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Saunagespräche PrEP schützt in erster Linie nur den PrEP-Nutzer selbst

vvg - 15.03.2018 - 07:00 Uhr

Bernt Ide, Inhaber mehrerer Saunabetriebe, ist der Initiator der Saunagespräche. Er will mit diesen Diskussionen eine bereits früher stattgefundene Gesprächsreihe fortführen und die Themenschwerpunkte auf Sauna-Spezifika und Fragen über Sexualität legen. Das erste Sauna-Gespräch befasste sich mit dem Thema PrEP, ein Thema bei dem alle mitreden möchten, aber viele zu wenig darüber wissen. Moderator Hugo Winkels (2.v.r.) lud als Gesprächspartner Christoph Klaes, Vertreter der Aidshilfe, Stephan Claasen als PrEP-Nutzer sowie den Hausherrn der Phoenix-Sauna Bernt Ide zum Gespräch ein. 15 Besucher folgten der Einladung und bereicherten mit ihren Beiträgen die Diskussion, welche wir in den drei Statements zusammenfassen möchten.

Bernt Ide:
Bei allen Dingen, die für die PrEP sprechen, möchte ich doch einige Dinge zu bedenken geben. Jedes Medikament hat Nebenwirkungen und das ist bei TRUVADA nicht anders. Ich habe des Öfteren von Nutzern gehört, dass sie Magen- oder Darmbeschwerden haben. Auch die Nierenfunktion kann beeinträchtigt werden und sicher gibt es noch weitere Nebenwirkungen, deren muss man sich bewusst sein. Des Weiteren ist es wichtig das Medikament regelmäßig einzunehmen, um den Schutz zu gewährleisten. Das wird bestimmt nicht jedem Nutzer gelingen. Außerdem schützt das Medikament nicht vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten. Bei der PrEP sind vierteljährliche Kontrollbesuche beim Arzt vorgeschrieben, die z.T. oder sogar komplett eigenständig bezahlt werden müssen. Das können beträchtliche Summen sein, die nicht jeder tragen kann oder will. Auf diese Untersuchungen zu verzichten könnte jedoch die Möglichkeit beinhalten, dass Ansteckungen mit anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen rapide ansteigen. Das Kondom bietet da auch keinen 100 prozentigen Schutz, es reduziert aber das Risiko deutlich. Wenn ich von jemandem höre er sei negativ und PrEP User, dann sagt mir das erstmal nur, dass er wahrscheinlich die PrEP nimmt. Wie er sie nimmt, ob er ärztlich begleitet wird und die notwenigen Untersuchungen macht, sagt mir das nicht. Deswegen finde ich, ist wichtig zu wissen, dass ausschließlich der PrEP-Nutzer vor HIV geschützt ist!
Bei einigen, der AIDS-Generation nachfolgende Generationen, wird HIV manchmal etwas verharmlost. Damit geht teilweise mangelndes Wissen und Interesse über Schutzmöglichkeiten einher und das Risikobewusstsein nimmt ab. Vermutlich aus diesem Grund und wegen der anfangs noch sehr hohen Kosten, wurde die PrEP zunächst vor allem von Menschen mittleren Alters genutzt.
Durch die mittlerweile vergleichsweise günstige Abgabe der PrEP wird sie auch interessanter für die jüngere Zielgruppe. Ich habe mich intensiv mit der PrEP beschäftigt, mit vielen Menschen darüber gesprochen und bin im Alltag viel Halb- und Falschwissen begegnet. Für mich ist das Grund genug, jedem der die PrEP nehmen möchte nahezulegen, sich gründlich beraten zu lassen. Das Beratungsgespräch bei einer Einrichtung oder einer Praxis, die sich mit dem Thema wirklich auskennen, steht für mich ganz klar an erster Stelle.

