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Erneut Kritik am medialen Umgang mit trans-Themen und Forderungen
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Meinungsdiktatur oder Vielfalt? Erneut Kritik am medialen Umgang mit trans-Themen und Forderungen

ms - 12.08.2022 - 09:30 Uhr

Die Debatte darüber, wie über die Belange der queeren Community in den überregionalen Medien berichtet wird, dürfte sich einmal mehr in diesen Tagen erhitzen – nachdem bereits mehrere Redakteure in den letzten Wochen den Axel-Springer-Verlag mit der Begründung verlassen hatten, sie würden gegängelt und dürften nicht mehr kritisch oder frei über Forderungen der trans-Community berichten, hat nun einer der renommiertesten Politikjournalisten der BILD und Leiter der Parlamentsredaktion, Ralf Schuler,  nach 28 Jahren ebenso das Handtuch geworfen. In einem Brief an Springer-Chef Mathias Döpfner und BILD-Chefredakteur Johannes Boie kritisiert er den “unkritischen Umgang des Konzerns mit der LGBTI*-Bewegung“ und eine “Richtungsentscheidung der Führungsetage, sich auf die Seite der Queer-Aktivisten zu schlagen.“

Die Debatte rund um die Frage, was kritischer Journalismus leisten muss, schwelt seit mehreren Wochen, angefangen mit einem Aufruf mehrerer Wissenschaftler in einem Gastbeitrag der Welt, die eine sachliche und kritische Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zum Thema Transsexualität forderten. Ihr Vorwurf war, dass oftmals zu einseitig und unkritisch beispielsweise über Transitionen berichtet werden würde und die lebenslangen gesundheitlichen Folgen nicht ausreichend benannt werden würden. Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, sprach mit Blick auf den Gastbeitrag von transbezogene Menschenfeindlichkeit. Im Zentrum dieses Streites steht auch das geplante Selbstbestimmungsgesetz, dass es ab 2023 Erwachsenen und Jugendlichen ab 14 Jahren mit Einwilligung der Eltern oder ansonsten via Beschluss des Familiengerichts erlauben soll, ohne psychologische Beratung oder medizinische Abklärung einmal im Jahr ihr Geschlecht ändern zu lassen und infolgedessen so vereinfacht mit einer medizinischen Behandlung beginnen zu können.

Die Kernfrage, die hier oftmals unterbewusst mitschwingt, ist, ob man als Mensch aus der LGBTI*-Community auch kritisch mit Ideen und Gesetzesvorgaben aus dem Bereich LGBTI* umgehen darf, oder ob jedweder Neuerung ungefragt zugestimmt werden muss. Im Fall des Welt-Zeitung und des Axel-Springer-Verlages sah sich Chef Mathias Döpfner nach hitzigen Debatten dazu genötigt, sich für die freie Berichterstattung aus dem eigenen Hause zu entschuldigen. Für den Politikjournalisten Schuler dürfte das wohl ein weiterer Tropfen gewesen sein, der das Fass schlussendlich zum Überlaufen brachte: „Axel Springer macht sich zum Banner-Träger einer Bewegung, die einen festen Gesellschaftsentwurf mit Sprach- und Schreibvorschriften anstrebt und glaubt, berechtigt zu sein, der Mehrheitsgesellschaft einen politischen Kanon bis hin zum Wechsel des Geschlechtseintrags oder Quotierungen diktieren zu können. Dass da nicht bei allen Demokratien die Alarmglocken läuten, verwundert mich bis heute. Es sind viele kleine Dinge, die sich hier zu einem unguten Bild formen“, so Schuler in seinem Schreiben, das dem Magazin Cicero exklusiv vorliegt. Schuler hatte auf Rückfrage die Echtheit des Schreibens bestätigt. Grundsätzlich bekräftigte Schuler dabei weiter: „Im Geiste Axel Springers treten wir selbstverständlich im besten freiheitlich-bürgerlichen Sinne für die Rechte des Einzelnen ein, diskriminierungsfrei zu leben, solange er niemandes Freiheit beschneidet. Das bedeutet aber ausdrücklich nicht, dass wir ´fest an der Seite der LGBTI*-Community im eisenharten Kampf für Menschenrechte und gegen Diskriminierung´ stehen, wie es ein stellvertretender BILD-Chefredakteur im täglichen Briefing dieser Tage schrieb. Vom stalinistischen Schwulst der Formulierung einmal abgesehen, stehe ich keiner politischen Bewegung ´fest zur Seite‘ und halte dies auch ganz grundsätzlich NICHT für die Aufgabe von Journalisten.“

Die Debatte wird auch nach Schulers Weggang weiter geführt werden. Mehrere LGBTI*- und trans-Verbände hatten zwischenzeitlich im Gegensatz von den Medien gefordert, nicht negativ über die trans-Community zu berichten und sinngemäß auch kritischen Stimmen wie beispielsweise Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer oder dem Münchner Facharzt für Geschlechtsdysphorie bei Jugendlichen, Dr. Alexander Korte, gar keine Plattform mehr zu geben. Das zog seinerseits erneut Kritik über das Verständnis von Pressefreiheit und der Aufgabe von kritischem Journalismus nach sich. Der Experte für Diversity und geschlechtersensible Gesundheitsversorgung, Autor und trans-Mann Till Randolf Amelung, hatte gegenüber SCHWULISSIMO dazu erklärt: „Eine Demokratie gibt auch Alice Schwarzer und Alexander Korte das Recht, ihre Sichtweise kund zu tun. Die Frage sollte vielmehr sein, ob es nicht plausible Gründe für einige der so plakativ herausgehobenen Personen gibt, sich entsprechend öffentlich zu äußern. Aber das soll wohl gezielt verunmöglicht werden. Ich werte dies als durchaus verzweifelten Versuch von Aktivisten, weil sie befürchten, dass ihnen die Felle davon schwimmen.“

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