Direkt zum Inhalt
Black Lives Matter // © Josie Desmarais

Leserumfrage Black Lives Matter

vvg - 08.08.2020 - 09:00 Uhr

Ich bin in Andernach geboren und lebe seit über 25 Jahren in Köln. Rassismus ist eine Weltordnung, die mit dem Beginn der Neuzeit angefangen hat. Es ist absolut nichts neues, dass Geschichten, die Rassismus und Polizeigewalt thematisieren, alle zehn Jahre aus Amerika kommen. Was ich gut finde, dass jetzt eine neue Generation heranwächst, die etwas bewirken kann. Nach Schritten in die rechte oder konservative Richtung mit all den populistischen Anwandlungen in den letzten Jahren, wird es Zeit, dass Ruder wieder herum zu reißen. Dabei finde ich es sogar förderlich, dass uns diese konservativen Entwicklungen zum Nachdenken bringen, und wir die Fragen stellen, wo wir gesellschaftlich einmal hinwollen.

Die #BlackLivesMatter-Bewegung wird uns voranbringen, auch wenn wir niemals das Paradies erschaffen können. Aber wir setzen uns mit den Themen Rassismus und Xenophobie (Angst vor Fremdem) auseinander. Sowie mit den Fragen: Was ist deutsch? Was europäisch? Welche Fehler haben wir in der Kolonialzeit gemacht; welche Schuld geschichtlich auf uns geladen? Gegenüber dem 19. und 20. Jahrhundert haben wir viele Fortschritte gemacht. Es muss sich vieles noch ändern; aber ich glaube nicht, dass wir das noch erleben werden.

Schmerzhafte Erfahrungen wegen meiner Hautfarbe mußte ich keine machen, vielleicht liegt es auch daran, dass ich gerne Rheinländer bin, weil die Mentalität und die Toleranz hier deutschlandweit beispielhaft ist. Köln ist meine Region, andernorts, wo die breite Bevölkerungsschicht mich nicht als Mensch und Deutschen sieht, würde ich mich weniger sicher fühlen.

Dem positiven Rassismus, dass mancher gern mal Sex mit einem Schwarzen haben möchte, habe ich mich entzogen, da ich immer sehr langjährige Beziehungen geführt habe. Wenn mir einer so käme, hätte ich garantiert keinen Sex mit dieser Person.

Antoine aus Köln

Antoine aus Köln // © vvg

Ich bin 32 Jahre und lebe seit sieben Jahren in Deutschland. Ich bin in Kuba aufgewachsen und habe kaum schlechte Erfahrungen wegen meiner Hautfarbe gemacht. Schlimmer war es wegen meines Schwulseins, denn Kuba ist eine machistische Gesellschaft. Schwulsein wird toleriert, aber nicht akzeptiert. Ich habe als Teenager gekämpft, um allen zu zeigen, wie gut ich trotzdem bin. Später habe ich für die Regierung als Informatiker gearbeitet und zum ersten Mal bewusst gemerkt, dass meine Hautfarbe mir Nachteile bringt. Ich bekam keine Chance beruflich aufzusteigen. Es wurden nur die "Weißen" befördert. Als ich mich in einen Deutschen verliebte, war das ein weiterer Grund, Kuba zu verlassen. Ich wusste auch durch Freunde, dass die Menschen in Europa toleranter gegenüber Schwulen und auch Schwarzen sind.

Ich habe nur positiven Erfahrungen gemacht, dass ich mich als Mensch entwickeln kann. Was ich bisher erreichen wollte, habe ich erreicht.

Negative Erfahrungen mache ich vor allem im sexuellen Bereich. Ich fühle mich oft nur als schwarzes Fleisch zum F*****, welches nach dem Sex weggeschmissen wird. Als Mensch interessiere ich die meisten nicht. Als ich neu in Deutschland war und noch nicht so gut Deutsch sprach, hat mich einmal in einem Café ein durchaus sympathischer älterer Mann angesprochen, der mir sagte, dass er mich hübsch findet und anschließend fragte, was ich kosten würde. Ich fühlte mich als Objekt und war traurig, weil ich in das Klischee passte, schwule Ausländer in Deutschland sind Stricher oder suchen nur den Sugardaddy, der sie aushält. Aber es war für mich der Ansporn, dass ich etwas erreichen muss, um für mich selbst zu stehen. Die #BlackLivesMatter-Bewegung finde ich wichtig, ich habe aber Angst, dass sie politisch missbraucht werden könnte.

