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Leserumfrage // © Pekic

Leserumfrage Können Schwule treu sein?

vvg - 10.11.2014 - 10:00 Uhr

Wir sind schon vier Jahre zusammen und das obwohl wir eine Fernbeziehung führen. Zurzeit sind wir noch auf uns selber fixiert und sehen uns alle sechs Wochen für mehrere Tage. Natürlich wäre es schöner, wenn wir uns öfters sehen könnten, aber das ist bei der Entfernung leider nicht möglich. Wir sind uns trotzdem bisher treu, nutzen aber auch oft die Kontaktaufnahme über Skype. Telefonsex ohne Foto würde uns nicht ansprechen, aber so mit Bild kann das schon recht geil sein. Andere sexuelle Kontakte haben wir nicht. Wir glauben aber beide, dass Männer nicht treu sein können und dass es in der Natur liegt, dass ein Mann die Abwechslung liebt und braucht. Oder vielleicht einen Dritten mit in die Beziehung einbezieht, um der Sache wieder neuen Pfiff zu geben. In der Regel wird dann aus einer monogamen Beziehung eine offene. Das ist ein schleichender Prozess, ohne dass man da groß drüber gesprochen hat. Vielleicht weil das sexuelle Verlangen auf den Partner nachlässt. Oder man hat sich nichts Neues ausgedacht. Der Sex selber war immer der gleiche und man hat es versäumt, sein Liebesleben mit neuen Praktiken aufzupeppen. Wie wir das in der Zukunft machen, ist noch ungewiss. Zurzeit leben wir im Jetzt und schmieden noch keine Zukunftspläne. Ein Vorteil ist, dass wir uns immer nur an verlängerten Wochenenden und in Urlaubssituationen sehen. Der Nachteil ist, dass wir keinen gemeinsamen Alltag erleben. Bis sich das irgendwann ändert, müssen wir wohl noch oft miteinander über Skype Kontakt aufnehmen.
Bernd Krüger (verdeckt) & Thomas Oppenkamp
 

Bernd Krüger (verdeckt) & Thomas Oppenkamp // © vvg

Ich für meinen Teil sage dazu: JA! Ich bin mit meinem Mann jetzt seit 21 Jahren zusammen. Wir lieben uns und stehen zueinander, weil wir das gefunden haben, was wir suchten. Und wir sind nicht die Einzigen, die sich treu sind: Wir haben viele im Freundes- und Bekanntenkreis, die so denken wie wir und am gleichen Strang ziehen. Wir schauen uns auch mal andere Männer an, man ist ja schließlich nicht blind. Wir finden auch den einen oder anderen nett, mit dem man sich was vorstellen könnte, aber passieren tut da wirklich nichts. Wir gehen offen miteinander um, verbieten dem anderen nichts und lassen ihm seine Freiheit. Man bleibt ja freiwillig bei dem Partner, für den man sich entschieden hat. Aber natürlich gibt es viele in der Szene, die nicht treu sind. Es könnte ja etwas Besseres kommen. Viele sind noch auf der Suche nach ihrem Lebensmittelpunkt und daher ständig auf der Suche nach dem unverbindlichen, schnellen Sex. Einige wollen auch erst gar keine Beziehung, weil sie weder Konsequenzen eingehen, noch sich nicht anpassen wollen. Man will sich nicht selber zum Teil aufgeben – und man gibt automatisch einen Teil von sich auf, wenn man eine Partnerschaft eingeht. Letztendlich weiß man, dass keiner alleine sein will. Da reden sich manche ein, dass sie glücklich sind, weil sie regelmäßig ihren Sex finden. Und dann sitzen sie am Sonntagnachmittag, wenn es regnet, alleine zu Hause. Oder gehen in der Sauna wieder auf die Suche. So lange, bis sie irgendwann in ihrem Leben den richtigen Partner gefunden haben. Gezieltes Suchen hilft aber nicht! Ich weiß von mir, dass es bei jedem irgendwann passiert.
Thomas Gard, Gelsenkirchen
 

