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Kamasutra // © DPLight

Kamasutra Philosophie und Penetration

rb - 29.04.2019 - 07:00 Uhr

Viel zu kurz greift, wer dieses Werk aus Indien mit einem Sex-Atlas verwechselt. Um das Jahr 250 setzte sich der keusche Vatsyayana Mallanaga hin und schrieb seine Vorstellungen von einer geglückten Beziehung zwischen den Geschlechtern auf. Es ist keine religiöse Schrift, die der weise Mann da formulierte, sondern eher eine Anleitung zur harmonischen Lebensgestaltung. Und dazu gehörte für ihn auch die Sexualität. Übersetzt wurde es erstmals 1897 ins Deutsche, wobei die einschlägigen Begriffe etwas verschämt lateinisch umschrieben wurden. Bald war es ein Geheimtipp unter Studenten zum Aufpeppen des Liebeslebens. Aber nicht der Text war der Skandal, sondern die altorientalischen Darstellungen der kopulierenden Paare. Deshalb verschwand das Werk auch bald im Giftschrank der Philologen oder wurde heimlich unter der Bettdecke konsumiert. Mit der sexuellen Revolution der Hippies um 1970 und deren Hinwendung zu fernöstlicher Philosophie erlebte das Kamasutra eine Renaissance. Heute liegt es oft unbeachtet auf dem Grabbeltisch
für Taschenbücher – man ist halt härtere Kost gewohnt.

Genau betrachtet sind die prekären Stellen nur im sechsten Kapitel des zweiten Teils zu finden. Denn da geht es um die Stellungen beim Liebesakt. Und da muss man sagen, die Inder hatten damals schon viel Phantasie: Dutzende von teils
mehr oder weniger akrobatischen Vereinigungen sind zu bestaunen – von der
„offenen Blüte“, über den „Elefanten“, bis hin zum „summenden Affen, der einen
Baum umfängt“. Auch wenn diese Varianten für das Liebesspiel zwischen Mann
und Frau gedacht waren, so sind diese ebenso für die gleichgeschlechtliche Liebe unter Männern und Frauen geeignet. Dieses Thema wird übrigens im Buch auch erwähnt. Bei den Hindus galten Schwule und Lesben als Ausdruck einer bedauerlichen Laune der Natur. Da waren die alten Griechen schon weiter. Trotzdem beschreibt der Autor manche Praktiken – bringt allerdings sein Missfallen darüber zum Ausdruck. Im Mittelpunkt steht für ihn Glückseligkeit und Einklang von Natur und Seele. Toleranz galt vor allem für das Verhalten zwischen den Geschlechtern. Der Mann sollte respekt- und rücksichtsvoll mit der Frau umgehen – auch in der Liebe. Sex ist aber eher nur ein kleiner Teil des Kamasutras. Das Buch gliedert sich
in sieben Abschnitte. Im ersten Abschnitt beschreibt der Autor die Grundlagen für ein glückliches Leben. Dazu gehören drei Dinge: Dharma ist die göttliche Ordnung, die zu befolgen ist. Artha ist der Erwerb von irdischen Gütern und Wissen, damit kein Mangel herrscht. Dann noch Kama, das ist die Pflege der Seele mit Sinnlichkeit und Genuss. Mit diesen drei Dingen kommt man gut über die Runden, so der Weise, um schließlich Moksa zu erreichen – die Erlösung. Wer nicht erlöst wird, der muss mit seiner Seele auf Wanderschaft gehen und könnte auch als Schabe wieder geboren werden. Und das will man ja nicht unbedingt.

Im Kamasutra steckt schon viel vom heutigen Wellness-Gedanken. Nicht umsonst
wabern in den Wohlfühltempeln unserer Tage orientalische Düfte und Sitar-Klänge. Sexualität wird in diesem Standardwerk der Erotik generell als würdevoller und gleichberechtigter Ausdruck von Lust und innerem Wachstum in der Partnerschaft verstanden. Unser Konsumdenken in Sachen Sex ist dem Autor völlig fremd. Denn tiefe Befriedigung erlangt man wohl nur mit Augenmaß, Anstand und Selbstbeherrschung. Es ist wie bei einem leckeren Buffet: Wer den Teller zu voll macht, der bekommt später vielleicht Blähungen. In dem Buch kommen allerdings auch Dinge zur Sprache, die einen verblüffen können. Witwenverbrennung, Penisvergrößerung und Drogengebrauch gehören zu diesen Aspekten. Beißen, Kratzen und Schlagen wiederum runden das Repertoire des phantasievollen Liebesspiels ab, wobei dies natürlich nicht für jeden das Richtige ist. Auch der Verführung wird ein ganzes Kapitel gewidmet. Machen wir uns also nichts vor: Das Kamasutra ist einerseits belehrendes Zeitdokument einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft, in der Heterosexualität als einzig wahre und erstrebenswerte Lebensform gepredigt
wurde. Andererseits aber ist dieses Werk ein kluges Kompendium der spirituellen Lebensführung, das sogar schon in die moderne Managementliteratur Eingang gefunden hat. Und auch als Anleitung zur Sinnlichkeit und genussvollen Freizeitgestaltung ist es heute immer noch lesenswert. Manche Inder könnten mal wieder einen Blick hinein werfen, wenn man an die Entgleisungen und Übergriffe in neuester Zeit denkt: Respekt gegenüber Frauen steht auf dem Subkontinent nicht unbedingt oben auf der Tagesordnung. Und Toleranz für Schwule und Lesben wäre dann auch noch ein Thema.

LGBTI-Rechte in Indien
Gleichgeschlechtlicher Sexualverkehr steht in Indien unter Strafe. Schwule
und Lesben müssen bei entsprechender Verurteilung mit langjährigen
Haftstrafen rechnen. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist verboten.
Die Adoption durch schwule und lesbische Partnerschaften ist verboten.
Schwule und lesbische Lebensentwürfe haben keine wesentliche Akzeptanz in der Bevölkerungsmehrheit. Es gibt eine Reihe prominenter Aktivisten für LGBTI-Rechte, die jedoch bislang oft an der rigiden Gesetzgebung und Rechtsprechung scheiterten. Politik und Verwaltung sehen keinen dringenden Handlungsbedarf bei der Gleichstellung von Schwulen und Lesben. Offen schwul und lesbisch lebende Paare sind Repressionen ausgesetzt.

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