Dariel aus Cuba           

Dariel aus Cuba    // © vvg

Wir als Gruppe der Schwarzen sind sicher nicht alle der gleichen Meinung. Rassismus ist permanent vorhanden, aber nicht so stark, dass ich darunter leiden würde. Für mich hat sich seit 2015 mit der Aufnahme vieler Migranten aber das Gefühl geändert. Ich mache mir heute größere Sorgen als vor einigen Jahren. Dass ich allerdings im Alltag direkt angegriffen werde, habe ich Gott-sei-dank noch nicht erlebt. Mich ärgert z.B., wenn die politisch Überkorrekten das Wort „Neger“, als „N-Wort“ bezeichnen. Ich weiß doch, was damit gemeint ist und es ändert nichts.

Oft wird mir gesagt: „Aber du bist doch gar nicht so schwarz.“. Auch wenn ich nicht so stark pigmentiert bin, ich bin nicht weiss, also bin ich schwarz. Gewissen hetzerischen Parteien wird dies letztendlich egal sein. Was ich nicht mag, ist meist die erste Frage in einem Gespräch: „Woher kommst du?“. Das ist sicher nicht böse gemeint, aber vergleichbar, als wenn ich einen Mann als erstes fragen würde: „Wie groß ist dein Pimmel?“. Ich antworte: „Aus München" und wenn weiter nach meinem Ursprung gefragt wird: „Aus dem Rot-Kreuz-Krankenhaus in Neuhausen, da bin ich geboren.“. Das irritiert die Fragenden.

Als Kind in München war die Reaktion anderer Kinder oft verletzend. Ich wußte damals nicht, wie ich mich verbal dagegen wehren konnte. Da fallen mir heute schon die richtigen Worte ein. Ein anderes Beispiel, wir waren in einer Gruppe unterwegs und zwei davon haben gestohlen, ich war es nicht, aber ich wurde als schwarzes Schaf verdächtigt. Und später habe ich erfahren, dass ich als Schwarzer nicht zur Realschule zugelassen wurde, weil bewußt meine Noten manipuliert wurden.

Die #BlackLivesMatter- Bewegung finde ich gut, wir brauchen überall eine Lobby, die aufzeigt, dass es Defizite gibt.

Kenneth aus Köln

Kenneth aus Köln // © vvg

In meiner Schulzeit/Vergangenheit musste ich mir oft das Wort „Neger“, den Satz "Geh in dein Land zurück." oder auch affenähnliche Laute, die hinter mir gemacht wurden, anhören. Ich habe zwar nie deswegen geweint, aber ich war sehr wütend darüber, weil ich nicht wusste, warum die Leute mich damit immer ausgrenzten. Ich habe das einfach nicht verstanden, worum es überhaupt ging und fühlte mich alleingelassen. Mittlerweile kann ich damit umgehen – was bleibt mir auch anderes übrig? Ich fahre sehr oft nach Köln ins Jugendzentrum anyway, weil ich da unter Freunden bin, die alle sehr offen sind und wissen, was im Leben wichtig ist. Dass ich sexuell anders orientiert und farbig bin, ist für mich keine Doppelbelastung.

Dass momentan sowohl in Amerika als auch in Deutschland so viele Menschen auf die Straßen gehen und Sympathie zeigen, finde ich fantastisch. Die Konversation muss stattfinden, nicht nur, weil das Thema gerade trendy ist, sondern weil es mittlerweile seit fast einhundert Jahren immer noch ein Riesenproblem ist. Ob Menschen, die selbst Diskriminierungen erfahren haben, freier im Umgang mit Antidiskriminierung sind, glaube ich nur zum Teil. Selbst im schwul-lesbischen Bereich fehlt es oft an Toleranz und Akzeptanz. Viele Männer sind frauenfeindlich, betrachten Frauen als Freiwild. Ich glaube ganz freisprechen kann sich da niemand. Ich hoffe, dass die Menschen schlauer werden und mehr zusammenhalten. Von daher schweißt „Black Lives Matter“ zusammen und regt die Menschen zum Nachdenken an, warum das alles stattfindet. Man muss sich endlich mit diesem Thema auseinandersetzen.

Masim aus Oberhausen

Masim aus Oberhausen // © vvg

Ich komme aus Bulgarien und lebe seit sieben Jahren in Deutschland. Bevor ich nach Düsseldorf gezogen bin, habe ich in Süddeutschland in Heidelberg gearbeitet. Dort war die Ausgrenzung von Ausländern deutlich stärker zu spüren als hier in NRW. Hier ist man viel offener und toleranter. Ausgrenzung ist oft nur etwas, was man spürt, da muss man gar nichts mit Worten ausdrücken. Aber ich habe oft gehört: "schwuler Türke" oder "Pole". Da war es den Leuten egal, sich über meine Nationalität zu informieren. Menschen, die ihre Diskriminierung nach aussen richten, haben nicht unbedingt den Backround, um meine Nationalität richtig zu interpretieren. Die derzeit aktuelle Rassismusdebatte, war in der jetzigen Zeit einfach nötig in der Gesellschaft, und zwar weltweit. Die Menschheit hat sich in den letzten Jahrzehnten diesbezüglich nicht weiterentwickelt. Das ist sehr traurig. Es wird sich wohl auch nicht ändern in Zukunft. Es kommt immer in Wellen. Heute ist es der Rassismus, der wieder gesellschaftsfähig wird, morgen die Homophobie, wie wir es schon in Russland oder Polen erleben können. In einigen afrikanischen Ländern gibt es die Todesstrafe, für das was wir sind.

