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Trans-Frau spricht Ganserer Trans-Identität ab // © PersiaX

Trans-Frau spricht Ganserer Identität ab Streit um trans-Frau der Grünen entfacht erneut

ms - 08.03.2022 - 11:15 Uhr

PersiaX ist eine junge trans-Frau und eine äußert erfolgreiche You-Tuberin mit rund sechs Millionen Aufrufen. Vor wenigen Tagen hat sie ein neues Video über den Fall Ganserer hochgeladen, das seitdem viel Zuspruch aus der trans-Community bekommt und im direkten Gegensatz zu vielen Aussagen aus der LGBTI*-Community steht. PersiaX beginnt ihr Statement auch eher ungläubig mit den Worten: „Ich wundere mich sehr darüber, warum nicht viel mehr andere darüber sprechen.“

Was war geschehen?

Tessa Ganserer definiert sich als trans-Frau und kam über die Frauenquote der Grünen bei der Bundestagswahl 2021 in den Bundestag. An dieser Tatsache entfachte sich in den vergangenen Wochen immer wieder eine heftige Diskussion. In einem Artikel der Zeitschrift Emma wurde darüber berichtet, dass Ganserer bis heute eine biologische oder rechtliche Angleichung ihres Geschlechts verweigert, weil sie die Prozedur inklusive Gerichtsentscheid und zweier zuvor erstellten, bis heute nötigen psychologischen Gutachten ablehnt.

Nach aktuell geltendem Recht ist Ganserer also ein Mann, so die These. Erst mit dem geplanten neuen Selbstbestimmungsgesetz, das bis zum Sommer in einem ersten Schritt konkretisiert sein soll, könnte sich dieser Zustand ändern. Geplant ist, dass eine Geschlechtsänderung künftig ohne Gutachten oder Gericht möglich sein wird.

Die Emma berichtete in diesem Zusammenhang auch über die Initiative „Geschlecht zählt“, die Einspruch gegen die Wahl Ganserers eingelegt hatte. Kurz darauf nahm sich die stellvertretende AfD-Bundessprecherin Beatrix von Storch der Sache an und polterte im Bundestag gegen Ganserer. Was folgte, war eine Welle des Entsetzens, quer durch mehrere Parteien hindurch. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann bezeichnete die Aussagen der AfD-Politikerin als „niederträchtig, bodenlos und zutiefst menschenverachtend.“

Klar ist, die Empörungswellen schlagen in diesem Fall schnell hoch und auf beiden Seiten des argumentativen Spektrums fühlt man sich oftmals unverstanden und angegriffen.

Spannend ist die Frage, was nun trans-Frauen selbst zur Causa Ganserer sagen? Im, gerade viral gehenden YouTube-Video von trans-Frau PersiaX positioniert sich diese klar gegen Ganserer und bekommt dabei viel Zustimmung in den Kommentaren von anderen trans-Frauen und biologischen Frauen. Dabei betreibt die junge Influencerin das sogenannte Deadnaming und nennt Ganserer mehrfach mit ihrem alten, männlichen Vornamen. PersiaX wird dabei allerdings nie beleidigend, sondern versucht aus Sicht einer trans-Frau zu erklären, warum sie Ganserer für keine trans-Person hält.

Zunächst greift sie dabei die Kritik auf, die psychologischen Gutachten seien menschenunwürdig, weil auch sexuell intime Fragen gestellt werden – für die junge trans-Frau eine logische Tatsache, denn immerhin muss durch diese Gutachten festgestellt werden, dass es sich wirklich um eine Transsexualität handelt und die betroffene Person einen Leidensdruck sowie eine Geschlechtsdysphorie erlebt. PersiaX hat diese medizinischen Untersuchungen selbst mitgemacht:

„Ganserer findet das sehr demütigend, weil man dort auch Fragen gestellt bekommt, bezogen auf seine Sexualität. Und weil er ja nun mal ein heterosexueller Mann ist, der auch schon Kinder in die Welt gesetzt hat, weiß er wahrscheinlich auch, dass das ein Ausschlusskriterium sein kann. Ich weiß, dass Sexualität und Geschlechtszugehörigkeit zwei verschiedene Dinge sind. Bei einer transsexuellen Person, die unter einer Geschlechtsdysphorie leidet, ist es aber fragwürdig, wenn du eine Frau oder jemanden mit deinen männlichen Geschlechtsteilen befriedigen kannst und Kinder zeugen kannst, aber gleichzeitig auch vorgibst, eine transsexuelle Frau zu sein, der es wichtig ist, auch rechtlich eine zu sein.“

Ganserer kommt nicht zur Ruhe // © IMAGO / Political-Moments

PersiaX bezieht sich dabei immer wieder auch auf Interviews, die Ganserer in den letzten Jahren gegeben hat – explizit auf ein Interview von 2021 in der taz. Dort sagte Ganserer:

„Ein Penis ist nun mal nicht per se ein männliches Genital. Es gibt halt auch Frauen, die einen Penis haben. Und es gibt Männer, die können ein Kind gebären. Und das ist unser gutes Recht. Ein Recht, das uns die Politik jahrzehntelang verwehrt hat, das uns aber das höchste Gericht in diesem Land längst zugesprochen hat.“ Im weiteren Verlauf erklärt Ganserer dann, dass sie wenig Lust habe, sich auf den OP-Tisch zu legen:  „Ich wäge da tausendmal ab. Brauch’ ich das für mich? Oder nur, um es dieser Gesellschaft leichter zu machen?“

