Schwule haben eine Entwicklungsstörung! Finnische Abgeordnete steht wegen Homophobie vor Gericht
Die finnische Abgeordnete Päivi Räsänen steht seit dieser Woche wegen Volksverhetzung vor Gericht. Immer wieder hatte die Politikerin in den letzten Jahren gegen Schwule gehetzt und queere Lebensweisen beleidigt. So behauptete sie, „sündige“ Schwule hätten eine Entwicklungsstörung und deutete an, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen zu sexuellem Missbrauch führen würden. Ferner bezeichnete sie Homosexualität als "genetische Degeneration" und wetterte weiter gegen alle LGBTI*-Menschen, die in ihren Augen „Schande und Sünde“ seien.
Gegenüber dem Gericht beteuerte die streng gläubige Christin, Mutter von fünf Kindern und Großmutter von sechs Kindern ihre Unschuld. Für ihre zumeist streng gläubigen Anhänger soll hier ein Präzedenzfall gegenüber Christen geschaffen werden, „nur“ weil Räsänen Bibelverse zitiert hätte. Die Politikerin und ihre Familie sind in Finnland zudem keine Unbekannten – ihr Ehemann ist Pastor der lutherischen Kirche, ein langjähriges Mitglied des Parlaments und ehemaliger Innenminister. Räsänen ist in der siebten Wahlperiode Mitglied des finnischen Parlaments, zudem die ehemalige Vorsitzende der Christdemokraten und war ebenso Innenministerin. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters betonte sie: "Ich fühle mich sehr verantwortlich, denn ich bin mir bewusst, dass dieser Fall für die Rede- und Religionsfreiheit von historischer Bedeutung ist.“ Räsänen erklärte weiter, dass sie sich auch zukünftig für ihren Glauben einsetzen werde und sich nicht den Mund verbieten lassen wolle.
Kerttu Tarjamo, der Direktor von Seta, einer Gruppe für LGBTI*-Rechte in Finnland, schrieb auf Twitter: „Sowohl die Meinungsfreiheit als auch die Religionsfreiheit sind wichtige Freiheiten. Genauso wichtig ist das Recht auf Nichtdiskriminierung. Die Meinungs- und Religionsfreiheit schützt keine Aktivitäten, die die Rechte oder Freiheiten anderer verletzen. Diese Freiheiten dürfen nicht als Rechtfertigung für die Diskriminierung einer Gruppe von Menschen dienen!“ In einem Statement ergänzte er dann: „Die Diskriminierung von LGBTI*-Menschen kann nicht mit kulturellen, traditionellen oder religiösen Werten gerechtfertigt werden.“
Sateenkaari-ihmisiin kohdistuvaa syrjintää ei voi oikeuttaa vetoamalla kulttuurisiin, perinteisiin tai uskonnollisiin arvoihin tai “vallitsevan kulttuurin” sääntöihin totesivat eurooppalaiset valtiot vuonna 2010. #yhdenvertaisuus #hlbtiqa #vihapuhe 1/5
— Kerttu Tarjamo (@tarjamo) January 24, 2022
Der finnische Generalstaatsanwalt hat insgesamt drei Anklagen gegen die Politikerin erhoben, dabei geht es auch um „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft sind die Aussagen von Räsänen diskriminierend gegenüber Minderheiten. Bei einer Verurteilung könnte die Politikerin bis zu zwei Jahre Haft erwarten. Wahrscheinlicher ist aktuell aber eine Geldstrafe. Wann genau das Urteil gesprochen wird, steht noch nicht fest.
Der Ausgang wird weit über die Grenzen des kleinen Landes hinaus auch deswegen mit Spannung erwartet, weil es eine Signalwirkung für ganz Europa haben kann – immer wieder berufen sich christliche Hardliner auf ihre Religionsfreiheit, wenn sie sich diskriminierend und abwertend gegenüber queeren Menschen äußern. Finnland ist seit 1995 Mitglied der Europäischen Union und hatte auch mehrfach die EU-Ratspräsidentschaft inne. Auch deswegen kann dieses Urteil mehr sein als eine rein nationale Entscheidung. Finnland gilt als aufgeschlossenes Land in der EU, die Ehe für Homosexuelle ist seit 2017 möglich.