Martin Angelo „Ich glaube ich war zu schwul für das polnische Fernsehen“

Unser Sonnenschein Martin Angelo ist spätestens nach Prinz Charming jedem ein Begriff. In der griechischen Villa konnte der aufmerksame Zuschauer den Körper des gebürtigen Polen bestaunen. Für die neunte Staffel der polnischen Top Model Show war dieser aber angeblich nicht genug. Er erfuhr dort Bodyshaming - vermutlich aufgrund von Diskriminierung gegen seine sexuelle Orientierung. Der Rauswurf folgt.
SCHWULISSIMO sprach mit dem fassungslosen Martin Angelo.
 

Warum hast du bei dieser Show mitgemacht?
Was viele vielleicht nicht wissen ist, dass meine Mutter aus Polen kommt. Ich hatte immer eine sehr gute Verbindung mit diesem Land. Ich war als Kind ständig dort und habe wunderschöne Erinnerungen an diese Zeit. Leider ist die politische Situation und der Umgang mit LGBTI* inzwischen alles andere als wunderschön – im Gegenteil.
Als ich den Aufruf zur Show gesehen habe, musste ich einfach mitmachen. Nicht weil ich mich als perfektes Model sehe, sondern weil ich mich verpflichtet fühlte, mehr homosexuelle Sichtbarkeit in das polnische Fernsehen zu bringen.
Ich wollte einfach ein Zeichen setzen - daher hatte ich ein T-Shirt mit der Aufschrift „Love is Love“ dabei und trug High Heels. Einfach um zu zeigen, dass Genderrollen völlig überholt sind. Wenn du als Mann Lust hast, High Heels oder Make-up zu tragen, mach das!
Ich wollte meinen polnischen Schwestern zur Seite stehen, weil mich das so berührt. Ich hatte teilweise Tränen in den Augen. Wenn ich die Macht hätte, die Situation in Polen zu ändern, würde ich das sofort machen. Liegt sicher auch daran, dass ich polnische Wurzeln habe und es mich deshalb umso mehr beschäftigt.

Was ist da genau passiert?
Ich bin vor der Jury gelaufen und es gab erstmal kein negatives Feedback. Allerdings bin ich dann in Bademode und in besagten High Heels über den Laufsteg.  Daraufhin wurde mir von einer Jurorin gesagt, dass mein Bauch „furchtbar“ aussehe. Sie meinte, dass so etwas in der neunten Staffel gar nicht geht.

Waren das die Castings oder schon die erste Sendung?
Es kommen erstmal die Castings, wo bereits viele rausfliegen. Ich war eine Etappe weiter. Wie genau die Etappen im Einzelnen sind, kann ich dir leider auch nicht sagen. Ich war auf jeden Fall vor der polnischen Jury.

Glaubst du, du wirst am Ende rausgeschnitten?
Wer weiß? Ich kann es dir gar nicht genau sagen. Ich war sehr lange im O-Ton und habe ehrlich und kritisch über die politische Situation gesprochen und dass ich mich dafür einsetze, dass jeder so sein kann wie er möchte. Wortwörtlich habe ich gesagt, dass ich hinter meinen polnischen Schwestern stehe und dass sie machen sollen was sie möchten. Denn es gibt immer Menschen, die dich lieben und unterstützen. Diejenigen, die das Gegenteil tun, haben es nicht verdient, dass du nur auch nur einen Gedanken an sie verschwendest.
Das war meine Botschaft und ich hoffe natürlich, dass sie das auch senden. Schade, dass es so schnell vorbei war -ich hätte gerne weitere Botschaften über diese Plattform rausgeschickt.

Wie fühlst du dich damit?


Ich kann das gar nicht ernst nehmen. Ich musste nach der Kritik einfach nur schmunzeln und lachen. Allerdings macht es mich gleichzeitig auch wütend. Man muss sich vor Augen halten, dass nicht jeder von uns ein Sixpack hat. Mit solchen Aussagen befeuert man Bodyshaming, Magersucht und Bulimie. Das sorgt dafür, dass Menschen Schönheitsidealen weiter hinterherlaufen. Man kämpft schon so lange gegen Bodyshaming – zum Beispiel mit Kampagnen von Calvin Klein- und dann erlebt man sowas. Damit hätte ich niemals gerechnet. Es ist doch egal ob man dick, dünn oder was auch immer ist – jeder Mensch ist schön. Diese Aussage macht mich so fassungslos.
Ich glaube außerdem, dass das nur ein Vorwand war. Weil ich denen zu schwul und zu offen für das polnische Fernsehen bin. Aber man wird es nie genau rausbekommen.

Du bist gebürtiger Pole - wie hat deine Familie auf deine Teilnahme reagiert? 
Meine Mutter war stolz, obwohl sie aufgrund der politisch aufgeheizten Situation auch große Bedenken äußerte. Was dann passierte, fand sie natürlich auch schrecklich und enttäuschend.

Wie schätzt du die Lage in Polen ein? Hast du Angst, wenn du über die Straße läufst?
Ich bin nicht unbedingt jemand der Angst hat. Ich wollte tatsächlich mit einer Regenbogenflagge durch die Straßen gehen, da an diesem Tag auch noch World Pride war. Meine polnischen Freunde haben mir dann davon abgeraten und gesagt, dass es zu gefährlich ist. Warschau ist zwar etwas offener, dennoch gibt es viele Menschen, die sich daran stören und schnell gewalttätig werden.

Außerdem gibt es noch LGBTI* freien Zonen.
Ja. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Es ist so weit gekommen, dass es LGBTI* freie Zonen gibt.
Allerdings gibt es auch mehr und mehr Menschen in Polen, die für Sichtbarkeit und Rechte von LGBTI* kämpfen, aber da muss noch viel getan werden. In der heutigen Zeit ist es auch durch Social Media immer einfacher geworden, seine Stimme zu erheben. Auch ich werde dementsprechend nichts unversucht lassen.