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Gerechte Buße für das Erzbistum Köln?

800.000 Euro für Kindesmissbrauch “Die Bischöfe müssen sich vor einem staatlichen Gericht verantworten.“

ms - 05.08.2022 - 10:00 Uhr

Erstmals hat nach Recherchen des WDR ein ehemaliges Opfer von Kindesmissbrauch jetzt gegen die Kirche als Institution geklagt. Der Kläger Georg Menne fordert dabei vom Erzbistum Köln aufgrund erlittener sexualisierter Gewalt Schmerzensgeld in Höhe von 800.000 Euro. Der mögliche Prozess und das Urteil könnten zu einem Präzedenzfall werden – die Klageschrift wurde heute beim Landgericht Köln eingereicht.

Die Beweislage in diesem Fall scheint eindeutig:  Menne war als Kind in den 1970er Jahren zehn Jahre lang von dem Priester Erich Jansen missbraucht worden – dieser hatten die Taten kurz vor seinem Tod auch eingestanden. Der Kläger betont dabei auch, dass die Verantwortlichen des Erzbistums Köln den Missbrauch jederzeit verhindern oder beenden hätten können, doch sie taten nach Angaben von Menne nichts. Die Missbrauchstaten wurden auch im sogenannten Gercke-Gutachten festgehalten, welches der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki selbst in Auftrag gegeben hatte. Im Fall Menne ist hier schwerer Missbrauch und Vergewaltigung in mindestens 320 Fällen notiert. Zudem habe der Priester auch seiner sadistischen Ader freien Lauf gelassen und den Jugendlichen immer wieder gequält. Menne dazu gegenüber dem WDR: "Ich wurde bis auf die Unterhose ausgezogen, gefesselt, kalt abgeduscht. Das diente dazu, zu testen, wie weit ich mitgehe" – von diesen Taten gibt es zudem Fotos, die dies belegen können.

Wie so oft auch anderenorts soll die Kirche und der damalige Kölner Erzbischof Josef Höffner weggesehen haben, obwohl sie von den Vorwürfen gewusst haben sollen. Mehr noch: Die Kirche soll immer wieder Akten vernichtet, die Justiz behindert und ein System der Strafvereitelung errichtet haben. In einer rund 160-seitigen Klageschrift legt Mennes Anwalt konkret den Fall da und ist sich sicher, dass die Kirche als öffentliche Institution vor einem Zivilgericht verantwortlich gemacht werden kann. Der inzwischen verstorbene Priester wurde erst 40 Jahre nach seinen Taten zur Verantwortung gezogen und dies wie oftmals in der katholischen Kirche sehr halbherzig: Jansen verlor seinen Titel, bekam als Rentner ein Berufsverbot und die Auflage, sich nicht mehr Kindern zu nähern. Seine finanziellen Bezüge wurden ihm nicht gestrichen und er musste sich auch nicht vor einem weltlichen Gericht für seinen massenhaften Missbrauch verantworten.

Menne wurde derweil mit einer “Anerkennungszahlung“ von 25.000 Euro abgespeist und das, obwohl er bis heute unter den Taten leidet und inzwischen aufgrund des Missbrauchs laut seinen Ärzten einen Behindertengrad von 50 Prozent hat. Ferner berichtete Menne von jahrelanger Therapie, Schlafstörungen, Migräne und Neurodermitis. Karl Haucke vom Betroffenen-Rat der Bundesregierung zeigte sich gegenüber dem WDR sehr erfreut darüber, dass Menne den Mut aufgebracht habe, zu klagen: „Die Kirche kann dann nicht mehr mit ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten rumhantieren. Die Bischöfe müssen sich vor einem staatlichen Gericht verantworten. Das fordern wir Betroffenen schon lange." Das Erzbistum Köln bezog gegenüber dem WDR nicht konkret Stellung zu den Vorwürfen und der Klage, sondern erklärte lapidar und allgemein, dass man "jedem einzelnen Betroffenen die notwendige Hilfe und Unterstützung zukommen lassen" möchte.

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