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Streit um Dyke March Hamburg

Streit um Dyke March Hamburg „Hat sich in ganz Hamburg keine lesbische Frau gefunden, um die Rede zu halten?“

ms - 04.08.2022 - 11:30 Uhr

Einmal mehr gibt es zwischen Lesben und trans-Aktivisten Streit im Umfeld eines Dyke-Marsches, einer Demonstrationsveranstaltung für lesbische Frauen. Dieses Mal schwelt der Streit bereits im Vorfeld der eigentlichen Veranstaltung in Hamburg. Die BILD-Zeitung spricht dabei bereits von einem “Riesen-Zoff“, von Vielfalt und Toleranz sei hinter den Kulissen der Pride-Week in der Hansestadt nicht viel zu spüren.

Im Mittelpunkt der Debatte steht die trans-Politikerin Tessa Ganserer – die polarisierende Bundestagsabgeordnete der Grünen ist beim Dyke-March am Freitag als Rednerin eingeladen. Dabei häuften sich in den letzten Tagen bis heute immer mehr die Kritiken von Lesben und Frauenschutzorganisationen, die den Redebeitrag der Grünen-Politikerin als unpassend empfinden: „Hat sich in ganz Hamburg keine lesbische Frau gefunden, um die Rede auf dem Marsch für Lesben zu halten?“, fragt beispielsweise die Frauen-Gruppe WDI Germany, die an anderer Stelle auch direkt die Veranstalter des Dyke March angreifen: „Merken die Dyke-Marsches denn nicht, woher immer ihr Applaus kommt? Von Männern, die sich als Frau/Lesbe ausgeben. Warum unterstützen sie Männer mehr als Lesben?“ Auf den Vorwurf, diese Äußerungen seien transphob, entgegnete die Gruppe: „Die Tatsache, dass Lesben Nein zu Männern in ihren Räumen, ihren Veranstaltungen und in ihrem Bett sagen, gilt so manchen schon als menschenfeindlich oder fanatisch. Diese Haltung findet sich leider auch in etablierten Frauen/Lesben-Organisationen auf dem Dyke-March.“ Eine andere Frau gibt online zudem zu bedenken: „Darüber hinaus würde mich interessieren, ob ihnen bewusst ist, dass sie an junge homosexuelle Frauen das Signal senden: Du kannst dem Penis nicht entkommen.“ Hintergrund sind Aussagen von Tessa Ganserer, dass der Penis nicht per se ein männliches Geschlechtsteil sei. Ganserer ist sowohl biologisch wie auch rechtlich bisher ein Mann, definiert sich selbst aber als Frau. Über die Frauen-Quotenregelung der Grünen zog sie Ende 2021 als Abgeordnete in den Deutschen Bundestag ein.

Die Veranstalter des Dyke Marchs in Hamburg erklärten indes, sie dulden keine menschenverachtenden Kommentare – weitere Vertreter im Umfeld der Veranstaltung bekundeten zudem, dass ein Streit um die Causa Ganserer gar nicht erst als Diskussionsangebot wahrgenommen werde. Auch der Lesben- und Schwulenverband Deutschland bekräftigte die Position der Hamburger Veranstalter. Das Netzwerk Dyke March Germany erklärte: „Dykes* sind FLINT*A, das meint Frauen, Lesben, Inter*, Nonbinär, Trans*, Agender Personen, die sich dem lesbischen und/oder queeren Spektrum zugehörig fühlen. ´Dyke´ war eine Beleidigung für Lesben. Der Begriff wurde emanzipatorisch umgedeutet und als empowernde Selbstbezeichnung reclaimed.“ Einige lesbische Frauen auf Twitter sprechen dagegen von einem “Verrat“ an der Sache, eine davon schreibt: „Man stelle sich vor, ein Weißer in Blackface, Bananenröckchen und Kokosnussschalen-BH würde auf einer Demo von Afrodeutschen in deren Namen sprechen und darauf bestehen, dass er als BPoC wahrgenommen und akzeptiert wird.“

Der Streit innerhalb der lesbischen Community ist jüngst auch bei Hamburgs Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) angekommen, sie bekräftigte jetzt gegenüber der BILD: „Volle Solidarität mit Tessa Ganserer! Die Art und Weise der Diskussion, insbesondere in den sozialen Medien, ist verstörend und zerstörerisch. Hatespeech bis hin zu Morddrohungen sind leider nach wie vor eine traurige Realität für eine Vielzahl von Menschen.“ Sie erklärte weiter, dass der Dyke-Marsch von Beginn an trans-inklusiv geplant gewesen sei und hoffe auf eine friedliche Veranstaltung. In diesem Sommer war es immer wieder zu Anfeindungen und Streitigkeiten auf mehreren Dyke-Märschen gekommen, zuletzt eskalierte die Situation in Köln Anfang Juli, als mehrere queere Aktivisten und Ordnerinnen der Demonstrationen handgreiflich gegenüber einigen lesbischen Demonstrantinnen geworden waren, die mit Transparenten ( “Lesbe, homosexuell nicht queer“) auf die ursprüngliche Definition von Lesben hinweisen wollten. Mehrere Videos hatten die Ausschreitungen festgehalten, die Polizei Köln ermittelt aktuell in dem Fall. 

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