Thomas Gard // © vvg

Ich denke schon, dass schwule Männer auch treu sein können. Ich bin mit meinem Freund jetzt seit 16 Jahren zusammen, hatte aber davor zwölf Jahre lang eine Beziehung auf Distanz, wo wir nur an Wochenenden, Urlaubs- und Feiertagen zusammen waren. Wir sind uns treu und wir führen auch keine offene Beziehung. Wenn wirklich einmal etwas passieren sollte, erleben wir das zusammen; aber das ist in den ganzen 16 Jahren lediglich zweimal vorgekommen. In unserem Freundeskreis sind einige Männer-Paare schon seit vielen Jahren zusammen und so wie ich die erlebe, gehe ich davon aus, dass sie sich treu sind.

Ich war vorher mit meinem ersten Freund zusammen, das war die Zeit meines Coming Outs. Ich habe ihn nach relativ kurzer Zeit in eindeutiger Situation erwischt und gemerkt, dass er nicht treu sein konnte; wir haben dann beschlossen, eine offene Beziehung zu führen. Ich weiß nicht, wie das in Großstädten abläuft, weil die Möglichkeiten der Versuchung ja wesentlich höher sind. Letztendlich muss jeder für sich entscheiden, wie er es mit der Treue hält und wie er (s)eine Beziehung führen will. Aber dann sollte man das mit seinem Partner absprechen und sich einig sein. Ich denke schon, dass es Männer gibt, die ihre Freiheit brauchen und nicht nur mit einem einzigen Partner zusammen sein wollen, dann sollen sie das offen ansprechen und ausleben, dann ist das doch völlig in Ordnung. Sicherlich lässt die Lust auf Sex nach vielen Jahren Beziehung nach, aber ich finde, dann werden auch andere Dinge im gemeinsamen Leben entscheidender: Dinge wie gemeinsame Interessen, gemeinsame Arbeit und vor allem, die anfallenden Probleme gemeinsam zu lösen. Wenn man in einer festen Beziehung lebt, geht man ja nicht mehr so oft aus, wie man es macht, wenn man als Single ausgeht, um jemanden kennen zu lernen. Wenn wir ausgehen, machen wir das gemeinsam und kommen auch gemeinsam wieder nach Hause, und selbst wenn wir in eine Sauna gehen, verbringen wir die Zeit dort auch gemeinsam.
Jürgen, Ulm
 

Jürgen // © vvg

Schwule können auf jeden Fall treu sein, es kommt ja schließlich nicht auf die sexuelle Treue an. Wo fängt Treue denn eigentlich an? Zuallererst muss man sich selbst einmal treu sein, um anderen treu sein zu können. Und auch wenn wir sexuell getrennt voneinander einiges erleben, bleiben wir uns doch immer noch treu. Letztens haben wir uns gefragt, ob wir eigentlich aufeinander eifersüchtig sind und wir haben festgestellt, dass wir das nicht sind. Höchsten mal futterneidisch, also, dass wir den Sexpartner des anderen auch mal gern gehabt hätten. Wir haben uns aber im Laufe der Zeit sexuell in verschiedene Richtungen entwickelt und geben uns gegenseitig die Möglichkeit, das auch auszuleben. Ich, Stephan, war vor unserer Beziehung mit einem Mann verpartnert und in einer offenen Beziehung. Der Sex fand ohne Kondom statt und so gab es regelmäßige Tests. Eines Tages war mein Mann positiv und ich nicht. An dem Tag, an dem ich es erfahren hatte, gab ich ihm das Versprechen, ein Leben lang für ihn da zu sein. Ich habe ihn bis zu seinem Tod begleitet und er ist in meinen Armen gestorben. In unserer derzeitigen Beziehung sind wir einander treu, aber wir leben nicht monogam. Untreue wäre für uns, wenn wir miteinander Sex hätten und dabei an jemand anderes denken würden.
Günni & Stephan, Siegen
 

