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Befreien sich die LGBTI*-Schotten von der Hinhaltetaktik der britischen Regierung?
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Konversionstherapien Befreien sich die LGBTI*-Schotten von der Hinhaltetaktik der britischen Regierung?

ms - 27.01.2022 - 12:30 Uhr

Wenn es um Rechte für LGBTI*-Menschen oder den Schutz queerer Personen vor menschenverachtenden Aktionen wie einer Konversionstherapie geht, dann wird in der britischen Downing Street 10 im Hause von Premierminister Boris Johnson gerne geschlafen. In gewisser Weise ist das auch verständlich, nach so vielen heimlichen Partys mitten in der Pandemie und während eines Lockdowns kann man schon einmal müde werden.

Den queeren Schotten reicht es jetzt aber! Der Ausschuss des schottischen Parlaments für Gleichberechtigung, Menschenrechte und Ziviljustiz (Equalities, Human Rights and Civil Justice Committee, kurz EHRCJ) hat sich nun in seinem Abschlussbericht klar und deutlich für ein Verbot von Konversionstherapien in Schottland ausgesprochen. Zuvor wurde bereits eine Petition mit der Forderung ins schottische Parlament eingebracht. Nachdem zuletzt Frankreich den menschenverachtenden „Therapien“ diese Woche ein klares Nein erteilt hat, wäre Schottland nun das nächste Land in Europa, das klar Stellung bezieht. Dabei legt der Ausschuss Wert darauf, dass das künftige Verbot vollständig und umfassend sein solle. Jeder Versuch, die Geschlechtsidentität oder die sexuelle Orientierung eines Menschen zu ändern, müsse künftig untersagt sein. Zudem dürfe es auch keine Ausnahme für „einwilligende“ Erwachsene geben, die zumeist von der Familie oder der eigenen Kirche zu einer solchen Maßnahme gedrängt werden. Gerade mit der letzten Forderung geht das schottische Komitee deutlich weiter als die Gesetzgebung in Deutschland.

Gegen das klare Statement formiert sich wie zuletzt Anfang Januar in Kanada und den USA nun Widerstand von christlicher Seite. Es scheint beinahe so, als bedürfe es einer Neudefinition der alten Gebotsregelung „Liebe deinen Nächsten“ – aber bitte nur, wenn er sich umpolen lässt. Das fundamental religiöse, sogenannte Christliche Institut (CI) aus Newcastle droht nun mit rechtlichen Schritten, sollte das schottische Parlament die Vorlage des EHRCJ umsetzen wollen. Die Argumente dagegen klingen altbekannt und wie stets frei von Fakten: So sei noch gar nicht ausreichend geprüft worden, wie sich eine Konversionstherapie negativ auf LGBTI*-Menschen auswirke. Das ganze Verbot sei „schlecht durchdacht“ und würde die hochheiligen „kirchlichen Aktivitäten“ beeinträchtigen. So müsse es doch auch künftig noch erlaubt sein, die christliche Sexualethik zu lehren und allen queeren Menschen klarzumachen, dass „Sex nur für die Ehe bestimmt sei und auch nur zwischen Mann und Frau stattzufinden habe“. 

© Gannet77
© Gannet77

Die Reaktionen sind auch für das EHRCJ nicht verwunderlich. Der Bericht zeigte zuvor bereits auf, dass der Großteil aller Konversionstherapien von religiösen Gruppen durchgeführt wurde und so auch die Mehrheit der kirchlichen Organisationen gegen das Verbot von Konversionstherapien ist. Unter dem Deckmantel einer „Gesprächstherapie“ würde so von christlicher Seite immer wieder der Versuch unternommen, die Sexualität oder das Geschlecht einer queeren Person zu verändern. Der Ausschuss empfiehlt klar, solche Praktiken zu verbieten und betont im Besonderen: "Der Ausschuss ist bestrebt sicherzustellen, dass ähnlich wie bei den Gesetzen zum Schutz von Opfern häuslicher Gewalt oder weiblicher Genitalverstümmelung in der Definition klargestellt wird, dass die Zustimmung zu solchen Praktiken niemals in Kenntnis der Sachlage erfolgen kann und denjenigen, die Konversionspraktiken durchführen, nicht als Verteidigung zur Verfügung stehen sollten.“ Nach Angaben einer nationalen LGBTI*-Studie aus dem Jahr 2018 haben sich mindestens zwei Prozent der Bürger Großbritanniens einer Konversionstherapie unterzogen – das sind rund 1,4 Millionen Menschen.

Diverse LGBTI*-Organisationen und Aktivisten haben nun die schottische Regierung aufgefordert, schnell und entschlossen zu handeln und nicht erst auf die Entschlüsse der britischen Regierung zu warten, die seit 2018 das Thema und eine Entscheidung darüber immer wieder hinauszögert, zuletzt abermals erst im Dezember 2021. Wenn Großbritannien und Boris Johnson im Partytaumel nicht reagieren, müsse es eine schottlandspezifische zügige Rechtsvorschrift gegen Konversionstherapien geben. 

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