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LGBTI*-Veteranen warnen vor Rollback // © Valerii Evlakhov

LGBTI*-Veteranen warnen vor Rollback Wird die Uhr für die LGBTI*-Community zurückgestellt?

ms - 24.05.2022 - 21:00 Uhr

Seit einigen Jahren wird immer wieder vom sogenannten Rollback gesprochen, also dem Zurückdrängen von LGBTI*-Rechten in Europa und in den USA. Während in Europa die offensichtlichen Feindbilder mit Polen und Ungarn klar positioniert scheinen, zeigte sich die Lage in Amerika vor Bidens Amtsantritt diffus. Ex-Präsident Trump erließ zwar queerfeindliche Gesetze, erklärte anderenorts aber auch gerne seine positive Gesinnung für LGBTI*. Erst unter Bidens Präsidentschaft gelang es den Konservativen in den Vereinigten Staaten, sich so mächtig zu bündeln wie nie zu vor – über 250 Gesetzesvorhaben gegen LGBTI*-Menschen wurden allein in diesem Jahr bisher in die Parlamente eingebracht.

Und während in Deutschlands Nachbarländern die Queerfeindlichkeit oftmals sehr deutlich zu Tage tritt, wird die Stimmungslage in der Bundesrepublik selbst auch immer diffuser. Zudem scheint sich die Community im Streit um das Selbstbestimmungsgesetz und andere politische Projekte teilweise immer mehr aufzuspalten, was die Stimmung gegen LGBTI*-Menschen im eigenen Land weiter befeuert. Diese grundsätzlichen Bewegungen sind auch in anderen europäischen Ländern wie aktuell Großbritannien zu erleben.

US-LGBTI*-Veteranen haben sich jetzt gegenüber der Washington Post zu Wort gemeldet und befürchten mit deutlichen Worten, dass die Uhren für die LGBTI*-Community in weiten Teilen der Welt in diesen Tagen zurückgedreht werden könnten. Einer von ihnen ist LGBTI*-Aktivist Vic Basile (76), der sich viele Jahre lang für die gleichgeschlechtliche Ehe einsetzte. Eine Errungenschaft, die der Oberste Gerichtshof in den USA vielleicht dieses Jahr erneut einkassieren könnte. Mit Sorge blickt er heute auf sein Land, das queere Bücher und LGBTI*-Themen an Schulen verbieten lässt und trans-Jugendliche samt ihrer Eltern angreift. "Es ist beängstigend", so Basile.

Der LGBTI*-Aktivist ist dabei einer von vielen älteren Männern und Frauen aus der Gay-Community, die die Entwicklungen mit großer Sorge sehen. Gegenüber der Washington Post fallen immer wieder Begriffe wie „beängstigend“, „erschreckend“ oder „verheerend“. Die ehemalige Geschäftsführerin der internationalen Human Rights Campaign, Elizabeth Birch, sagt: "Es ist zum Verzweifeln. Damals haben wir wirklich die Herzen und Köpfe der Mehrheit der Menschen gewonnen – das jetzt ist dagegen ein dramatischer Rückschlag." Sie alle erinnern sich an maßgebliche Errungenschaften für die LGBTI*-Community, sowohl in Amerika wie auch anderenorts. Von Antidiskriminierungsgesetzen bis zur Stärkung der medizinischen Versorgung von HIV-Positiven. Hoch emotionale Momente und Siege, die für die Ewigkeit schienen.

Hilary Rosen, LGBTI*-Kämpferin der ersten Stunde, erinnert sich an die Auseinandersetzungen in den ersten zwei Jahrzehnten des neuen Jahrtausends, als queeres Leben immer selbstverständlicher in der Gesellschaft aufgenommen wurde: "Es war ein Marsch in die Mitte, um die Wahrnehmung zu fördern, dass es in jeder Familie, in jeder Partei und in jeder Religion homosexuelle Menschen gibt!" Innerhalb eines guten halben Jahrhunderts hat sich die LGBTI*-Community dabei stetig weiter nach vorne gearbeitet – bis heute. Einige Aktivisten sind der Meinung, dass Transgender-Themen heute dazu benutzt wurden, einen neuen Kulturkampf zu entfachen und Teile der trans-Community ihren Teil dazu beitragen, dass sich die Community immer mehr verzettelt. Sie sprechen von einer "Ära des Zerfalls der individuellen Freiheit" und blicken dabei sorgenvoll auf die Pläne, die homosexuelle Ehe wieder zu verbieten.

Ein weiteres Problem erkennen die LGBTI*Aktivisten zudem mit Blick auf die heutige Jugend, so Vivian Shapiro, ehemalige Ko-Vorsitzende des HRC-Fonds: "Wir kennen den Kampf. Wir wissen, wie es ist, wenn man seinen Job verliert, wenn man sich in den 1970er Jahren als lesbisch outet, oder wenn man seine Wohnung verliert. Das hat die heutige queere Jugend alles nicht erlebt". Was sie alle zudem eint, ist die Angst, dass auch immer mehr Hassverbrechen geschehen werden – eine Tendenz, die sich bereits in Amerika genauso wie in Deutschland und anderen Ländern in Europa längst abzeichnet. "Das wird die Menschen körperlich und seelisch verletzen. Sie werden dämonisiert und gedemütigt werden“, so Basile weiter. Der “LGBTI*-Aktivist in Ruhestand“, wie er sich selbst gerne nennt, zitiert gerne Martin Luther King Jr. mit den Worten: "Der Bogen des moralischen Universums ist lang, aber er biegt sich in Richtung Gerechtigkeit". Daran glaubt er immer noch, selbst in dieser dunklen Zeit. "Das Pendel wird irgendwann zurückschwingen", sagt Basile. "Aber Gott weiß, wie lange das dauert und wie viel mehr Schaden in der Zwischenzeit angerichtet wird.“

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