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NRW-Wahl aus queerer Sicht // © IMAGO / Sven Simon

NRW-Wahl aus queerer Sicht Wird die Wahl ein Siegeszug für die Grünen?

ms - 10.05.2022 - 10:00 Uhr

Etwa 18 Millionen Menschen wählen am kommenden Sonntag einen neuen Landtag in Nordrhein-Westfalen. Rund ein Viertel aller Deutschen leben in dem Bundesland, dass zudem auch die queeren Hochburgen Köln und Düsseldorf beheimatet – die Wahl dürfte also gerade auch für LGBTI*-Menschen durchaus von Interesse sein.

Zudem ist das Bundesland auch von historischer Bedeutung: In der NRW-Stadt Münster kam es 1972 zu den ersten homosexuellen Demonstrationen in ganz Deutschland. CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat erst vor wenigen Tagen in einem feierlichen Akt mit Zeitzeugen die Besonderheit dieser Tatsache für das Bundesland wie auch für die ganze Bundesrepublik hervorgehoben.

 

Allein in den beiden großen queeren Epizentren in NRW leben realistisch geschätzt mehr als 120.000 queere Menschen – auch wenn manch einer anmerken würde, dass allein die rund 1,1 Millionen Einwohner Kölns mit Sicherheit mehrheitlich nicht heterosexuell sind. Zur politischen Orientierung und persönlichen Einschätzung hat der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) nun auch seine Wahlprüfsteine zur wichtigen Landtagswahl am 15. Mai herausgegeben. In acht Themenfeldern werden dabei die Positionen und das Engagement der einzelnen Parteien mit Bezug auf die LGBTI*-Community beleuchtet.

Dazu zählen neben einem Aktionsplan und der allgemeinen Förderung von Vielfalt und Respekt auch der Einsatz gegen Hasskriminalität, die Stärkung der Regenbogenfamilien, mehr Vielfalt an den Schulen und eine Steigerung der Diversität im Gesundheitswesen sowie auch aktive Förderung von queeren Geflüchteten sowie LGBTI*-Jugendlichen und älteren Menschen im Sport.

Das erste Resümee des LSVD: „Bei den Antworten haben die Grünen eine sehr große Übereinstimmung mit unseren Forderungen. Auch die Linke, die SPD und die FDP schneiden hier gut ab. Allerdings haben sie teilweise die wichtigen Fragen zu einem Landesantidiskriminierungsgesetz (SPD und FDP), sowie zu hauptamtlichen Ansprechpartnern bei Polizei und Justiz (Linke und FDP) nicht beantwortet.“

 

Die letzten Umfragen wie beispielsweise beim ZDF Politbarometer deuten ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der regierenden CDU mit Ministerpräsident Wüst und der SPD mit Spitzenkandidat Thomas Kutschaty an – beide Parteien stehen derzeit bei knapp 30 Prozent der Wählerstimmen. Stark präsentieren sich aktuell die Grünen mit rund 18 Prozent – ein deutlicher Zuwachs im Vergleich zur letzten Landtagswahl 2017.

Zu einem Debakel könnte die Wahl dagegen für die FDP werden – während die Partei aktuell noch in der Regierung vertreten ist, zeigen die Umfragen beinahe eine Halbierung der Wählerstimmen an.

 

Nach aktuellem Stand bedeutet das, dass die aktuelle schwarz-gelbe Regierung in der bisherigen Form abgewählt werden würde. Laut ZDF Politbarometer werden die Grünen höchstwahrscheinlich künftig ein Teil der neuen Regierung werden – fraglich ist noch, ob mit der SPD oder der CDU. In puncto CDU stellt der LSVD mit Blick auf LGBTI* weiter fest: „Bei der CDU gibt es, außer der Zustimmung zu der Ergänzung von Artikel 3 Grundgesetz, nur vage oder keine Antworten. Das ist, trotz des positiven Grundtenors, arg wenig.“ Ministerpräsident Wüst ist allerdings auch erst seit Oktober 2021 als Nachfolger von Armin Laschet im Amt.

Etwa auf gleichem Level pendelt sich bei rund sieben Prozent der Stimmen scheinbar die rechte AfD ein. Die Partei lehnt die Forderungen des LSVD sowohl im rechtlichen als auch im gesellschaftlichen Bereich weitestgehend ab. In den letzten Wochen war die Partei vermehrt aufgefallen, weil sie scheinbar versucht, die LGBTI*-Community als neues Feindbild aufzubauen – ein Versuch, der mit Blick auf die aktuellen Prognosen höchstwahrscheinlich scheitert. Die Partei Die Linke wäre mit derzeit drei Prozent der prognostizierten Wählerstimmen nicht im Landtag vertreten. 

 

LGBTI*-Politik kam auch in den aktuellen TV-Debatten zudem praktisch nicht vor, sodass für queere Menschen tatsächlich nur die Wahlprüfsteine als Anhaltspunkte Verwendung finden können. Arnulf Sensenbrenner vom Landesvorstand des LSVD in Nordrhein Westfalen: „Die Antworten der Parteien zeigen deutlich, ob und wie sie sich konkret für die Anliegen und Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans-, intergeschlechtlichen und queeren Menschen einsetzen wollen. Die Frage zu einem Landesantidiskriminierungsgesetz wurde nur von Grünen und Linken eindeutig bejaht. Wir erwarten auch von den anderen Parteien, die sich dazu nicht geäußert hatten, dass sie die Wichtigkeit erkennen und dies unterstützen werden. Zu der äußerst wichtigen Frage nach hauptamtlichen LGBTI*-Ansprechpersonen bei der Polizei und Justiz und zu Schwerpunktstaatsanwaltschaften gab es leider wenig konkrete Antworten.“

Eine Besonderheit zeichnet sich in dem Bundesland zudem ab: Alle Parteien mit Ausnahme der AfD haben sich klar für eine Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal der sexuellen Identität ausgesprochen – mit Blick auf die CDU ist das im Vergleich zu den bisherigen Statements aus anderen Bundesländern tatsächlich ein Novum. Noch ist allerdings offen, ob die Stimmen aus NRW ausreichen würden, um die benötigte Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag für eine Änderung des Grundgesetzes mit zwingender Unterstützung der CDU tatsächlich zu erreichen.  

 

Weitere Aspekte, die der LSVD mit Blick auf Nordrhein-Westfalen hervorheben will: „Die Fortschreibung des Aktionsplans ´Ìmpulse 2020 - queeres Leben´, die Stärkung queerer Selbsthilfe, das aktive Eintreten gegen Hasskriminalität sowie die Sensibilisierung und Fortbildung in Polizei und Justiz werden weitgehend unterstützt. Dies muss sich auch in konkreten Maßnahmen niederschlagen. Auch die Stärkung von Regenbogenfamilien, das Thema Respekt und Vielfalt in Bildung und Schule, mit inklusiven Unterrichtsmaterialen und verbindlichen Lehrplänen für alle Schulen ist wichtig.“ Zuletzt wirft der Verein auch und gerade in Zeiten der Pandemie einen Blick auf das Gesundheitswesen des Landes: „Das Personal im Gesundheitswesen und in der Pflege muss für queere Themen sensibilisiert werden und dies muss in der Aus- und Fortbildung verankert werden. Dem breiten Konsens hierzu müssen Taten folgen und Zugangsbarrieren zu medizinischer und psychischer Hilfe für trans- und inter-Menschen müssen abgebaut werden.“

 

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