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 Alte Traditionen bremsen Gleichstellung im Job // © Mindful Media

Alte Traditionen bremsen Gleichstellung Festgefahrene Strukturen - ein Problem für Frauen und Queers

ms - 24.02.2022 - 10:35 Uhr

Beginnen wir mit den positiven Neuigkeiten: Frauen können sich „freuen“, denn es gibt tatsächlich Fortschritte bei der Gleichstellung von Frauen in der Berufswelt.

Bei der schulischen und beruflichen Qualifikation haben Frauen im Durchschnitt sogar ein höheres Niveau als Männer erreicht. Ein Grund, um gleich die Sektkorken knallen zu lassen, ist das allerdings noch nicht, denn noch immer gibt es Benachteiligungen in der Berufswelt für Frauen und Minderheiten wie die LGBTI*-Community.

Dabei zeigt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) klar auf, dass wohl alle marginalisierten Gruppen Ablehnung und Diskriminierung aus dem gleichen Grund erleben: Traditionelle Strukturen bremsen alle Bemühungen um Gleichstellung.

Diese traditionellen Denkweisen greifen zum einen Frauen an – sie sind gedanklich noch immer fest justiert zwischen Kind und Küche.

Und dieses gesellschaftlich jahrzehntelang untermauerte Narrativ wurde durch die Corona-Pandemie sogar noch einmal verstärkt, die Folgen sind noch nicht letztgültig absehbar. Aber: Es könnte abermals bergab gehen mit der Gleichberechtigung im Job. Die Gleichstellungsforscherin des Instituts, Yvonne Lott, sagte gegenüber der Deutschen Welle: "Die Pandemie stellt Fortschritte in Frage, die langsam über Jahre hinweg gemacht wurden."

Denkweisen bestehen noch immer // © DGLimages

Eine weibliche Führungspersönlichkeit? Das findet man nur bei rund zehn Prozent der größten deutschen börsennotierten Unternehmen. Eine queere Führungskraft? Moment, geht das überhaupt? Ist das wirklich erlaubt? Frauen und LGBTI*-Menschen teilen das gleiche Schicksal: Sie sind besser ausgebildet als der Durchschnitt, werden aber noch immer schlechter bezahlt und traditionelle Rollenbilder machen es schwierig, sie in bestimmten Berufsfeldern überhaupt zu akzeptieren. Nach Angaben einer Studie der DIW Berlin von 2020 outen sich LGBTI*-Menschen sehr selten, wenn sie in einen Job arbeiten, der nicht klischeemäßig auf queere Menschen passt. Im Durchschnitt erleben rund 30 Prozent der queeren Menschen Diskriminierung am Arbeitsplatz, sodass sich ein Drittel aller LGBTI*-Personen nicht outet. Besonders negative Erfahrungen machen aktuell dabei trans-Menschen.

 

Frauen und LGBTI*-Menschen finden sich mehrheitlich noch immer im Gesundheits- und Sozialwesen wieder, doch selbst hier erleben beispielsweise schwule Männer noch immer Vorurteile. Männliche schwule Erzieher in Kitas, Krippen und Horten werden sehr oft mit dem Verdacht der Pädophilie oder einer gesteigerten Gewaltanwendung in Verbindung gebracht. In vielen Einrichtungen müssen männliche Erzieher – teilweise schriftlich sogar – die Erlaubnis der Eltern einholen, die Kinder überhaupt anfassen zu dürfen. Auch der staatlich anerkannte Erzieher Till Engel bestätigte ähnliche Erfahrungen gegenüber dem JETZT-Magazin: „Schon der physische Kontakt von männlichen Erziehern mit Kindern wird oft sehr kritisch betrachtet, sowohl von Seiten der Eltern als auch der Erzieherinnen. Dass eine Erzieherin ein Kind am Arm zieht, gehört einfach dazu, wenn Kinder rumschreien oder um sich schlagen. Eine Kollegin wird dafür ausgesprochen selten kritisiert, ein männlicher Kollege kann in Teufels Küche kommen.“

 

 Frauen und LGBTI*-Menschen finden sich mehrheitlich noch immer im Gesundheits- und Sozialwesen wieder // © FG Trade

Da sind wir wieder bei den althergebrachten Traditionen und Vorverurteilungen. Genauso wie viele noch immer schwulen Männern wohl keine adäquate Kinderbetreuung zutrauen, können sich viele nicht vorstellen, dass Frauen oder LGBTI*-Menschen in Führungspositionen oder in besonders männlich tradierten Berufen gleichwertig ihre Leistung erbringen können. Das zeichnet sich einmal mehr beim Gender-Pay-Gap aus. Noch immer verdienen Frauen rund 18 Prozent weniger als die Männer bei gleicher Qualifikation. LGBTI*-Menschen bekommen im Durchschnitt 12 Prozent weniger Lohn.

 

Bleibt die Frage, warum diese „Traditionen“ und althergebrachten „Werte“ nicht endlich aufgebrochen und neu gedacht werden können, wenn Frauen und LGBTI*-Menschen zusammengenommen doch eine eindeutige Mehrheit in der Bevölkerung stellen? Mit Blick auf den Deutschen Bundestag wird die Sache schnell klar: Gerade einmal ein Drittel der Abgeordneten des neu gewählten Bundestages sind Frauen. Die LGBTI*-Community ist zwar deutlich sichtbarer als die Jahre zuvor und erstmals auch mit zwei trans-Frauen vertreten, in der Summe sind aber wohl nicht mehr als vier Prozent der Abgeordneten queer. Eine Revolution sieht anders aus.  

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