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Leserumfrage // © PIKSEL

Leserumfrage Was kommt nach dem Lockdown?

vvg - 05.02.2021 - 10:00 Uhr

Ich kann da auch keine Prognosen geben, wie alles nach dem Lockdown und nach Corona weitergeht. Wünschen würde ich mir, dass die Leute netter zueinander sind, respektvoller und auch rücksichtsvoller, nicht so egoistisch wie bisher. Momentan habe ich keine Kontakte zur Szene, weil es fast unmöglich ist und im privaten Bereich treffe ich niemanden, weil ich versuche, meine Kontakte wirklich auf das Nötige zu beschränken. Ich hoffe aber, dass die Leute durch die Pandemie gelernt haben, wie wertvoll dieses Miteinander ist, egal ob sie Leute im Café treffen, in der Sauna oder auf einer Party. Sie werden es hoffentlich mehr zu schätzen wissen als je zuvor. Man sollte Selbstverständlichkeiten nicht mehr als selbstverständlich ansehen, sondern sie auch wirklich wertschätzen.

Mir persönlich fehlt durch die Pandemie meine Arbeit, die Kommunikation mit den Kollegen, die Gespräche und der Austausch mit Kunden und Gästen. Jemand, der nicht in einem Szenebetrieb arbeitet, der die Szene aber nutzt, um Kontakte zu machen, Freunde zu treffen oder einfach nur, um unter Gleichen zu sein, dem wird die Szene genauso fehlen.

Die sozialen Medien können da auch nur wenig auffangen, aber durch sie besteht momentan noch ein wenig Zusammenhalt. Das Netz kann die Realität auf keinen Fall ersetzen. Wenn der Lockdown vorbei ist und langsam wieder Normalität einkehrt, werde ich meinen Urlaub, der im letzten Jahr abgesagt werden musste, versuchen nachzuholen. Den Reisegutschein, den ich dafür erhalten habe, gilt nur ein Jahr bis Mai. Mein Mann und ich wollten über Fronleichnam nach Sitges/Spanien, um uns einmal die berühmte Prozession anzusehen. Das werden wir dieses Jahr wiederholen - auf jeden Fall mit einer Reiserücktrittsversicherung. Da freue ich mich schon riesig drauf.
Fritz aus Köln
 

Fritz // © vvg

Als Westfale fällt es einem ja leicht, nicht vor die Tür zu gehen. J Ich finde es ganz gemütlich. Was mir allerdings fehlt, ist die Arbeit. Ich fand es doof und war auch echt angepisst, als ich mitbekam, wie mit uns Künstlern umgegangen wird und welchen offensichtlichen Stellenwert wir als Künstler in der Gesellschaft haben. Ich bin Impro- und Bühnenschauspieler und mache etwas Coaching für das Fernsehen. Das ist alles flachgefallen und ich musste mich zuerst einmal umschauen, woher jetzt die Gelder kommen sollen. Was ich auch vermisse, ist das Ausgehen und ich vermisse die Printmedien, wie z. B. auch SCHWULISSIMO.

Zurzeit erarbeite ich mit Marion Radtke ein Bühnenprogramm, bei dem ich sogar mitsingen darf. Mal schauen, wie es wird, denn derzeit ist alles wieder auf Eis gelegt.

Meine Zeit verbringe ich derzeit damit, dass ich zu Hause sitze und LEGO baue. Ich möchte zu gern etwas ineinanderstecken, daneben schreibe ich ein wenig an meinem Standup-Programm und hoffe, dass es bald irgendwann dazu kommen kann. Dazu mache ich Impro-Comedy digital online mit einer Kollegin aus Düsseldorf und einem Musiker aus Jena. Ansonsten mache ich das, was fast alle machen: Meine Wohnung verschönern und ständig umdekorieren. Zum Glück habe ich ein Jahr vor Corona meinen Freund noch rechtzeitig kennengelernt und wir haben mit meiner Schwiegermutter in Lockdownzeiten eine WG gegründet. Das war richtig gut. Nach dem ganzen Gedöns glaube ich, dass alles wieder gut wird. Es braucht sicher eine gewisse Anlaufzeit im Theater genauso wie in der Szene oder im Leben allgemein.

