Apropos Leben Gefühltes Tagebuch: Altersschnippchen
Unser Alien fühlt sich fit: „Ich bin jetzt schon einige Jahre auf Erden und fühle mich in dieser Atmosphäre sehr wohl. Mal sehen, ob ich die nächste Eiszeit hier auch erlebe. Unsere Lebenserwartung ist ja unbegrenzt. Da muss die Forschung auf diesem Planeten noch was leisten.“
Neulich war ich beim Frisör. Nach langer Zeit mal wieder. In der Zwischenzeit habe ich, anhand von Lernvideos, mit der Maschine nachgeholfen, um die Haarpracht im Zaum zu halten. Bei dieser Gelegenheit ist mir etwas aufgefallen: Haare an der Ohrmuschel. Auch die Augenbrauen legen zu. Hää? Mein Frisör wusste, dass dies bei Männern mittleren Alters auftritt. Er konnte aber nicht sagen, warum dies so ist. Also schnipp-schnapp mit den ungehörigen und vorwitzigen Keratinauswüchsen. Aber es ließ mir doch kein Ruhe. Die Wissenschaft hat sich mit dem Thema auch schon beschäftigt. Es soll wohl so sein, dass die genetische Programmierung darüber bestimmt, wo und wann welche Haare wachsen. Auf dem Kopf fallen sie früher aus, während das Wachstum am übrigen Körper weiter zunimmt. Der tiefere Sinn dieser Alterserscheinung ist allerdings nicht klar. Es scheint mehr ein hormoneller Nebeneffekt zu sein.
Und da sind wir schon mitten im spannenden Thema. Wie kann man dem Alter ein Schnippchen schlagen? Übrigens: Diese Redensart ist belegt seit dem 17. Jahrhundert. Das Schlagen eines Schnippchens als nonverbale Geste bedeutet etwa Nichtbeachtung und Verspotten eines Anliegens. Das Alter wird von manchen als Krankheit betrachtet, die man vielleicht behandeln kann. Auch das Sterben wird letztlich von vielen Menschen als Kränkung gesehen. Also wäre die Behandlung dieser „krankhaften“ Umstände wohl ein großes Geschäft. Es hat sich eine ganze Industrie um das Thema Anti-Aging gebildet. Sehr mutige Forschende bemühen sich um Unsterblichkeit, während andere wenigstens das Alter verlangsamen möchten. Auch das Alter und das Altern sind zu einem Teil genetisch bedingt. Und es ist auch etwas daran, wenn man sagt, man ist so alt, wie man sich fühlt. Zusätzlich spielt der individuelle Lifestyle eine große Rolle. Sport wird als sehr wesentlich angesehen. Allerdings in Maßen: Regelmäßig und maßvoll ist das Erfolgsrezept. Hinzu kommt die Ernährung. Zucker und Fett eher weniger, frisch und vitaminreich dafür mehr. In Job und Alltag den schlechten Stress verringern, dafür belebende und glücklich machende Aktivitäten bevorzugen. Dazu sollte man seine Gewohnheiten überprüfen. Und wir wissen ja alle, dass diese liebgewonnenen Gewohnheiten sehr hartnäckig sein können. Verzicht macht ebenfalls keinen Spaß. Der Gewinn ist allerdings sehr hoch einzuschätzen. Und nicht alles auf einmal, sondern peu à peu funktioniert bei der Umstellung der Lebensgewohnheiten recht gut auf Dauer.
Vielleicht ist auch die Unsterblichkeit nicht wirklich wünschenswert. Man denke an die Überbevölkerung. Oder sollen nur reiche Menschen sich die Ewigkeit leisten können? Hier kommen ethische Fragen ins Spiel. Wenn der Tod nicht als große individuelle Enttäuschung betrachtet wird, sondern als biologische Notwendigkeit und Ausdruck von Anpassungsprozessen an veränderte Umweltbedingungen, dann verliert der Sensenmann vielleicht an Schrecken. Und vielleicht verliert das Leben mit der Ewigkeit an Reiz und Antrieb, weil man alles ja auch noch später machen könnte. Die lebenskluge Joan Collins soll es mal so formuliert haben: „Alter ist irrelevant, es sei denn, du bist eine Flasche Wein.“ In diesem Sinne wäre es sicher sinnvoll, mit freudigem Gleichmut das Geschenk des Lebens zu genießen, anstatt dessen Mängel zu beweinen. Das Glas ist danach halbvoll, nicht halbleer. Und man kann ja auch einiges tun, um es erträglich und angenehm zu machen.