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Polen führt EU abermals vor // © IMAGO / Heike Bauer

Polen führt EU abermals vor Bleibt die EU stark oder gibt sie den Winkelzügen Polens nach?

ms - 27.05.2022 - 13:15 Uhr

Das polnische Parlament beschloss jetzt im Streit um die Justizreform nach massivem Druck vor der Europäischen Union die Abschaffung der sogenannten Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof. Diese konnte zuletzt Richter bestrafen und entlassen und somit direkt auf die eigentlich unabhängige Rechtsprechung des Landes einwirken. Ein Sieg für die Demokratie und die Menschenrechte in Europa? Mitnichten.

Denn während das polnische Parlament die eine Kammer streicht, betonten die Politiker im gleichen Atemzug, dass eine neue Kammer gegründet werden solle, über deren Besetzung der Präsident des Obersten Gerichtshofs entscheidet. Zudem sollen auch Richter weiterhin auf ihre “Unabhängigkeit“ hin überprüft werden können – wobei die “Unabhängigkeit“ hier wohl eher als ein Synonym für “uneingeschränkte Staatstreue“ verstanden werden kann.

Die ersten Kritiker im Europäischen Parlament bemängelten so bereits, dass im Grunde wahrscheinlich nur die Disziplinarkammer umbenannt werden soll, um vordergründig die EU zu besänftigen.

Der Streit um die Justizreform dauert seit Jahren an und die Europäische Kommission hält deswegen neuerdings auch Milliardenhilfen für Warschau zurück. Die EU-Kommission hat die Auflösung der Disziplinarkammer dabei zu einer Grundvoraussetzung für die Freigabe von Corona-Hilfsgeldern in Höhe von rund 35 Milliarden Euro gemacht. Zudem hatte der Europäische Gerichtshof Polen Ende 2021 zu einer Zahlung eines Zwangsgeldes von einer Million Euro pro Tag verurteilt. Die Strafe hat sich inzwischen auf mehr als 200 Millionen Euro summiert.

Einmal mehr reagiert das Land nur nach massivem Druck und ändert seine demokratiefeindliche und auch immer wieder homophobe Rechtsprechung nicht wirklich. LGBTI*-Aktivisten hatten zuletzt leise Hoffnung geschöpft, da immer mehr Gerichte zuletzt im März Gemeinden verboten hatten, sich künftig weiter als „LGBTI*-freie Zone“ zu bezeichnen. Ein erstes Signal hin zu mehr Menschen- und LGBTI*-Rechten, die jetzt mit der Stärkung der tatsächlichen Unabhängigkeit der Gerichte weiter untermauert hätte werden sollen – aktuell sieht es aber eher danach aus, dass vor allem das polnische Parlament an der grundsätzlichen Politik nichts ändern will und nur durch Winkelzüge versucht, europäische Gelder zu bekommen.

Die polnische oppositionelle Abgeordnete Barbara Dolniak erklärte so auch kurz und knapp: "Dieser Gesetzesentwurf erfüllt nicht die Bedingungen der Europäischen Kommission.“

Wie das die EU sehen wird, könnte sich bereits nächste Woche zeigen, wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Besuch in Polen sein wird.

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