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Taylor Swift // © Beth Garrabrant
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Eine Reise in sich selbst Warum Taylor Swifts aktuelles Album 2020 so erfolgreich war

ja - 30.11.2020 - 10:00 Uhr

„Die meisten Dinge, die ich für diesen Sommer geplant hatte, passierten leider nicht. Aber es gibt da etwas, was ich nicht geplant hatte, was letztendlich aber doch passierte. Und das ist mein achtes Studioalbum „folklore“. Überraschung!“ – so informierte Sängerin und Songwriterin Taylor Swift ihre Fans am 23. Juli dieses Jahres spontan über ihr neustes Projekt, welches bereits am folgenden Tag veröffentlicht wurde. Was für ein Riesenerfolg diese Lieder sein würden, ließ sich trotz der Bedeutsamkeit der Künstlerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz absehen.
Wenige Wochen später hatte sie den US-Chartrekord gebrochen: Alle 16 Songs der Original-Version landeten in den Hot 100 der Billboard-Songcharts. Damit befanden sich insgesamt 113 Lieder der früheren Country-Sängerin in den Charts und sie überholte die frühere Rekordhalterin Nicky Minaj. Doch wie genau wurde ein spontanes Quarantäne-Album zu einem der erfolgreichsten Alben des Jahres 2020?


Zum ersten Mal, seitdem es überhaupt die Billboard-Charts gibt, schaffte es ein Interpret in einer Woche, in den Song- als auch in den Albumcharts von null auf Platz eins zu aufzusteigen. Dieser „Interpret“ hat blonde Haare, eine helle Sopranstimme und meistens eine Gitarre in der Hand: Taylor Swift, frühere Country-Sängerin, entwickelte sich im Jahr 2020 spontan zu einer Rekordbrecherin – und dass, obwohl ihre Musik erst seit 2017 wieder auf Streamingdiensten verfügbar ist. Zuvor weigerte sich die mittlerweile 30-jährige jahrelang, ihre Lieder dort zur Verfügung zu stellen, weil sie wollte, dass ihre Alben von Anfang bis Ende gehört werden und nicht nur jeweils zwei bis drei Songs ohne Zusammenhang.
Wenn man an Taylor Swift denkt, hat man mitunter eine eher jugendlich erscheinende Skandalnudel im Kopf, die dafür bekannt ist, viele Männer zu „daten“ und nach einer Trennung einen jeweiligen Trennungssong über das Techtelmechtel zu verfassen. Doch das wäre eine völlig falsche Auffassung der jungen Frau, welche bereits seit 2006 in der Musikbranche bekannt ist. Zwar hat sie sich über die Jahre mit jedem Album neu erfunden, jedoch ist mit „folklore“ nun ihr größter Wandel seit ihrem Umstieg auf Popmusik sichtbar geworden. Taylor Swift zeigt sich in den größtenteils ruhig gehaltenen Songs äußerst reif und erwachsen und gleichzeitig leicht und verspielt.

Äußerst reif und noch dazu schön ist ihr besonders in den letzten Jahren verstärkte Einsatz für die LGBTI*-Community. Erst im April wurde sie mit einem GLAAD-Media-Award für ebendiesen ausgezeichnet. Neben Musikvideos mit Trans-Personen widmete sie in jüngster Vergangenheit teils ganze Live-Performances in Regenbogen-Outfits und dem Aufruf an alle, für eine fairere Welt wählen zu gehen, der LGBTI*-Community. Und das nicht nur in Anbetracht der aktuell stattgefundenen Präsidentschaftswahlen, sondern bereits Jahre davor. Mehr als nur einmal sprach sie die Rechte der Community bei einer Award-Verleihung oder einem Konzert an.
 

Taylor Swift // © Beth Garrabrant

Mehr als nur eine positive Bewertung bekam ihr aktuelles Album „folklore“. Dieses ist ein Produkt des ersten Lockdowns Anfang des Jahres und wurde mit nur drei weiteren Personen geschrieben und produziert. Das ist in der heutigen Popmusik mit dazugehörigem Mega-Marketing leider kaum bis gar nicht mehr der Fall, jedoch vielleicht ein Grund, weshalb das Album so gut ankommt: Es ist unglaublich ehrlich und nah am Künstler. Außerdem klingen die Sounds ganz anders als die meiste Radiomusik – und alles, was die Sängerin zuvor je gemacht hat. So geht es auch jedem Zuhörer näher, Emotionen scheinen greifbarer als bei manch anderen Alben. „Folklore“ ist eine Reise ins Innere und in die tiefsten Erinnerungen bis in die Kindheit hinein und passt so perfekt in die aktuelle Zeit – auch einige Monate später noch. Durch die soziale Eindämmung ist ein jeder von uns dieses Jahr schließlich dazu gezwungen, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Beim Hören kann man sich aber ab und zu sanft aus den Unsicherheiten der Gegenwart in eine fantasievolle Welt und das Innere der Künstlerin tragen lassen. Thematisch widmet sie sich mit diesem Album oft Zeiten vor ihrem Ruhm und tritt so mit einem nostalgisch erscheinenden inneren Monolog ebenfalls nah und pur an den Zuhörer heran.


Der Erfolg des Albums ist jedoch nicht nur auf die fördernde Nachempfindsamkeit oder seine plötzliche Ankündigung zurückzuführen, sondern auch auf einen von allen teils sehr gewünschten Eskapismus – also eine Realitätsflucht, durch diese sich Lockdown-Zeiten, verbunden mit Existenzängsten, zeitweise erträglicher gestalten lassen. Egal, ob man gute oder schlechte Laune hat, frisch verliebt ist oder Liebeskummer empfindet – das Album holt viele Menschen scheinbar ab. Eine Flucht in etwas Flüchtiges passt in unserer Welt voller Informationen nun wohl mehr denn je.

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