Das Erste, was ich machen werde, wenn alles wieder gut ist, ich werde einem lieben Menschen einfach übers Gesicht lecken, ohne mir Gedanken zu machen.
Mathias Brande-Busemeier, Schauspieler und Moderator
 

Mathias // © vvg

Ich weiß mich zu beschäftigen. Gerade ist die Weihnachtszeit vorbei, ich habe kiloweise gebacken und alle mussten meine Kekse essen. Daneben male und bastle ich. Ich merke aber, dass man rammdösig wird, wenn man nicht arbeiten kann. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals solange nicht auf der Bühne gestanden habe. Mir fehlt meine Arbeit, die Bühne, verständnisvolle Kollegen, die auch Unausgesprochenes verstehen. Und wenn ich dann mal Leute treffe im Alltag, versuche ich diese zu unterhalten und zum Lachen zu bringen.

Zurzeit arbeite ich an einem Projekt mit Mathias und meinem Pianisten, das sich „Arche Noah - paarweise" nennt. Da sitzen im Publikum alle als Paare - egal ob sie wirklich ein Paar sind. Das war schon für Ende November 2020 geplant, wird aber stattfinden, sobald es erlaubt ist. Momentan arbeiten wir für die Röschensitzung und da dort auch nichts live gehen wird, drehen wir alle Nummern als TV-Format. Ein großes Dankeschön an Stephan Runge, der das mächtig gut plant und mit vielen anderen umsetzt. Zur Karnevalszeit kann man das im Internet für einen Obolus streamen.

Urlaub vermisse ich nicht, wenn ich nicht arbeiten kann, ist das fast wie Urlaub. Im letzten Jahr war ich sehr Corona-konform in einem abgelegenen Ferienhaus mit meinem Mann an der Nordsee. Was mir sehr fehlt, ist das Essen an einer großen Tafel mit mehr als nur zwei Personen, Freunden oder Familie.

Impfen lasse ich mich auf jeden Fall. Ich hatte einmal eine richtige Grippe, das wünsche ich keinem. Ich verstehe nicht die Probleme, die manche damit haben. Schon im Kindergarten gab es ein Kind mit Kinderlähmung, das war sehr schrecklich und hätte nicht sein müssen.
Marion Radtke, Sängerin, Moderatorin und Impro-Schauspielerin
 

Marion // © vvg

Hätte es den Lockdown nicht gegeben, hätte ich meinen jetzigen Freund nicht kennengelernt. Ich wohne in einer WG und ein Mitbewohner war für vier Monate in Italien und während seiner Quarantäne-Zeit bin ich zu einem Freund nach Köln gezogen, der jetzt mein Freund ist. Wir sind jetzt schon ein Vierteljahr zusammen. Ich habe im letzten Jahr meinen Elektro-Meisterbrief gemacht und bewerbe mich sehr viel, wobei viele Betriebe nicht wissen, wie es in den nächsten Monaten weitergeht und deswegen keine Einstellungen machen. Ich suche auch eine längerfristige Anstellung und möchte nicht in einer Leiharbeitsfirma landen.

Ursprünglich komme ich aus Erfurt und bin über Wuppertal nach Düsseldorf gekommen.

Ich bin in der schwulen Fetischszene, seit ich 18 bin und war europaweit viel bei den Events unterwegs. Das war mein Urlaub in den letzten Jahren und ich vermisse diese Art, unterwegs zu sein, sehr. Vor allem, weil über große Distanzen Freunde gefunden habe, die derzeit, außer über die sozialen Medien, unerreichbar sind. Da hoffe ich schon, dass diese Treffen ebenso wie die CSDs mit ihrer Veranstaltungsvielfalt spätestens im Sommer wieder aufleben werden.

Dazu kommt, dass ich seit 13 Jahren leidenschaftlicher Volleyballer bin. Ich spiele in Wuppertal (Landesliga), bei VC Phoenix in Düsseldorf (schwul-lesbische Liga) und trainiere noch eine dritte Mannschaft. Das vermisse ich am meisten, denn ich bin abgrundtief Volleyball-bekloppt, wie meine Mutter sagt.

