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Anna Ternheim

Im Interview Anna Ternheim

km - 18.09.2019 - 15:30 Uhr

SCHWULISSIMO traf sich mit der talentierten und weisen schwedische Singer Songwriterin Anna Ternheim um über Musik und Schreibprozesse zu sprechen. Die 41-jährige erhielt bereits Auszeichnungen für ihr exzellentes Songwriting. Ende des Jahres geht sie mit ihrem siebten Studioalbum: “A Space For Lost Time“, welches am 20. September erscheint, auf große Deutschland-Tour.

Zum Einstieg frage ich Musiker immer gerne, was war der letzte Song bzw. Album das du dir angehört hast?
Oh gute Frage. The Cranberries letztes Album. Ich war ein großer Fan von ihnen als Teenager in den 90er. Ich habe Dolores O’Riordan geliebt, ihre Stimme war so unglaublich. Ich hatte eine kurze Phase in der ich versucht habe sie zu imitieren. Das Album ist wunderschön, ich habe es von Anfang bis Ende gehört.

Von Anfang bis Ende? Das ist schön, sowas wird immer weniger. Die Wertschätzung für ein ganzes Werk, also ein Album geht verloren, hab ich das Gefühl.
Ja die Aufmerksamkeitsspanne geht verloren, da hast du recht, ich habe mich das auch gefragt: „Macht es überhaupt noch Sinn Alben zu produzieren?“ Aber ich denke schon. Es gibt immer Menschen die eine Erfahrung haben wollen, bei der sie etwas entdecken können und es nicht einfach ins Gesicht geklatscht bekommen. Etwas das über die Zeit wächst und besser wird. Vielleicht werden sich die beiden extreme auspendeln und es werden wieder mehr Alben gehört.

Ist Liebe das beste Thema für Songwriting?
Für mich auf jeden Fall. Es ist alles was du brauchst wie die Beatles schon treffend formulierten. Es ist nicht nur eine Beziehung zu einer Person, es kann  auch eine Bewegung, eine Berührung oder eine Sache sein. Es hat so viele verschiedene Facetten. Es ist eine Zutat von so viel. Songwriting ist für mich das Übersetzen meiner Gefühle. Manchmal geht es dabei um eine konkrete Geschichte, aber meistens setze ich Wörter auf Gefühle.

Wäre der Prozess nicht viel einfacher, wenn du es in deiner eigenen Sprache machen würdest?
Ja das stimmt, es ist schon was anderes in der eigenen Sprache zu schreiben. Es ist näher. Ich merke das, wenn ich schwedisch singe, dann komme ich an einen Ort, an den ich im englischen nicht komme. Allerdings waren meine musikalischen Einflüsse nicht schwedisch. Ich bin mit den Alben meines Vaters groß geworden: David Bowie, Neil Young und Bob Dylan. Meine ersten eigenen Alben waren dann Pearl Jam, Nirvana und The Cranbeeries und ich hörte viel Depeche Mode und The Cure. Es waren also keine schwedischen Künstler. Als ich dann anfing zu schreiben waren das alles meine Einflüsse. Meine erste Band hatte ich als Austauschstudent in Atlanta, Georgia. Vielleicht hilft die englische Sprache sogar, da ich nicht so übervorsichtig mit ihr umgehe als mit meiner Muttersprache. Die englische Sprache hat zudem einen schönen klang und da ich über 11 Jahre in New York lebe fühlt es sich auch nicht mehr komisch an.

Es ist faszinierend, dass du solange in New York lebst und dein Album doch so schwedisch klingt.
Ja ich bin sehr schwedisch und das kann ich nicht verstecken. Es steckt in mir drin. (lacht)

Ich finde das ist eine gute Sache, es ist eine Tradition die du in dir trägst die du über deine Musik kommunizierst. Das macht es am Ende auch so einzigartig. Die Mischung zwischen amerikanischen Einflüssen und schwedischen Wurzeln.
Ja es ist so interessant darüber zu reden was uns formt und warum wir sind wie wir sind. Die verschiedenen Einflüsse und Erfahrung, sowie die Herkunft formen in der Musik ja auch den eigenen Sound.

Und du hast einen eigenen Sound, viele Musiker suchen ihr Leben lang danach.
Das limitiert mich allerdings auch. Wobei Limitierungen auch wieder was gutes sein kann. Für mein erstes Album habe ich mir 2.000 Euro und Equipment geliehen. Ich war extrem limitiert, aber das sorgt auch dafür das du kreativer sein musst, um die passenden Lösungen zu finden. Es ist hilfreich absolut alles spielen zu können, aber das macht es glaube ich auch einiges schwieriger. Das Gleiche mit Zeit. Wenn du endlos viel Zeit hast und endlos viele Ressourcen hast, wann wirst du etwas beenden? Nie, deshalb sind Limitierungen gut. Ich würde auch nicht Zehn Jahre an einem Album arbeiten wollen. Deadlines sind schon gut und wichtig.

Es macht dich produktiver, wenn ich wüsste ich hätte 1.000 Jahre Zeit dieses Interview runterzuschreiben, würde ich mir sehr viel Zeit lassen.
Bis zur letzten Minuten und sagen, ach Mist warum habe ich nicht früher angefangen (lacht)

Genau. Wo wir gerade über Zeit sprechen, unsere Zeit ist leider schon rum. Ich danke dir für das interessante Gespräch und viel Erfolg bei deiner Tour.

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