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Blutspende // © Nikola Stojadinovic
Rubrik

Blutspenden Wie sind die Regelungen für homo- und bisexuelle Männer?

kk - 02.08.2021 - 09:00 Uhr

Alle wissen, wie wichtig Blutspenden sind, um Leben zu retten: Doch längst dürfen nicht alle Menschen Blut spenden, in Deutschland sind homo- und bisexuelle Männer bislang ausgeschlossen, doch das soll sich in Zukunft ändern – zumindest, wenn sie in monogamen Beziehungen leben. In Großbritannien wurde die Blutspende-Zulassung für Schwule und Bisexuelle in dieser Hinsicht jetzt gelockert.

Der staatliche Gesundheitsdienst NHS teilte am Weltblutspendetag 2021 mit, dass männliche Homo- und Bisexuelle nun auch dann Blut spenden dürfen, wenn sie in den zurückliegenden drei Monaten ein aktives Sexleben geführt haben – die Voraussetzung dabei ist, dass sie diesen Geschlechtsverkehr mit demselben Partner hatten. In Deutschland sind Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) seit 2017 nicht mehr dauerhaft von einer Blutspende ausgeschlossen, es gilt jedoch eine Rückstellungsfist von 12 Monaten – das heißt, erst nach einem Jahr nach dem letzten Sexualverkehr werden diese Blutspendewilligen zugelassen. Nach britischem Vorbild plant Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun diese Rückstellungsfrist für monogame Männer in homo- und bisexuellen Beziehungen ebenfalls abzuschaffen. Bei Schwulen und Bisexuellen mit einem so genannten sexuellen Risikoverhalten solle künftig nicht mehr zwölf, sondern vier Monate vor einer Blutspende auf Sex verzichtet werden. Der Nachweis darüber soll über eine Selbstauskunft erfolgen. Wann diese Regelung kommt, ist jedoch unklar, einen Antrag von Grünen und FDP, das Blutspendeverbot für homo- und bisexuelle Männer ganz abzuschaffen, hatten die Parteien von Union, SPD und AfD Ende Juni 2021 abgelehnt. Doch warum gibt es dieses Blutspendeverbot überhaupt?

Wer legt eigentlich fest, wer Blut spenden darf?
Die Richtlinien dazu werden von der Bundesärztekammer und dem Paul-Ehrlich-Institut (RKI) herausgegeben und regelmäßig aktualisiert. Basis ist das Transfusionsgesetz zur Herstellung von Blutprodukten, wobei auch europäische Vorgaben berücksichtigt werden müssen. Interessanterweise besteht für jeden Blutspendedienst auch die Möglichkeit, weitergehende Auswahlkriterien für seinen Bereich festzulegen.

Wieso gibt es trotz Tests jeder Spende dennoch ein Infektionsrisiko für Patient*Innen?
Jede Blutspende wird mindestens auf Infektionsmarker für die viralen HIV-, Hepatitis-B-, Hepatitis-C- und Hepatitis-E-Infektionen und die bakterielle Syphilis-Infektion getestet und diese sind auch sehr zuverlässig. Der Haken ist aber das so genannte diagnostische Fenster, also der Zeitraum nach einer Ansteckung, die der Körper braucht, um Abwehrstoffe, also Antikörper gegen diese Viren zu entwickeln. Es bleibt also immer ein Restrisiko durch frisch Infizierte, die selbst von diesen akkuraten Tests nicht erfasst werden können. Mutationen von Viren sind ebenfalls weiterhin möglich und dann durch Standardtests nicht mehr nachweisbar: Derartige Mutationen sind bei HIV-infizierten Blutspenden leider bereits vorgekommen, so dass der direkte Virusnachweis nicht mehr gelang und es zu einzelnen HIV-Übertragungen gekommen ist.

Warum werden MSM erst nach einem Jahr nach dem letzten Sexualverkehr zugelassen?
Durch Sex können schwerwiegende Infektionskrankheiten übertagen werden wie HIV, aber auch Zikavirus- und Hepatitis-A-Infektionen: Bei vielen zirkulieren die Erreger dann über einen langen Zeitraum unerkannt im Blut und bei einer Spende besteht dann die Gefahr, dass der Erreger auf den Empfänger der Spende übertragen wird. Deshalb hat man sich auf die sogenannte Rückstellungsfrist bei MSM entschieden, die jedoch auch für hetero­sexuelle Personen mit häufig wechselnden Partnern, Sex­arbeite­rinnen und Sexarbeiter und Trans­sexuelle mit sexuellem Risiko­verhalten gilt. Warum gelten dann aber MSM aber als Menschen mit besonders erhöhtem Übertragungsrisiko? Hierzu wurden epidemio­lo­gische Daten des Robert Koch-Instituts hinzugezogen. Und diese belegen: So entfallen mehr als zwei Drittel der jährlichen Neu­in­fek­tionen mit HIV auf die Gruppe der MSM.
 

