Potenzial wird nicht ausgeschöpft Kein Anstieg anderer Geschlechtskrankheiten festgestellt
Eine erste Evaluation zum Thema PrEP des Robert-Koch-Instituts zeigt nun deutlich auf, dass die Verschreibung der PrEP bei Männern, die Sex mit anderen Männern haben, sinnvoll und wirksam ist. Dabei stellt das RKI allerdings auch fest, dass das Potenzial der Behandlung noch lange nicht ganz ausgeschöpft ist. Das RKI begleitete zwei Jahre lang von Januar 2020 bis Dezember 2021 die Einführung der HIV-Prä-Expositions-Prophylaxe, kurz PrEP.
In einem ersten Kurzbericht stellt das RKI dabei fest: Die PrEP schützt hoch effektiv vor HIV. Nur vereinzelt wurden trotz einer Nutzung von PrEP HIV-Infektionen nachgewiesen, wobei hier davon auszugehen ist, dass auch eine nicht konsequente Einnahme ursächlich für die Ansteckung mit HIV gewesen sein könnte. Des Weiteren zeigen die Ergebnisse der ausgewerteten Daten unterschiedlicher Studien, dass die PrEP praktisch ausschließlich von Männern eingenommen wird (99 Prozent), die auch seit ihrer Geburt dem männlichen Geschlecht zugeschrieben werden.
Zudem wird die PrEP ebenso fast ausschließlich von schwulen Männern eingenommen beziehungsweise von Männern, die Sex mit anderen Männern haben (99 Prozent / NEPOS-Studie). Jeder fünfte Nutzer nimmt die PrEP dabei nur gelegentlich und anlassbezogen beziehungsweise mit Unterbrechungen ein. Rund 80 Prozent der schwulen PrEP-Nutzer verwenden das Prophylaxe-Medikament jeden Tag, in den Großstädten ist die tägliche Einnahme allerdings um gut zehn Prozent geringer als im Durchschnitt. Insgesamt geht die Evaluation des RKI deutschlandweit von bis zu rund 21.000 Männern aus, die aktuell PrEP einnehmen.
Als die PrEP im September 2019 als Kassenleistung deutschlandweit eingeführt wurde, äußerten Kritiker bedenken, dass im Zuge der Einnahme andere Geschlechtskrankheiten (STI) wie Chlamydien, Gonorrhö und Syphilis bei sexuellem Kontakt vergessen oder ignoriert werden könnten, sodass es hier zu einem deutlichen Anstieg hätte kommen können. Das RKI stellt dazu nun klar, dass sich die Befürchtung nicht bewahrheitet hat. In einigen der ausgewerteten Studien sank die STI-Inzidenz sogar, zumeist blieben die Fallzahlen aber nahezu gleich.
Ob die PrEP allein allerdings dazu ausreicht, die Zahl der HIV-Neuinfektionen längerfristig zu senken, kann aufgrund des Einflusses der Corona-Pandemie noch nicht abschließend beurteilt werden. Fakt ist allerdings, dass die Zahl der Neuinfektionen mit HIV in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen hat, zuletzt auf rund 1.100 Fälle im Jahr 2020 in Deutschland. Die Pandemie wirkt sich dabei in vielen Bereichen auf die PrEP-Datenlage aus. Durch die Lockdowns und die im Durchschnitt verminderte Anzahl von Sexualkontakten in der schwulen Community ging auch die generelle Nachfrage nach PrEP zurück.
Im weiteren Verlauf merkt das RKI in seinem Kurzbericht auch an, dass das gesamte Potenzial aufgrund von Ängsten bis heute nicht ausgeschöpft wird. Oftmals haben Männer noch große Bedenken in Bezug auf Nebenwirkungen der PrEP. Laut RKI besteht hier noch Aufklärungsbedarf, damit mögliche Interessenten aufgrund von Fakten eine fundiertere Entscheidung treffen können. Ein weiterer Aspekt: Die Versorgung mit PrEP im ländlichen Bereich ist noch mangelhaft und kann deutlich verbessert werden. Auch hier müssten laut RKI noch Anreize für eine bessere Versorgung geschaffen werden.
In der Evaluation mit dem Titel „EvE-PrEP“ wurden die Ergebnisse mehrerer Studien erfasst, darunter auch Daten von Apotheken und der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie mehrerer Forschungsstudien. Für bessere und konkretere Ergebnisse sei es gerade mit Blick auf die Datenlage nach Corona nötig, die Untersuchungen weiterlaufen zu lassen. Das RKI erfasst deswegen seit Beginn dieses Jahres die PrEP-Versorgung in Deutschland durch ein dauerhaftes Monitoring.