Christoph Klaes:
Als Checkpoint ist es uns wichtig zu informieren. Unsere Zielgruppe soll dann mit ihrem Wissen rund um HIV und andere STIs selbst entscheiden, ob und wie sie sich schützen möchte. Schutz vor HIV kann bei wechselnden Sexualpartnern eine besondere Rolle spielen. Vor 10 Jahren hatten wir als effektive Schutzstrategie vor einer HIV-Infektion nur das Kondom. Heute kommen Schutz durch Therapie und die Präexpositionsprophylaxe, kurz PrEP hinzu. Alle drei Methoden bieten einen hohen Schutz vor einer HIV-Infektion und sind gleichwertig zu betrachten. Natürlich bleibt immer ein überschaubares Restrisiko, wir reden ja nicht von Safe Sex sondern von Safer Sex. Die PrEP ist eine gute Schutzmöglichkeit für diejenigen, die aus individuellen Gründen nicht auf die anderen Schutzstrategien zurückgreifen können oder wollen. Jemand der PrEPt entscheidet sich bewusst dafür, sich vor HIV zu schützen! Die PrEP braucht eine gute Vorbereitung und erfordert eine gewisse Durchführungsdisziplin. Regelmäßige Untersuchungen sind ein zusätzlicher wichtiger Baustein.
“Einfach mal so ein paar Pillen nehmen“ ist keine gute Idee! Ohne das Wissen über die richtige Einnahme und die notwendigen Untersuchungen wie regelmäßige STI Checks, Kontrolle der Nierenfunktion und eine Hepatitis -B-Impfung, sollte man nicht starten. Besonders wichtig ist das Beratungsgespräch, das vor dem Start der PrEP erfolgt. Nur wer weiß, wie die PrEP funktioniert und anzuwenden ist, kann sich durch die PrEP effektiv vor HIV schützen. Die PrEP ist keine Magie, nur weil man sie nicht sieht, fühlt oder schmeckt beim Sex! Ihre Schutzwirkung vor HIV ist wissenschaftlich belegt. Vor anderen STIs schützt die PrEP nicht, hier helfen regelmäßige Checks innerhalb der PrEP-Begleitung und eine entsprechende Behandlung.

Stephan Claasen:
Die PrEP bietet eine erschwinglichere weitere Möglichkeit, sich vor HIV zu schützen. Ich nehme eine Tablette täglich und kann den Sex unbeschwerter genießen. Ich habe weniger Ängste und es ist, als fällt psychisch eine Last ab. Nach zwei-drei Besuchen in einer (vorzugsweise) HIV-Schwerpunkt-Praxis (mit Blut-, Urin- und Abstrich-Untersuchungen) gab es das Privat-Rezept, mit dem man in der Apotheke die verblisterte PrEP von Hexal für knapp 50€ pro Monat erhält. Eine mögliche Alternative ist beispielsweise die vergleichbare PrEP von Ratiopharm. Geeignet ist diese Art des Safer-Sex für alle, die eine regelmäßige Medikamenten-Einnahme umsetzen können. Die PrEP nimmt man so lange, wie man möchte – setzt man sie ab, verliert man relativ schnell den Schutz und muss auf andere Safer-Sex-Möglichkeiten zurückgreifen. Wichtig bei der Einnahme von PrEP ist, dass man sich folgender Punkte bewusst ist: Die PrEP schützt vor allem den Nutzer, nicht seine Sex-Partner und sie schützt nur vor HIV – nicht mehr und nicht weniger. Vor allen anderen sexuell übertragbaren Krankheiten, bei denen ein Kondom bedingt schützt, nicht. Allerdings sind diese Krankheiten bei rechtzeitiger Behandlung heilbar. Und sind wir ehrlich: Vor AIDS waren Kondome in aller erster Linie „Schwangerschaftsverhüter“ – die umfassendere Benutzung kam erst in Folge der Kampagne gegen AIDS vor 30 Jahren. Die PrEP zu nehmen bedeutet übrigens nicht automatisch auf ein Kondom zu verzichten. Es bleibt jedem selbst überlassen, welche Safer Sex – Option(en) allein oder in Kombination angewandt werden. Leider erfolgt die aktuelle Pro- und Contra-Diskussion allzu moralisch und mit erhobenem Zeigefinger. Dabei sollte man gegenseitig Respekt zeigen: PrEP-User sind keine Schlampen und Kondom-Benutzer sind keine Spießer – beides sind legitime Safer-Sex-Methoden wie der Schutz durch Therapie ebenfalls. Als letzter Fakt: Die PrEP ist die einzige Safer Sex – Methode, bei der sich der (einnehmende) Passive absolut sicher sein kann, sich geschützt zu haben.
 

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