Rico Ullmann und Kathrin Tablack "Das queere Zentrum bietet allen ein gemeinsames Dach"
Die Realisierung eines Queeren Zentrums steht schon länger auf der Tagesordnung der LGBTI*-Community in Wiesbaden. Mit der Gründung eines Trägervereins ist die queere Community der Stadt nun einen großen Schritt auf dem Weg dorthin vorangekommen: Rund 35 Personen waren bei der Gründungsversammlung in den „Treffpunkt Aktiv“ gekommen, von denen 28 Einzelpersonen sowie die Vertreter von fünf Gruppen die Satzung zur Vereinsgründung unterschrieben. „Wir sind unsagbar glücklich, dass wir diesen Schritt geschafft haben“, erklärte Rico Ullmann, der jetzt den dreiköpfigen geschäftsführenden Vorstand anführt. „Damit haben wir endlich die notwendigen Ansprechpartner*innen für Politik und Verwaltung, queer-freundliche Akteur*innen und Organisationen in der Stadt.“
Neben Ullmann gehören Adrian Beilke-Ramos als Finanzbeauftragter und Franziska Kunsmann als Schriftführerin dem geschäftsführenden Vorstand an. Darüber hinaus wurden Kathrin Tablack (AIDS-Hilfe), Peter Hofacker (proFamilia), Manuel Wüst und Lukas Fachinger (Warmes Wiesbaden) zu Beisitzenden gewählt.
SCHWULISSIMO sprach mit Rico Ullmann und Kathrin Tablack über das queere Zentrum in Wiesbaden.
Was ist das Ziel und Angebot des queeren Zentrums?
Das queere Zentrum soll Anlaufpunkt und Zuhause für die Wiesbadener LGBTI* Community und deren Freund*innen sein. Ein Ort, an dem man in erster Linie einfach zusammenkommen und in Austausch kommen kann. Ergänzen wollen wir das mit einem breiten Angebot an Veranstaltungen, Beratungen und Selbsthilfegruppen. Wir wissen außerdem von anderen queeren Zentren, dass mit der Eröffnung eines solchen Bedürfnisse und Wünsche erst richtig sichtbar werden.
Für wen ist das queere Zentrum?
Kurz gesagt: Für alle, die nicht gegen uns sind. Natürlich sprechen wir vorrangig queere Menschen an, dazu deren Freund*innen und Familien. Aber auch Allys und Interessierte sind jederzeit willkommen. Langfristig streben wir die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe an.
Wiesbaden hat bereits queere Angebote und Ansprechpartner. Wie unterscheidet sich das queere Zentrum von diesen? Oder anders gefragt – warum braucht es ein queeres Zentrum in Wiesbaden?
Wir haben viele tolle Angebote in Wiesbaden. Doch abgesehen von den hauptamtlichen Einrichtungen wie der Aidshilfe, Pro Familia oder der Jugendkirche KANA haben die anderen Vereine und Gruppierungen keine Räume. Das queere Zentrum bietet allen ein gemeinsames Dach, erleichtert Vernetzung und bündelt Ressourcen.
Im Doppelhaushalt 2022/23 sind 300.000 Euro vorgesehen. Das klingt erstmal nach einer Menge Geld – wie wird es investiert?
Mit so großen Summen hantiert man als neu gegründeter Verein tatsächlich nicht so häufig. Die Summe basiert auf einem Finanzplan, in dem u.a. zwei feste Stellen für pädagogisches Personal vorgesehen sind. Ein größerer Teil ist auch für Anschaffungen und ggf. Renovierungsarbeiten vorgesehen. Dazu kommen noch Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit und Nebenkosten. Da kommt schnell einiges zusammen.
Momentan wird noch nach einer Immobilie gesucht, auf was wird alles bei dieser Immobilie geachtet?
Das Zentrum soll für alle gut erreichbar sein. Die großen Wiesbadener Stadtteile mit einer guten ÖPNV-Anbindung sind dadurch unsere erste Wahl. Den Initiator*innen des Zentrums ist zudem wichtig, dass die Immobilie barrierearm und damit für alle zugänglich ist.
Wir benötigen die Möglichkeit Beratungsangebote in kleineren Räumen anzubieten sowie größere Räume für Veranstaltungen, Treffen von Arbeitsgruppen oder Kooperationsangeboten. Falls wir mehr Raum haben, wollen wir mit anderen Kultur- oder Kunstangeboten kooperieren und gemeinsame Angebote machen.
Wann wird das queere Zentrum in Wiesbaden „einsatzbereit“ sein?
Die große Eröffnung peilen wir für 2023 an. Bis dahin haben wir unsere endgültige Immobilie bezogen, eventuell renoviert und eingerichtet. Übergangsweise suchen wir aktuell nach einer kleineren Immobilie, in der wir schon einmal eine Art Kommandozentrale einrichten werden. So können wir auch schon mit ersten Angeboten starten. Das sollte in den nächsten Monaten machbar sein.
Für die Realisierung des queeren Zentrums wurde ein Trägerverein gegründet. Was sind die Vorteile durch den Verein?
Ohne die Eintragung und Anerkennung als gemeinnütziger Verein kann keine Förderung des Projekts erfolgen. Die Politik und Verwaltung müssen sicherstellen, dass Haushaltsgelder auch für das Zentrum verwendet werden. Zudem gibt es mit der Gründung nun einen Vorstand der Verantwortung übernimmt und im Sinne des Vereins Entscheidungen treffen kann.