Monogamie macht Spenden leichter // © blackCAT

Warum gilt bislang aber eine jährliche Rückstellungsfrist auch für MSM, die ausschließlich safer sex praktizieren oder in einer festen Partnerschaft leben?
Durch Kondome werden sexuell übertragbare Krankheiten verhindert, doch es wird argumentiert, dass man nicht nachweisen könne, ob diese auch jedes Mal benutzt oder sachgerecht verwendet wurden. Wegen möglicher Anwendungsfehler und eines möglichen Materialversagens sei daher nicht hinreichend sichergestellt, dass die Qualitätskriterien für ein Arzneimittel aus Blut immer erfüllt werden. Und auch in einer festen Partnerschaft gilt bislang offenbar Skepsis ob eines tatsächlich monogamen Beziehungsverhaltens. So steht auf der Homepage des RKI wörtlich: „Auch in einer festen Beziehung ist nicht auszuschließen, dass beide Partner tatsächlich treu sind. Der Partner setzt sich bei Sexualverkehr außerhalb der Partnerschaft einem erhöhten Infektionsrisiko aus und stellt damit auch für den treuen Partner ein Infektionsrisiko dar“. Ob dies dem verheirateten heterosexuellen Vater mit homosexuellem Seitensprung auch unterstellt wird? Und angesichts dieser Frage, stellt sich gleicht auch die nächste: Welche Rückstellungsfist gilt für Heterosexuelle? Ebenfalls ein Jahr, falls diese häufig wechselnde Partner haben. Aber wie wird dies festgestellt? Also:

Warum wird nicht jede spendenwillige Person nach ihren individuellen Risiken (also Partner*Innen-Anzahl, Kondomgebrauch oder Sexualpraktiken) befragt?
Hier lautet die doch ziemlich lapidare Antwort: Dies jedes Mal detailliert zu erfragen, sei für die Spendeneinrichtung schlicht nicht durchführbar. Zudem könne „im Rahmen einer Spende kein vertrauensvolles Verhältnis zwischen der spendewilligen Person und Mitarbeitenden der Spendedienste aufgebaut werden, in dem derartig private Dinge verlässlich erörtert werden können“. Eine solche Aussage kann eigentlich nur als Diskriminierung gegenüber männlichen Homo- und Bisexuellen gewertet werden, denn deren Selbstauskunft oder Vertrauen wird hier alleine in Frage gestellt. Laut RKI und Politik stellen die bislang geltenden Zulassungskriterien für MSM zur Blutspende jedoch keine Diskriminierung dar, da diese nur der Sicherheit von Spendewilligen und Patientinnen und Patienten dienen. Die Rückstellung erfolge nicht wegen der sexuellen Orientierung, sondern dem Risikoverhalten – das jedoch bei Heterosexuellen nicht in dem Umfang (oder überhaupt) erfragt wird und per Selbstauskunft akzeptiert wird.

Fazit:
Angesichts der Tatsache, dass Blutkonserven in Deutschland ein rares Gut sind, ist es eine Absurdität männliche Homo- und Bisexuelle als Blutspender durch die bisherige Regelung abzulehnen. Bleibt zu hoffen, dass zumindest die Lockerungen, die ein Experten-Gremium aus einer Arbeitsgruppe des Bundesgesundheitsministeriums, das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und das Robert Koch-Instituts (RKI) sowie einem entsprechenden Beirat der Bundesärztekammer erarbeitete, vom Bundesrat beschlossen werden und Personen, die seit mindestens vier Monaten ausschließlich in einer monogamen Partnerschaft sexuell aktiv sind, Blut spenden dürfen. Das Ärzte-Gremium begründet dies so: "Spätestens nach vier Monaten können Infektionen mit HBV, HCV oder HIV sicher ausgeschlossen werden. Eine Zulassung zur Spende 4 Monate nach Beendigung des sexuellen Risikoverhaltens führt nicht zu einer Erhöhung des Risikos für die Empfängerinnen und Empfänger von Blut und Blutprodukten." Es wäre ein längst fälliger richtiger Schritt in Richtung Spender-Gleichstellung, auch wenn diese Regelung vielen nicht weit genug geht. In einigen Ländern wie In einigen Ländern wie z.B. Spanien und Italien ist es bereits so weit. Dort hat man sich entschieden, Spendende nach individueller Risikobeurteilung ihres Sexualverhaltens durch das ärztliche Personal zur Spende zuzulassen.

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