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LSVD warnt vor mehr Hetze in diesem Herbst

Digitaler Hass auf LGBTI* „Wir brauchen vereinfachte und transparente Meldeverfahren für Hate Speech!“

ms - 15.09.2022 - 14:30 Uhr

Der Herbst steht vor der Tür und so blickt die LGBTI*-Community mit Spannung auf die nächsten Monate bis zum Ende des Jahres – die Ampel-Koalition hat sich viel Arbeit auf den Tisch gepackt, unter anderem ein neues Selbstbestimmungsgesetz, den ersten Nationalen Aktionsplan oder auch eine Neugestaltung des Abstammungsgesetzes für lesbische Mütter. Mittenrein platzten da die neusten Studienergebnisse aus den USA: Der digitale Hass auf LGBTI*-Menschen hat seit dem Frühjahr 2022 um mehr als 400 Prozent zugenommen. Der wesentliche Ursprung in den Vereinigten Staaten sollen dabei queer-feindliche Gesetze sein, die homophobe Menschenfeinde immer weiter anstacheln und die Angriffe von LGBTI*-Menschen im Internet sozusagen legitimieren. Das Problem dabei: Der Hass bleibt nicht in den USA, sondern verbreitet sich maßgeblich gerade durch die Social-Media-Kanäle in erheblicher Weise auch in Deutschland in der queeren Community. SCHWULISSIMO fragte nach bei René Mertens vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland, wie er die Situation in den kommenden Monaten einschätzt.

 

René, in den USA zielen diese Kampagnen darauf ab, Gesetze gegen queere Menschen weiter voranzutreiben und die negativ aufgeladene Stimmung und den Hass immer weiter anzustacheln. Du erwartest eine ähnliche, neue Welle von Hetze in diesem Herbst auch in Deutschland – beispielweise aufgrund des Selbstbestimmungsgesetzes, aber nicht nur. 

Ja, diese Kampagnen bewegen sich hauptsächlich im virtuellen Raum. Auch im Zuge der geplanten Modernisierung des Familien- und Abstammungsrechts rechnen wir mit ähnlichen Kampagnen. Diesen werden wir mit einer unaufgeregten und sachlichen Kommunikation begegnen. Wenn die Selbstbestimmung von LSBTI rechtlich gestärkt wird, profitiert unsere gesamte Gesellschaft. Gefährlich daran ist nur der Hass der Gegner*innen.   

 

Wie könnte sich die Situation für LGBTI*-Menschen verbessern?

Wir brauchen einen diskriminierungsfreien und professionellen Umgang mit Themen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt, sowohl online als auch offline. Die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen sollte schon in der Grundschule gefördert werden. Mit welchen Infos oute ich mich, vielleicht auch ungewollt? Mit welchen Likes? Was verraten Posts und getaggte Fotos von anderen über mich? Möchte ich Fotos vor, in beziehungsweise nach meiner Transition posten und teilen? All das müssen Kinder und Jugendliche lernen. Dazu gehört auch der Umgang mit LSBTI-Feindlichkeit im Netz und wie Betroffene gestärkt werden können.

 

Was können deiner Meinung nach Betroffene am besten tun, wenn sie als LGBTI* angegriffen werden?

Hassbeiträge und die Profile bei den entsprechenden Sozialen Netzwerken melden; laut Netzwerkdurchsetzungsgesetz müssen diese innerhalb von 24 Stunden reagieren und bei erkennbaren Rechtsverstößen den Hassbeitrag löschen. Auch kann der Account vorrübergehend auf privat gestellt oder die Kommentarfunktion deaktiviert werden. Hassbotschaften durch Screenshots inklusive Datum und Uhrzeit, und am besten von dem gesamten Computerbildschirm abspeichern und Beweise sichern. Organisationen wie Hate Aid oder “Hassmelden hilft“ bieten eine rechtliche beziehungsweise psychologische Beratung an.

 

Was erwartest du dir von der Bundesregierung beziehungsweise was wünscht sich der LSVD hier?

Wir brauchen vereinfachte und transparente Meldeverfahren für Hate Speech auf Webseiten, Netzwerken und Apps sowie zusätzliche Stellen und Expertise bei Polizei und Justiz für Prävention und Ahndung von Cyberkriminalität und Hate Speech. Auf der anderen Seite sollte die Expertise von LSBTI-Organisationen durch Fortbildungen, Expert*innen und Projektfinanzierung gestärkt werden. Begleitend könnten die bereits existierenden Meldestellen für Cybermobbing und -kriminalität zum Themenbereich “LSBTI-Feindlichkeit und Hate Speech“ geschult werden. Hier sind Bund und Länder gemeinsam in der Pflicht, LSBTI-feindlicher Hetze im Netz wirkungsvoll entgegenzutreten.

René, vielen Dank für das Gespräch.

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