menschen rücksichtslos und egoistisch sind und nicht mitbekommen, wie sehr sie dabei andere stören und nicht kritikfähig sind.

 

Da schon im Namen unseres Magazins das Wort schwul steckt, was hast du für Berührungspunkte mit der Szene?
Bis ich dreizehn war, hatte ich überhaupt keine Berührungspunkte. Erst durch die Mutter einer Mitschülerin, die Künstlerin war, wurde mir bewußt, dass Männer auch Männer und Frauen auch Frauen lieben können. Ich hatte nie Berührungsängste, fand Schwule immer sehr feierlustig. Ich liebe ihre Bunt- und Schrillheit und habe mir sicher einige Dinge bei ihnen abgeschaut. Ich kann mich heute noch über den Film „Der bewegte Mann“ totlachen und spiele mit im Promi-Team beim Come-together-Cup-Fussballturnier.

 

Man sagt: jeder Zweite hatte schon einmal homoerotische Erfahrungen – Gehörst du dazu?
Ich bin zwei-dreimal angemacht worden, wahrscheinlich gibt es eine schwule Klientel, die junge, dünne „Pinoccio“-Männchen sexy findet, so wie ich damals aussah. Aber ich habe klar artikuliert, dass es so gar nicht mein Ding ist. Und natürlich habe ich Angebote im Sportverein zum pubertären Penisvergleich bekommen, die ich aber auch abgelehnt habe.

Schon im Kindergarten habe ich den Prinzen gespielt, weil ich immer die Prinzessin küssen wollte.

 

Deine Klappstühle sind weiß; vom weißen zum heißen Stuhl: Würdest du wie Rosa von Praunheim jemanden outen?
Nein, würde ich nicht machen. Wie wer zur eigenen Orientierung steht und wann jemand bereit ist, sein Outing öffentlich zu machen, ist Privatsache

 

Wie sind deine Zukunftswünsche?
Ich habe einige hundert Klappstuhl-Interviews gemacht und ich wünsche mir, wenn ich auf meinen Klappstuhl schaue, dass es immer noch ein weiteres Interview gibt.

Till Quitmann // © Archiv

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