Diese Unentschlossenheit kann PersiaX nicht verstehen und sieht es als ein klares Anzeichen dafür, dass Ganserer keine trans-Frau ist:

„Eine transsexuelle Person erlebt etwas, das nennt sich Geschlechtsdysphorie und das bedeutet, dass du deine Geschlechtsmerkmale nicht annehmen kannst. Die meisten empfinden die stärkste Geschlechtsdysphorie anhand dessen, was andere Menschen auf den ersten Blick sehen können – also das Gesicht, die Stimme, die Körpergröße oder die Statur. Für viele trans-Frauen ist der Penis die absolut schlimmste Stelle am Körper, weil es halt ein klares, männliches Genital ist. Eine transsexuelle Person, die auch in der Tat transsexuell ist und an dieser Geschlechtsdysphorie leidet, stellt sich nicht die Frage: Für wen mache ich diese OP überhaupt? Du machst diese OP für dich selber, damit du deinen Körper annehmen kannst und damit sich deine Lebensqualität steigert (…) Keine transsexuelle Frau, die eine Geschlechtsdysphorie hat, sagt: ´Mein Penis ist ja nicht unbedingt ein männliches Genital – auch Frauen haben Penisse.´ Eine Frau ist ein Mensch mit weiblichen Sexualorganen. Ein Mann ein Mensch, der diese nicht hat. Und Transsexualität ist eine Diagnose. Und diese Personenstandsänderung ist extrem wichtig für transsexuelle Menschen.“

Im weiteren Verlauf bringt die You-Tuberin dann den sogenannten transvestitischen Fetischismus ins Gespräch – eine Form des sexuellen Fetischismus, bei dem das Tragen von Bekleidung des anderen Geschlechts als Objekt der Erregung dient. Überwiegend ist dieser transvestitische Fetischismus bei heterosexuellen männlichen Personen zu finden und zeichnet sich durch eine Vorliebe für Kleidungsstücke wie Nylonstrümpfe oder High-Heels aus. Auch das Cross-Dressing spielt eine besondere Rolle. PersiaX dazu:

„Auf Ganserer trifft halt so einiges zu. Er ist ein heterosexueller Mann, der kein Problem mit seinem Penis hat, der kein Problem mit seinen Geschlechtsmerkmalen hat und sich als Frau verkleidet. Transvestiten sind Männer, die sich als Frauen verkleiden. Die finden es schön, sich als Frau zu verkleiden. Und das hat Ganserer auch noch vor ein paar Jahren gemacht. Er hat sehr oft hin und her gewechselt, also einfach Cross-Dressing betrieben. Und das auf eine Weise, die einen nun einmal glauben lässt, dass es sich hier um transvestitischen Fetischismus handelt. Er ist halt einfach keine trans-Frau.“

 

Abschließend fasst die trans-Influencerin dann zusammen:

„Es ist natürlich unfair, dass ein Mann, der ein Leben lang auch als Mann die Karriereleiter hochgeklettert ist, und sich jetzt als Frau verkleidet und sagt, dass er eine Frau ist, über die Frauenquote in den Bundestag einzieht und für trans-Frauen oder Frauen allgemein spricht. Diese Aussage, man könne einfach sagen, man ist eine Frau und dann ist man diese auch, das ist halt einfach crazy. Und ich denke auch nicht, dass irgendjemand aus dieser ganzen linken Extrem-Bubble das wirklich glaubt oder für fair hält.“

Das Video haben inzwischen fast 50.000 Zuschauer gesehen, es gibt hunderte Kommentare, viele darunter von trans-Frauen und Frauen, die dem rund zehnminütigen Statement von PersiaX zustimmen.

Eine Userin schreibt: „Heutzutage wird alles Mögliche akzeptiert und toleriert, ohne irgendwas zu hinterfragen. Frauen werden ausradiert durch Männer, die sich verkleiden und Transsexuelle werden nicht mehr ernstgenommen, weil auf einmal jeder "Trans" ist.“

Besonders oft wird auch von einigen Personen auf die psychologischen Gutachten eingegangen: „Bei anderen medizinischen Diagnosen lässt man den Patienten ja auch nicht selber entscheiden, ob er sich danach fühlt, diese zu haben oder aber ob sie diagnostiziert wurde“ oder „Ich glaube, viele Menschen wissen auch gar nicht, was psychologische Gutachten/Testung ist. Auch bei anderen Gutachten zu verschiedensten Diagnosen werden solche unangenehmen Fragen gestellt, da geht es auch oft um die Reaktion auf diese Fragen. Einfach zu sagen ´Willst du eine Frau sein? - Ja!´ - wie viele Fehldiagnosen hätten wir dann?“

PersiaX hat übrigens sowohl die medizinischen Gutachten, wie eine OP wie auch die rechtliche Personenstandänderung durchgeführt. Ihr zur Seite bei diesem Statement springt dann auch die trans-Frau Bianca, die schreibt:

Ich, als transsexuelle Frau post-OP, gebe dir vollkommen Recht. Dankeschön für die Klarstellung. Wie so oft, 100% deiner Meinung! Du sprichst aus. was viele sich nicht trauen, weil man gleich als transphob, homophob, rechts bezeichnet wird.“

Klar ist, dass wahrscheinlich nicht alle trans-Frauen den Aussagen der jungen You-Tuberin zustimmen würden, doch zeigt sich online derzeit eine klare Verteilung hin zu dem Statement von PersiaX, welches die Debatte wahrscheinlich ein weiteres Mal in der LGBTI*-Community befeuern dürfte.

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