Die Szene wird nach dem Lockdown eine andere sein, einige Betriebe werden es nicht durchstehen, aber ich sehe es auch als Chance, dass Neues entstehen wird und auch eine Art Generationswechsel bei den Inhabern stattfinden kann. Gerade im Fetischbereich gibt es große Fetischunterschiede in den Generationen, vielleicht finden so auch mehr Jüngere zum Fetisch.
Marcel aus Düsseldorf
 

Marcel // © vvg

Arbeit und Freizeit sind bei mir gegenwärtig identisch. Ich kenne niemanden, für den Corona keine Herausforderung ist. In der Aidshilfe mussten wir unsere Angebote dementsprechend anpassen durch Außentermine, Videokonferenzen oder mit weniger Teilnehmer*innen unter den entsprechenden Hygienebedingungen. Finanziell ist es für uns auch schwieriger, wir haben Mehrausgaben z. B. durch Hygieneauflagen, jedoch weniger Einnahmen durch eine geringere Testkapazität und ausgefallene Spenden-Events.

Anfangs fand ich den Vergleich zwischen der AIDS-Pandemie und Covid-19 interessant, inzwischen finde ich ihn unangemessen. Aus politischer Sicht z. B. besteht bei Covid-19 ein ganz anderes Interesse. Das HIV-Virus wurde anfangs ignoriert und totgeschwiegen, bestenfalls wollte man alle Infizierten auf eine Insel verschiffen.

Die Szene betreffend befürchte ich, dass es einige Szene-Orte nach dem Lockdown nicht mehr geben wird. Das ¬¬wird sowohl szenenahe Wirtschaftsbetriebe und Vereine, aber ebenso private Initiativen betreffen. Wir als Aidshilfe haben uns immer sehr für den Fortbestand der Szene eingesetzt. Was speziell den Umgang des Landes NRW und der Stadt Köln mit den Saunen betraf, standen wir kurz vor einer Lösung, die durch den gegenwärtigen Lockdown nicht mehr umgesetzt werden konnte.

Die Szene ist für uns als Präventionsbetrieb ungeheuer wichtig, denn wo sonst können wir so gebündelt unsere Zielgruppe erreichen. Corona wirkt wie ein Brennglas, das Missstände verstärkt. Das betrifft nicht ausschließlich die Szene, wir brauchen nur die gegenwärtigen gesellschaftlichen Konflikte zu betrachten.

Wenn das Virus beherrschbar sein wird, freue ich mich am meisten, liebe Menschen wieder in den Arm zu nehmen. Ich bin ein „Umarmer“. Und ich möchte wieder sorglos in den Ski-Urlaub fahren können.
Oliver Schubert, GF der AH Köln
 

Oliver // © vvg

Ich habe den Lockdown bisher ganz gut überstanden, auch dadurch, dass mein Hund Welpen bekommen hat, habe ich genug zu tun. Meine Aktivitäten hinter und vor dem Tresen im Szenebereich ruhen größtenteils. Es hat ja alles geschlossen. Aber ich habe zum Glück noch die Beschäftigung bei einer Cateringfirma, die für den Film arbeitet.

Ich vermute und hoffe, dass die ersten Lockerungen nach dem Karnevalswochenende kommen könnten, was vor allem Geschäfte und Gastronomie beträfe. Wellnessbetriebe werden frühestens nach Ostern die Chance bekommen, wieder zu eröffnen. Das alles aber auch nur, wenn sich die mutierten Viren nicht übermäßig in Deutschland ausbreiten und die Impfung der Bevölkerung schneller vorangeht. Ich lasse mich auf jeden Fall impfen, da ich auch durch einen Herzinfarkt im Jahr 2019 zur Risikogruppe gehöre.

Nach dem Lockdown wird sich die Szene weiter verändern. Einige Betriebe werden nicht wieder öffnen. Ich finde es sehr schade, denn das, was man umgangssprachlich als Szene bezeichnet, ist seit über einem Jahrzehnt beträchtlich geschrumpft. Wenn erst einmal ein schwuler Betrieb geschlossen hat, kommt da nur selten wieder ein neuer schwuler Betrieb rein. Ein gutes Beispiel dafür ist die Kölner Altstadt mit Pipinstrasse, Mühlenbach und Hohe Pforte. Letztere beherbergt gerade noch ein Hotel (gayfriendly) und einen Barbier. In kleineren Städten wird das noch verheerender sein.

Urlaub vermisse ich nicht, ich habe so viel frei und Wegfahren muss aktuell nicht sein.

Am meisten fehlt es mir Freunde zu treffen, zu sehen und zu umarmen, der offene Umgang miteinander. Und wenn wieder Normalität einkehrt, freue ich mich darauf, wieder Freunde zu treffen, zu sehen und zu umarmen - vor und hinter dem Tresen.
Rolf, Kölner Szene-Urgestein seit 35 Jahren
 

Rolf // © vvg

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