Günni & Stephan // © vvg

Nein, treu sein können Schwule nicht. Sie wollen es sein, zumindest nach außen hin, aber das kriegen sie nicht hin, denn es könnte ja an der nächsten Ecke ein besserer Typ stehen. Ich selbst bin seit acht Jahren glücklicher Single und bemerke oft, dass mich einige sexy und attraktiv finden und mich anmachen. Ich bin ein ehrlicher Mensch und sage denen von vorneherein, dass ich positiv bin und frage, ob sie damit ein bzw. kein Problem haben. Dann haben sich die Typen aber in der Regel schon innerlich verabschiedet und man bekommt Sachen zu hören wie „Wir können ja menschlichen, aber keinen sexuellen Kontakt haben“. Da bleibe ich doch lieber gleich Single, was aber nicht heißt, dass ich keinen Sex habe. Kürzlich besuchte ich eine schwule Bar und ging auf die Toilette. Dort stand ein Typ, der mich wohl geil fand, denn er starrte mir auf meinen Schwanz und rubbelte sich dabei kräftig einen ab. Ich fragte ihn ironisch, ob es wenigstens schön gewesen wäre und er antwortete: „Sag aber nichts, denn draußen wartet mein Freund!“ Das zur Treue; da liegen wohl Theorie und Praxis weit auseinander. Ich frage mich da ernsthaft, warum hat er dann überhaupt einen Freund? Ich persönlich bin ein Beziehungsmensch und halte nichts von offenen Beziehungen. Die meisten spielen ihrem Partner Treue vor, haben aber ständig Angst, sie könnten etwas verpassen.

Wenn ich einen Freund habe, brauche ich doch nicht noch andere Männer. Die Jungs sind intolerant: Alle reden auch davon, sich zu schützen und treiben es dann später in irgendwelchen Darkrooms mit dem erstbesten „ohne“. Ich glaube, sogar Barebacking ist modern geworden. Es gibt sogar Typen, die es bewusst darauf anlegen, angesteckt zu werden. Und ich bin nicht davon überzeugt, dass sie, wenn sie eine Beziehung eingehen, auch wissen, dass sie Verantwortung für ihren Partner übernehmen.
Jörg H. Köln
 

Jörg H // © vvg

Die Frage müsste ja eigentlich heißen: „Können Männer generell treu sein?“. Einige können das bestimmt; in der Regel sind es die, die in ihrer Beziehung eine offene Kommunikation betreiben und die Fakten klar auf den Tisch legen. Wie z.B. „Wer steht auf was?“ oder „Wer steht auf wen?“. Wenn ich die Treue mit Sex definiere, ist die Anzahl derer, die treu sein können, sehr gering. Die meisten stehen aber nicht dazu, weil das in einer Beziehung nie Gesprächsthema war. Und weil sie sich nicht getraut haben, zu sagen, dass sie auch mal gerne woanders „grasen“ möchten. Bevor man das allerdings in der Beziehung ansprechen kann, muss man sich zuerst mal selbst darüber im Klaren sein, was man will. Und vor allem auch dazu stehen. Bei mir persönlich hat es 40 Jahre gedauert, mir einzugestehen, dass es bestimmte Dinge gibt, auf die ich auch in einer Beziehung nur ungern verzichten möchte. Das ist der Grund, warum ich, wenn sich etwas anbahnt, meine Bedürfnisse offen anspreche. Das heißt, die Leute müssen mich bei diesen Sachen so nehmen wie ich bin. Wenn das einer nicht akzeptieren kann, sind Streit und die Unehrlichkeit vorprogrammiert. Merkt man nach einem bestimmten Zeitraum, dass einem bestimmte sexuelle Dinge fehlen, holt man sich die über kurz oder lang woanders. Ich hatte viele Dates, wo der eine nicht wissen durfte, was der andere Partner gerade macht. Da packe ich mir heute an den Kopf, weil ich es einfach geil finde, wenn ich einem Partner über meine Abenteuer berichten kann, und umgekehrt von seinen höre. Genauso sollte es auch kein Problem sein, wenn der eine mal keinen Bock hat; soll der andere doch alleine ausgehen, ohne gleich ein schlechtes Gewissen zu haben. Mein Fazit ist also – frei nach Walter Moers „Kleinem Arschloch“: „Ihr habt alle gef***t“.
Martin Rohleder, Dortmund
 

Martin // © vvg

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