Jeder sollte sich selbst fragen, wo bin ich selbst intolerant oder gar diskriminierend anderen gegenüber. Jeder wird ein wenig davon in sich finden, es muss nicht rassistisch sein, aber gegen Alte, Kranke, Dicke oder Dünne, laute Kinder oder rücksichtslose Menschen, Radfahrer oder Autofahrer, da hat bestimmt jeder schon mal einigen gegenüber diskriminierende Stimmungen empfunden.

Simeon aus Düsseldorf

Simeon aus Düsseldorf // © vvg

Ich bin in Indien geboren, habe die letzten Jahre in Dubai gearbeitet und lebe seit anderthalb Jahren in Deutschland. In der Vergangenheit haben Schwarze immer um ihre Freiheit gekämpft. Rückblickend gab es für die Freiheitsbewegung in den USA die meiste Aufmerksamkeit. Aber es ist über Generationen nichts passiert und die Gesellschaft macht die gleichen Fehler wie in der Vergangenheit. Warum ändert sich nichts? Die #BlackLivesMatter- Bewegung ist einfach die logische Antwort auf den fortdauernden Rassismus.

Auch in Deutschlnd gibt es Rassismus, wenn er auch nicht so latent wie in den USA ist. Als ich letztens mit dem Zug gefahren bin, habe ich mich in ein Abteil gesetzt, in welchem nur eine alte Frau saß, die vielleicht 70-75 Jahre alt war. Sie ist daraufhin wortlos aufgestanden und hat sich woanders hingesetzt. Das ist mir zwei Mal passiert, und zwar vor der Corona-Zeit. Viele haben das Vorurteil, die Schwarzen, die hier leben, kommen alle aus Afrika und sind Diebe.

Die Akzeptanz gegen Jemanden, der anders ist oder anders aussieht ist in keiner Gesellschaft 100%ig vorhanden.

Bei uns gibt es ein Sprichwort: „Wenn du in meinen Schuhen steckst, dann kennst du meine Probleme.“. Das nennt man Empathie und es ist die einzige Möglichkeit einander zu verstehen und die Ab- und Ausgrenzungen zu beseitigen. Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst. Ich bin Christ und bete jeden Tag. Gott akzeptiert mich wie ich bin, denn er hat diese Welt geschaffen und ich gehöre zu dieser Welt, als Schwuler und als Schwarzer. Ich verstehe nicht, warum man Probleme haben kann, wenn die Menschen verschieden sind.

Victor Immanuel aus Köln

Victor Immanuel aus Köln // © vvg

Auch Interessant

Im Interview

Diego Breittmayer

Der in Chile geborene Künstler kam vor 10 Jahren nach Deutschland. Hier konnte er endlich seinen Lebens-Traum verwirklichen, von Kunst zu leben.
Horst und Manuel

Pärchen April 2024

Dieses Paar fand sich auf Anhieb eigentlich nicht so toll und ist inzwischen das perfekte Traum-Familien-Glück samt harmonischem Landleben.
Mario Adrion

Ein neues Bild von Männlichkeit

Wer Mario Adrion noch nicht kennt, hat etwas verpasst – das deutsche Multitalent macht seit einigen Jahren Karriere in den USA.
Ausgequetscht

Niklas Jandusch

arbeitet als Chef-Steward und wurde auf einem Flug von Heidi Klum angesprochen, ob er nicht bei der neuen Staffel von >Germany‘s Next Topmodel< ...
Dennis und Kevin

Pärchen März 2024

Kein Feuerwerk konnte so strahlen wie die Augen dieser beiden: Denn an Silvester funkte es gewaltig zwischen ihnen.
Ausgequetscht

Aaron Knappstein

ist Mitbegründer und derzeitiger Präsident des jüdischen Karnevalsvereins „Kölsche Kippa Köpp vun 2017 e.V.“
Fynn und Polo

Pärchen Februar 2024

Dieses Paar beweist: Liebe kennt keine (Landes-)Grenzen und keine Sprachbarrieren ...