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WHO warnt vor “Allheilmittel“ und sucht erkrankte Freiwillige

Impfdurchbrüche bei Affenpocken Interviews mit Erkrankten soll mehr Licht ins Dunkel bringen

ms - 18.08.2022 - 11:30 Uhr

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sucht im Rahmen einer groß angelegten Untersuchungsreihe Menschen, die sich mit Affenpocken (MPX) infiziert haben und darüber in einem Videointerview berichten wollen. Betroffene können sich direkt via Twitter an Andy Seale von der WHO wenden (@ANJSeale). Ziel der Aktion ist es, mehr über die Virus-Erkrankung zu erfahren und vor allem auch ein klareres Bild vom Krankheitsverlauf abzeichnen zu können. Da die bisherigen Todesfälle alle in Zusammenhang mit massiven Vorerkrankungen standen, verbreite sich in Teilen der Bevölkerung noch immer der Glaube, man könne das Virus auf die leichte Schulter nehmen, dabei ist die Krankheit oftmals auch mit sehr starken, wochenlangen Schmerzen verbunden. Rund 15 Prozent der Infizierten in Deutschland müssen aufgrund zu starker Schmerzen sogar in Kliniken ambulant behandelt werden.

Der WDR porträtierte dabei den Krankheitsverlauf eines der ersten Fälle aus Deutschland: Basti (24) war der 700ste Fall weltweit außerhalb Afrikas und unter den ersten 100 Fällen in Deutschland. Er steckte sich bei einem Sexualpartner an, den er schon seit über einem Jahr kannte und war sich daher sicher, keine Gefahr einzugehen. Nach dem Auftreten der ersten kleinen Punkte am Penis breite sich die Krankheit bei ihm schnell aus. „Zum Zeitpunkt der Diagnose war ich schon nicht mehr fit. Zuerst wurde mir schwindelig. Dann sind die Lymphknoten an meinen Leisten angeschwollen, bis auf die Größe einer kleinen Pflaume. Ich habe blaue Flecken davon bekommen und konnte nicht mehr auf meinem Bauch liegen. Dazu kamen Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Auch auf den Armen und auf meiner Fußsohle haben sich Pocken gebildet. Aus den roten Punkten wurden mit der Zeit Blasen, gefüllt mit einer grauen Flüssigkeit. Um die Blasen war alles entzündet. Vor allem die Pocken auf meinem Penis waren schlimm: Ich hatte so krasse Schmerzen - auch noch drei Wochen nach der Ansteckung - dass ich mir Ibuprofen reingepfeffert habe, und der Schmerz trotzdem nicht aufgehört hat. Ich lag dann teilweise im Bett, habe nur geweint und gehofft, dass diese Schmerzen bald aufhören. Irgendwann sind die Pocken aufgegangen. Ich hatte offene Fleischwunden am Penis, die geblutet und genässt haben. Meine Unterhosen waren voll mit Blut. Mein Penis war so angeschwollen, dass er an manchen Stellen rot und lila wurde."

Mehrere Ärzte in Deutschland blicken so aktuell auch kritisch auf die anstehenden Events im September, beispielsweise das Oktoberfest in München oder auch das Fetisch-Festival Folsom in Berlin. Beiden Veranstaltungen ist zu eigen, dass im Umfeld des Events viele sexuelle Kontakte entstehen. Bis heute stecken sich hauptsächlich (98 %) homo- und bisexuelle Männer während eines sexuellen Kontakts (95 %) an. Gegenüber dem Merkur bestätigte so auch jüngst der Infektiologe Christoph Spinner vom Münchner Universitätsklinikum rechts der Isar, dass Sex ein “extremes Ansteckungsrisiko“ in sich birgt.

Aktuell wartet die Gay-Community in Deutschland auf weiteren Impfstoff, rund 200.000 Einheiten sollen bis Ende September in der Bundesrepublik eintreffen. Vereine wie die Deutsche Aidshilfe mahnen, dass dies viel zu wenig sei und fordern den Einkauf von mindestens einer Million Impfdosen. Die WHO warnte in diesem Zusammenhang davor, die Impfung als Allheilmittel zu betrachten. Nach ersten Meldungen von Impfdurchbrüchen bei den Affenpocken und der Tatsache, dass es noch keine ausreichend belastbaren Studien gibt, rät die WHO zur Vorsicht. "Wir haben von Anfang an gewusst, dass der Impfstoff nicht alle Erwartungen erfüllen würde, die in ihn gesetzt werden", so WHO-Affenpocken-Expertin Rosamund Lewis aus Genf. Impfdurchbrüche wurden inzwischen sowohl bei Menschen gemeldet, die nach einem möglichen Kontakt mit einem Infizierten geimpft wurden als auch bei jenen, die sich vorsorglich hatten impfen lassen. Lewis betonte so weiter, dass Geimpfte mindestens zwei Wochen nach der zweiten Impfdosis warten müssten, damit der Stoff seine volle Wirksamkeit entfalten könne, bevor man sich einem “riskanten Verhalten“ aussetzen sollte. Das Robert-Koch-Institut erklärte parallel dazu, dass die erste Impfstoffdosis einen guten Basisschutz vermittle und die zweite Einheit dazu diene, die Dauer des Impfschutzes zu verlängern. Insgesamt hat die WHO aktuell rund 35.000 Fälle von Affenpocken in 92 Ländern verzeichnet – bisher sind zwölf Menschen an MPX gestorben. Derzeit wachse die Rate der Neu-Infizierten wöchentlich um 20 Prozent. In Deutschland sind aktuell rund 3.200 Fälle dokumentiert, die Hälfte davon kommt aus Berlin.

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