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GroKo und die Queerpolitik...
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Faktissimo Die Regierung und ihre Versäumnisse

km - 12.09.2021 - 10:00 Uhr

In einer sich immer mehr spaltenden Gesellschaft wird ein provokanter Wahlkampf mit Lügen, Anschuldigungen und Polemik geführt. Inhalte scheinen, wie so oft, keine Rolle zu spielen und das diese fehlen wird dann mithilfe von Fehlern der anderen Parteien verschleiert.

Letztes Jahr wurde noch belustigt in die USA geschaut und nun sind bei uns teilweise ähnliche Taktiken zu entdecken. Neben der Corona- und Umweltkrise und damit auch finanziellen Komplikationen, ist auch das soziale Thema einen Blick wert. Menschlichkeit und Solidarität wurde so oft betont und gefordert – aber wieviel Menschlichkeit hat die GroKo in den vergangenen Jahren geliefert?

Was wurde in puncto LGBTI*-Community versäumt?

 

  1. Änderung des Grundgesetzes Artikel 3. Dort heißt es in Absatz drei „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Was bis heute fehlt, ist die sexuelle und geschlechtliche Identität. Gesetzlich gesehen leben wir also in einem Land, in dem jemand der politisch voll und ganz hinter der AfD steht und deren Anschauungen teilt, im Gegensatz zu einem Schwulen nicht benachteiligt wird. Das bedeutet nicht, dass man Menschen die „politische Freiheit“ nehmen sollte, es ist nur absurd, dass man bei der LGBTI*-Community die Grenze zieht.
    Die Gesetze und Rechte in Deutschland sind noch immer diskriminierend © Cameris
    Die Gesetze und Rechte in Deutschland sind noch immer diskriminierend © Cameris

     
  2. Das Abstammungsrecht wurde nicht angepasst. Obwohl das Obergericht Celle und das Kammergericht Berlin das Abstammungsrecht als verfassungswidrig eingestuft haben, wird die GroKo es bis zur Wahl nicht mehr reformieren. Also bleibt es bei der Diskriminierung, die gerade vorherrscht. Denn Kinder aus queeren Ehen müssen von den Eltern, die den Nachwuchs nicht geboren haben, adoptiert werden. Ein kräftezehrender Prozess, der von heterosexuellen Ehepartnern nicht durchlaufen werden muss. Die Bundesregierung hat auf eine große Anfrage der Grünen in Bezug auf Diskriminierung bei Gesetzen und Regelungen nach einem Jahr geantwortet und schrieb: „Der Bundesregierung sind keine diskriminierenden Regelungen bekannt.“ Na dann ist ja gut – was ich nicht sehe ist nicht da!
    Gleichgeschlechtliche Paare werden durch das Abstammungsrecht ungleich behandelt © Ridofranz
    Gleichgeschlechtliche Paare werden durch das Abstammungsrecht ungleich behandelt © Ridofranz

     
  3. Das über 40 Jahre alte Transsexuellen Gesetz (TSG) ist noch immer nicht abgeändert worden. Es sollte eigentlich durch ein Gesetz zur Selbstbestimmung über die Geschlechtsidentität ersetzt werden. Doch es wurde abgelehnt, was unter anderem dazu führt, dass sich trans* Menschen weiter diskriminierenden Gutachtergesprächen unterziehen müssen. In der oben erwähnten Anfrage schreibt die Bundesregierung zu dieser Thematik: „Hinsichtlich einer Reform der Regelungen für transgeschlechtliche Menschen ist der politische Meinungsbildungsprozess innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen.“ Muss man einfach nochmal drüber nachdenken, bevor man handelt – man kennt es!
    Das über 40 Jahre alte TSG ist ein Armutszeugnis der Queerpolitik © Vladimir Vladimirov
    Das über 40 Jahre alte TSG ist ein Armutszeugnis der Queerpolitik © Vladimir Vladimirov

     
  4. Die Regelungen zur Konversionstherapie lassen ebenfalls zu wünschen übrig! Nun, jetzt mag der ein oder andere sagen: „aber das wurde doch vor Kurzem verboten?“. Damit hat diese Person auch zum Teil recht, aber eben nur zum Teil. Verboten wurde die Praxis konkret nur für Minderjährige, obwohl diese von unabhängigen Experten immer wieder als gefährlich eingestuft wurde. Sie kann nicht selten zu Suizid und/oder psychischen Problemen führen. Erwachsene sind also weiter unsicher und der schwule Sohn wird dann eben erst mit 19 Jahren zur „Homo-Heilung“ geschickt. Warum eine solche „Therapie“ überhaupt noch in
    jeglicher Form existieren darf, ist ein absolutes Armutszeugnis in der Queerpolitik.
     
  5. Die Thematik Zwangs-OPs bei intergeschlechtlichen Kindern war eins der wenigen konkreten queerpolitischen Versprechen. Und ist gleichzeitig ein weiterer Beweis für halbherzige Verbote der GroKo. Der Lesben und Schwulenverband (LSVD) schrieb dazu: „Da das Verbot nur Kinder mit der medizinischen Diagnose „Variante der Geschlechtsentwicklung“ schützen soll, besteht eine große Umgehungsgefahr, indem Kinder aus dem Anwendungsbereich hinausdefiniert werden. Da Intergeschlechtlichkeit oftmals als „Krankheit“ betrachtet wird, stehen Eltern häufig unter dem fatalen Eindruck, ihrem Kind mit einer „normalisierenden“ OP ein besseres Leben zu ermöglichen. Das wird im Gesetz weiterhin ignoriert.“
    Zudem fehlen ein zentrales Melderegister und umfassende Melde- und Dokumentationspflicht. Diese war zwar von der Regierung erwünscht, aber leider konnten die Details aufgrund von Zeitdruck nicht vor Verabschiedung des Gesetzes geklärt werden. Eine Legislaturperiode ist auch ein enges Zeitfenster für ein versprochenes Gesetz. Außerdem wurde und wird noch immer eine Beratungspflicht durch qualifizierte Peer-Berater*innen vor jedem Eingriff gefordert, so dass Eltern und Kinder umfassend und vorurteilsfrei über die mit der Behandlung verbundenen Folgen und Alternativen aufgeklärt werden. Naja, muss wohl die kommende Regierung das Gesetz vervollständigen.
     
  6. Es fehlt ein gesondertes Asylrecht für LGBTI*. Dies führt dazu, dass sie in „vermeintlich sichere Länder“ abgeschoben werden und dort aufgrund ihrer Sexualität verhaftet oder getötet werden.
    Ein gesondertes Asylrecht für LGBTI* muss her © coldsnowstorm
    Ein gesondertes Asylrecht für LGBTI* muss her © coldsnowstorm

     
  7. Es gibt noch immer keinen nationalen Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie. Mit einem solchen Plan könnte man deutlich aktiver gegen Hassverbrechen und Diskriminierung vorgehen. Zum Beispiel könnte in diesem Plan festgelegt werden, dass Straftaten gezielt gegen die LGBTI*-Community gesondert erfasst werden. Daraus würde sich eine Statistik ergeben, mit der man die Größe des Problems benennen kann, außerdem lassen sich unter anderem Tendenzen, regionale Häufungen und Täterstrukturen feststellen.

Das war eine Auswahl von Versäumnissen. Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass sich das mit der nächsten Regierung ändern wird. Jeder kann aktiv dafür sorgen und Parteien wählen, die sich für die Community einsetzen. Geht wählen für eine bunte und vielfältige, sowie faire Zukunft in Deutschland.

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