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Mehr Einsatz für die PrEP!
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Mehr Einsatz für die PrEP! „Alle, die PrEP brauchen oder wollen, müssen auch Zugang bekommen!“

ms - 28.11.2022 - 11:00 Uhr

Mit klaren Worten fordert die Deutsche Aidshilfe jetzt mehr Einsatz für die  HIV-Prophylaxe PrEP, um so die Zahl der HIV-Neuinfektionen und Spätdiagnosen weiter zu senken – nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) kam im Jahr 2021 jede dritte HIV-Diagnose (33 %) in Deutschland zu spät, sprich in einem Stadium mit fortgeschrittenem Immundefekt oder sogar mit dem Vollbild AIDS. Um diesen hohen Prozentanteil zu senken, müssen auch die Engpässe in der Drogenhilfe endlich angegangen werden, so die Deutsche Aidshilfe weiter. 

Mehr Aufmerksamkeit im Detail

Die jüngsten Zahlen des RKI von letzter Woche zeigten auf, dass sich offiziell binnen eines Jahres rund 1.800 Menschen in der Bundesrepublik neu mit HIV infiziert haben, die Dunkelziffer wird um rund 10 Prozent höher geschätzt. Aktuell leben rund 90.800 Menschen mit HIV in Deutschland, weitere 8.600 Personen sind höchstwahrscheinlich ebenso HIV-positiv, wissen aber nichts von ihrem Status. Der Arzt und Epidemiologe von der Deutschen Aidshilfe (DAH), Dr. Axel Jeremias Schmidt, dazu: „Insgesamt besteht bei den HIV-Neuinfektionen seit 2007 ein rückläufiger Trend. Dass die Zahl der Neuinfektionen im Vergleich zum Vorjahr gleichgeblieben ist, darf nicht über die gegenläufigen Trends in verschiedenen Gruppen hinwegtäuschen, die dringend unsere Aufmerksamkeit benötigen.“

Jeder Fünfte infiziert sich beim Drogenkonsum

Die jüngsten Zahlen würden dabei auch klar belegen, dass es mehr Einsatz im Bereich Drogenhilfe benötige, seit 2010 ist die Zahl der Menschen, die sich beim intravenösen Konsum von Drogen mit HIV infiziert haben, stetig angestiegen, zuletzt lag sie bei 320 Fällen binnen eines Jahres – das sind rund 18 Prozent aller Neu-Infektionen. Die höhere Zahl der HIV-Neuinfektionen bei intravenös Drogen konsumierenden Menschen falle dabei laut der DAH zusammen mit einem Rückgang der verteilten sterilen Spritzen vor Ort. In der Konsumutensilien-Erhebung des RKI gaben mehr als ein Drittel der Drogenhilfe-Einrichtungen an, dass ihr Budget nicht mehr für eine angemessene Versorgung ausgereicht habe. Hintergrund sei laut der DAH ein faktischer Rückgang der Finanzierung von Drogen- und Aidshilfeeinrichtungen.

Künftig höhere Fallzahlen aufgrund fehlender Finanzierung?

DAH-Vorstand Winfried Holz: „Die Vernachlässigung der Drogenhilfe in den Ländern und Kommunen wird sich in den nächsten Jahren in weiter steigenden Infektionszahlen niederschlagen und es werden wieder mehr infizierte Menschen ohne Diagnose bleiben. Unbehandelte Infektionen führen zu schweren Erkrankungen und weiteren Infektionen. Wir brauchen dringend eine solide Finanzierung!“ So sei eine Spritzenvergabe zur Reduktion von Infektionen mit HIV und den Hepatitis-Erregern HBV und HCV unerlässlich, auch die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt diesen Schritt.

PrEP-Versorgung verbessern

Positiv hat sich in der jüngsten Statistik gezeigt, dass sich weniger schwule Männer neu mit HIV infiziert haben, auch wenn sie mit rund 1.000 Fällen binnen eines Jahres noch immer der größte Faktor bei den Neu-Infektionen sind. Der Rückgang der HIV-Neuinfektionen bei schwulen Männern sei laut DAH dabei vor allem den frühen Diagnosen und früherer medizinischer Behandlung zu verdanken. Zum Thema PrEP will das RKI aufgrund der möglicherweise verzerrenden Datenlage durch ein anderes Kontaktverhalten von schwulen Männern seit der Covid-Pandemie noch keine abschließenden Aussagen treffen, stellte aber einmal mehr fest, dass es nach wie vor an einem flächendeckenden Angebot der PrEP in Deutschland mangele – diese Einschätzung teilen auch viele HIV-Fachärzte.

Angebotsmangel der PrEP

Obwohl die PrEP seit 2019 von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird, gäbe es auch laut der DAH in vielen Städten und Regionen nach wie vor Engpässe bei der Versorgung. Teilweise müssen Menschen lange Wartezeiten oder Fahrtwege in Kauf nehmen. „Wer sich vor HIV schützen will, darf nicht warten müssen, sondern muss schnell und leicht Schutz bekommen! Wir brauchen eine flächendeckende, unkomplizierte Versorgung mit dieser hoch wirksamen Schutzmethode. Das bedeutet vor allem: mehr Ärztinnen und Ärzte, die sie verschreiben. Das Potenzial der PrEP ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft, die Neuinfektionszahlen könnten weiter sinken“, so DAH-Vorstand Holz weiter.

Weiße Flecken auf der Landkarte

Die DAH spricht dabei von regelrechten “weißen Flecken auf der deutschen Landkarte“, wenn es um die Versorgung mit der PrEP geht. Das hängt laut der DAH auch damit zusammen, dass sich Ärzte aufwendig extra fortbilden lassen müssen, wenn sie die PrEP verschreiben wollen. Außerdem drohe der Wegfall der extrabudgetären Vergütung der PrEP-Versorgung, was noch mehr Ärzte davon abhalten könnte, die PrEP überhaupt anzubieten. Epidemiologe Schmidt noch einmal: „Es ist kontraproduktiv, Anreize für Ärztinnen und Ärzte aufzugeben, so lange noch eine Ausweitung der PrEP-Versorgung angezeigt ist. Es muss ihnen leichter gemacht werden, die PrEP zu verschreiben. Die PrEP-Versorgung können zum Beispiel auch Hausarztpraxen mit übernehmen. Die nötigen Fachkenntnisse lassen sich leichter erwerben als auf dem zurzeit vorgeschriebenen Weg.“ Und DAH-Vorstand Holz fordert abschließend auf den Punkt gebracht: „Alle, die PrEP brauchen oder wollen, müssen auch Zugang bekommen!“

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