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Ist eine frühe Hormontherapie für trans-Kinder gut?

Rückenwind beim Selbstbestimmungsgesetz Ist eine frühe Hormontherapie für trans-Kinder gut?

ms - 13.01.2022 - 14:10 Uhr

Eine neue Studie aus Amerika legt den Schluss nahe, dass eine geschlechtsangleichende Hormontherapie, beginnend bereits bei Jugendlichen, langfristig zu einer besseren psychischen Gesundheit führen kann. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift PLOS One veröffentlicht und basiert auf Daten der 2015 vom National Center for Transgender Equality durchgeführten US-Transgender-Umfrage, bei der mehr als 27.000 Transmenschen im ganzen Land befragt wurden.

Verglichen wurden die psychischen Belastungen und Selbstmordgedanken von rund 12.000 Trans-Erwachsenen, die in der Jugend oder im Erwachsenenalter Zugang zu geschlechtsangleichenden Hormonen hatten, mit den Belastungen und Selbstmordgedanken von rund 9.000 Trans-Erwachsenen, die sich Hormone wünschten, aber nie welche bekommen hatten.

Die Wahrscheinlichkeit negativer Auswirkungen auf die psychische Gesundheit ginge bei Trans-Personen, die im Alter von 14 bis 17 Jahren Zugang zu geschlechtsbestätigenden Hormonen hatten, deutlich zurück, so die Studienergebnisse. Das Verabreichen einer Hormontherapie in jungen Jahren senke die Wahrscheinlichkeit von schweren psychischen Problemen um rund ein Drittel und verringere Selbstmordgedanken um die Hälfte. Der Hauptautor der Studie, Dr. Alex S. Keuroghlian, Direktor des National LGBTQIA+ Health Education Center am Fenway Institute, zeigt sich in einer Pressemitteilung euphorisch: "Diese Ergebnisse sprechen dagegen, bis zum Erwachsenenalter zu warten, um Transgender-Jugendlichen geschlechtsbestätigende Hormone anzubieten, und deuten darauf hin, dass dies die Patienten einem größeren psychischen Risiko aussetzen kann (…) Sie ergänzen auch die wachsende Evidenzbasis, die darauf hindeutet, dass eine Gesetzgebung, die den Zugang von Transgender-Jugendlichen zu geschlechtsangleichender medizinischer Versorgung einschränkt, zu negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit führt.“

Die neue Bundesregierung in Deutschland will mit dem neuen, geplanten Selbstbestimmungsgesetz für Transsexuelle genau diesen Schritt gehen. Das Verfahren einer Geschlechtsangleichung soll bürokratisch deutlich vereinfacht und kostenfrei werden, zudem sollen nach den Wünschen von Bündnis 90 / Die Grünen Kinder eigenverantwortlich bereits ab dem 14.Lebensjahr über eine Geschlechtsangleichung und Hormontherapie entscheiden dürfen.

Klar ist, dass das bisherige Transsexuellengesetz in seiner derzeitigen Form so nicht mehr zeitgemäß und diskriminierend ist – eine Tatsache, die immer wieder auch vom Bundesverfassungsgericht kritisiert wurde. Einer der zentralen Streitpunkte beim künftigen Selbstbestimmungsgesetz dürfte nun aber genau in der Frage liegen, ab welchem Alter Minderjährige solche massiven und teilweise nicht mehr veränderbaren Eingriffe in den eigenen Körper allein bestimmen dürfen. Es bleibt abzuwarten, wie die Debatten im Deutschen Bundestag zum neuen geplanten Selbstbestimmungsgesetz ablaufen werden.

© mheim3011
© mheim3011/Quelle iStock

Kritik an dem Selbstbestimmungsalter mit 14 Jahren gibt es vehement und das nicht nur aus der konservativ bis politisch-rechten Ecke. Auch Juristen und Ärzte sehen einige Punkte äußerst kritisch. Es bleibt zu hoffen, dass die Debatte über das neue Gesetz mit Respekt gegenüber allen Seiten geführt wird, auch gegenüber Kritikern, die aktuell gerne schnell einmal als transphob abgestempelt werden.

Ein weiterer Aspekt, den es zu bedenken gilt, ist die Tatsache, dass 14jährige Kinder mitten in der Pubertät stecken. Die Befürchtung einiger Kritiker ist, dass es aktuell zwar im Trend sei, queer zu sein, viele dieser Menschen aber im Erwachsenenalter eine Neu-Definition ihrer Sexualität vornehmen könnten und dann ihren frühen Schritt hin zu einer Hormontherapie bedauern würden. Die Bedenken werden untermauert durch eine Umfrage des Hamburger Meinungsforschungsinstituts Ipsos vom Juni 2021: Demnach definiert sich gerade in der jungen Generation Z (1997+) rund jeder fünfte Jugendliche als queer – in keiner bisherigen Generation war die Zahl so hoch. Wann die politischen Debatten und die Gesetzabstimmung zum Selbstbestimmungsgesetz konkret kommen sollen, ist noch unklar. Die Ampel-Koalition hat aber bereits Anfang 2022 mit den ersten Beratungen dazu begonnen.

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