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Todesurteil gegen zwei Lesben im Iran

Eine letzte Hoffnung Welle der Hinrichtungen reißt nicht ab

ms - 16.09.2022 - 15:30 Uhr

Bereits im Juli warnte die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) eindringlich davor, dass die Zahl der Hinrichtungen im Iran im bisherigen Jahr 2022 dramatisch angestiegen ist, wobei sich unter den Opfern der menschenrechtsunwürdigen Todesurteile oftmals auch homosexuelle Männer befinden, die aufgrund ihrer Sexualität zumeist ohne einen rechtsstaatlichen Prozess verurteilt worden sind. Insgesamt spricht AI von mindestens 251 hingerichteten Menschen; die tatsächliche Zahl sei dabei deutlich höher, da die Behörden offizielle Zahlen zu vollstreckten Todesurteilen geheim halten. Nun wurden Todesurteile gegen zwei lesbische junge Frauen ausgesprochen, nach Angaben von LGBTI*-Aktivisten ist es das erste Mal, dass die Todesstrafe aufgrund der sexuellen Orientierung gegen Frauen verhängt wurde – ihre letzte Hoffnung ist jetzt eine Prüfung des Falles vor dem Obersten Gerichtshof des Landes.

Nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur Isna wird das Todesurteil des Revolutionsgerichts der Stadt Urmia jetzt den Richtern des Obersten Gerichtshofs vorgelegt – die aktuelle Anklage wirft den beiden Frauen im Alter von 24 und 31 Jahren vor, sowohl die Homosexualität als auch das Christentum gefördert und negativ gegenüber den Medien über die Islamische Republik gesprochen zu haben. Eine der beiden Frauen hat in einem Interview mit der BBC über die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten im Iran geredet, die andere setzte sich auf ihren Social-Media-Kanälen für die Rechte von Homosexuellen ein. Der Passus im Urteil trägt so auch die Überschrift: “Korruption auf Erden“.  Bei den beiden lesbischen Frauen handelt es sich um die LGBTI*-Aktivistinnen Sedighi Hamadani und Elham Chubdar. Die Europäische Union hat die Todesurteile scharf kritisiert, die Vereinten Nationen erklärten, sie seien “zutiefst besorgt“ über die aktuelle Lage. Die Regierung des Irans hat bisher die Todesurteile verteidigt und wirft den beiden Frauen zudem vor, sie hätten iranische Mädchen ins Ausland gelockt und mit falschen Versprechen zur Prostitution gezwungen. Auf der Flucht in die Türkei waren die beiden befreundeten lesbischen Frauen vor rund einem Jahr festgenommen worden.  

Die in Deutschland beheimatete iranische LGBTI*-Organisation 6Rang erklärte inzwischen, dass das Urteil gegen die beiden Frauen als Teil der Bemühungen des Regimes verstanden werden müsse, Hass gegenüber Homosexuellen in der Gesellschaft zu verbreiten. Der iranische Präsident Ebrahim Raisi bezeichnete zuletzt in diesem Jahr Homosexualität als eine "hässliche und verachtenswerte Praxis", die eine "Propagandakampagne des Westens" sei. Das Land gilt als einer der repressivsten Orte der Welt für Homosexuelle – geouteten Schwulen und Lesben drohen hunderte Peitschenhiebe, gleichgeschlechtlicher Sex wird mit der Todesstrafe belegt. Seriöse Schätzungen wie beispielsweise von Human Rights Watch gehen von rund 6.000 Tötungen von homosexuellen Männern in den letzten vier Jahrzehnten aus, zuletzt wurden erst vor kurzem zwei Schwule aufgrund von “Sodomie“ hingerichtet. Die Geschäftsführerin der iranischen Menschenrechtsorganisation Abdorrahman-Boroumand, Roya Boroumand, fordert: "Diese erneute Hinrichtungswelle, die auch öffentliche Exekutionen mit einschließt, zeigt einmal mehr auf, dass der Iran nicht auf demselben Kurs ist wie der Rest der Welt!“ Die verurteilte Sedighi Hamadani erklärte inzwischen in einem Video gegenüber 6Rang über ihre Teilnahme an der BBC-Dokumentation, die jetzt als Beweis gegen sie verwendet wird: "Alles, was ich wollte, war, dass jeder über den Schmerz und das Leiden der LGBTI*-Community im Iran Bescheid weiß und dass wir anerkannt werden wollen, um frei leben zu können. Der Weg in die Freiheit kann uns das Leben kosten, aber wir sind entschlossen, ihn zu gehen und entweder in Freiheit zu leben oder zu sterben."

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