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„Fördergelder sind in keinem EU-Land so hoch wie in Deutschland“
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Simon Kuchinke „Fördergelder sind in keinem EU-Land so hoch wie in Deutschland“

km - 28.11.2020 - 10:00 Uhr

Durch die Corona-Pandemie gibt es im November wieder einen Lockdown. Während der Online-Handel aufblüht, bluten Kultur und Gastronomie. Wie die Lage in Hamburg ist und mit welchen unterstützenden Maßnahmen der Staat arbeitet fragte SCHWULISSIMO Simon Kuchinke. Der 30-jährige SPD-Politiker ist gelernter Restaurantfachmannund Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft.
 

Du kommst aus der Gastro und bist in Hamburg gut vernetzt. Wie steht es um die Hamburger Gastronomie?
Das ist eine ganz schwierige Situation. Viele Gastronomen haben Tausende von Euros in Luftreinigungsfilter, Masken für Mitarbeiter oder andere Hygienemaßnahmen investiert und dann kam erst eine Sperrstunde und schließlich ein weiterer Lockdown, bei dem auch alle mitgehen. „Alles gut, was ihr macht“, sagen die Gastronomen, mit denen ich gesprochen habe. Klar hätten sie gerne einen langfristigeren Zeitplan, aber eigentlich sind sie, wenn sie 75% ihres Umsatzes bekommen, zufrieden. In Zeiten der Pandemie ist das das erste Instrument, was wirklich hilft, da es umsatzbasierend funktioniert.
Und sie dürfen nochmal 25% vom Vorjahresumsatz, also vom November 2019 im Takeaway Bereich verdienen. Das wird von den Hilfen, also den 75% nicht abgerechnet. Am Ende will man natürlich eine Überförderung unterbinden, keiner soll 110% mithilfe der staatlichen Förderung erwirtschaften.
Läden, die im November 2019 geschlossen waren, beispielsweise aufgrund von Renovierungsarbeiten, können dann den durchschnittlichen Wochenumsatz von 2019 angeben. Dasselbe gilt für Künstler*innen, die im November keine Aufträge hatten. Zudem gibt es Sonderregelungen für Unternehmen, die erst ab 31. Oktober 2019 existieren. Entweder wählen sie den durchschnittlichen Wochenumsatz von Oktober 2020 oder den seit der Gründung.

Der Gastronomie geht es also den Umständen entsprechend gut?
Die Gastronomie hat schon gelitten und ich würde nicht sagen, dass es ihr gut geht. Es wird eine ganze Zeit dauern, um aus dieser Lage wieder herauszukommen. Allerdings sind die Fördergelder in keinem anderen EU-Land so hoch wie in Deutschland, deshalb geht es der Branche im Europa-Vergleich noch relativ gut.

Steigt da jeder durch, oder bedarf es mehr Aufklärung im Corona-Wirrwarr?
Aufklärung kann man nie genug betreiben. Ich kommuniziere beispielsweise mit den Menschen, die sich bei mir direkt melden (0176 28 69 41 30). Ich steige zwar auch nicht komplett durch beim Überbrückungsgeld I, II und III, aber ich kann dann einen Referenten des Bundesministeriums fragen oder vermitteln.
Vernetzung ist außerdem extrem wichtig. Es gibt Gastronomen, die sich mit der Thematik sehr gut auseinandersetzen und ihr Wissen dann an andere Gastronomen weitergeben – Austausch ist gut, die Menschen müssen viel mehr darüber sprechen.
Auf der Homepage des Bundesfinanzministeriums kann man die Überbrückungshilfe I, II und III beantragen. Dort findet man auch wissenswerte FAQs zu dem Thema.

Gibt es schon neue Konzepte aus der Gastro?
Es gibt immer neue Konzepte. Digitaler Stammtisch zum Beispiel oder Aktionen wie „Trink mit deinem Barmann per Zoom“ - und spende ein paar Euros. Solche Projekte sind zum einen eine wichtige solidarische Förderung untereinander, aber zum anderen auch ein wichtiger sozialer Austausch, der vor der Vereinsamung während des Lockdowns schützt. Sowas fehlt in diesen Tagen.
Gutscheine sind natürlich auch eine gute Idee, um geschlossene Lokalitäten zu unterstützen. Allerdings sagen da auch viele: „Erst einmal schön, aber wenn die dann eingelöst werden, fehlt mir die Kohle am Ende trotzdem“.

© Simon Kuchinke
© Simon Kuchinke

Wann kann man wieder mit einer Besserung der Lage rechnen?
Mein Gefühl sagt frühestens Mitte Dezember, aber das ist keine offizielle Meinung aus dem Rathaus. Das ist schwierig zu sagen und auch aus diesem Grund sind die Hilfen so geregelt, dass sie im Wochenrhythmus ausgezahlt werden. Es gibt die Umsatzrückerstattung pro Woche der veranlassten Schließung.
Das Geld ist da, um im schlimmsten Fall die Hilfen noch ins nächste Jahr fortzuführen. Das sagt man natürlich nicht so laut, weil dann die ein oder andere Branche sagt: „Wir haben nur 75% bekommen, können wir nicht auch 90% bekommen?“.
Man lernt zum ersten Mal, das unser Wirtschaftskreislauf so vielfältig ist, dass keine Hilfe so perfekt konstruiert werden kann, dass sie für jeden etwas bringt. Wenn man sich benachteiligt fühlt, sollte man sich schon bemerkbar machen. Das heißt aber natürlich nicht, dass man mit Tausenden Menschen ohne Maske auf die Straße geht. Sucht Euch in der Politik Ansprechpartner und geht auf die zu – dafür gibt es Politik. Ihr habt sie gewählt und sie werden von euch bezahlt. Da kann man auch deren Hilfe in Anspruch nehmen.

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