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Mehr als die Hälfte der Briten leidet unter Cancel Culture
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Angst vor der eigenen Meinung? Mehr als die Hälfte der Briten leidet unter Cancel Culture

ms - 17.01.2022 - 13:30 Uhr

Spätestens seit den ersten kritischen Aussagen vor rund zwei Jahren von Harry-Potter-Bestellerautorin JK Rowling über trans-Personen kocht die Debatte in Großbritannien hoch, was „man noch sagen dürfe und was nicht.“ Bemerkenswert dabei ist, dass auch in Deutschland gerade auch innerhalb der Community Kritik laut wird, die sich vermehrt einer „Cancel Culture“ ausgesetzt sieht. Die Debatte ist also längst auch bereits hier angekommen. 

In Großbritannien gibt es jetzt erste Fakten, die belegen, dass die Mehrheit der Briten (57 Prozent) immer mal wieder aus Angst vor Vorverurteilungen und negativen Reaktionen ihre Meinung nicht mehr äußert. Die umstrittenen Themen sind neben der Einwanderung gerade auch Themen rund um LGBTI* und trans-Menschen.

In den letzten Monaten ging die Auseinandersetzung im Falle Rowling öffentlichkeitswirksam aber wohl eindeutig zu weit. Mit massiven Einschüchterungsmaßnahmen versuchten trans-Aktivisten die Schriftstellerin zum Schweigen zu bringen. Zuletzt veröffentlichten trans-Aktivisten Ende letzten Jahres die Privatadresse der Autorin in Edinburgh. Zuvor hatte sie hunderte von schriftlichen Morddrohungen erhalten.

© wildpixel
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Klar ist, dass über die Thematik gestritten werden darf, verlässt die Diskussion aber einen sachlichen Rahmen und werden Aufrufe zu offener Gewalt laut, wird es kritisch. Genau in diesem Klima scheinen sich immer mehr Briten vereinnahmt zu sehen. Das Credo lautet: Lieber nichts mehr sagen, als massive negative Reaktionen zu bekommen. In der Regel trägt eine solche Situation aber nicht zur Befriedung der Gesamtsituation bei, sondern schürt eine politische Radikalisierung auf beiden Seiten.

Mit dem Begriff der „Cancel Culture“ wissen zwei Drittel der Briten selbst nichts anzufangen, sehr wohl können sie aber das Problem selbst benennen – und das unabhängig von der persönlichen politischen Gesinnung. Ganz frei ihre eigene Meinung zu äußern, das trauen sich aktuell gerade noch einmal ein Viertel (27 Prozent) der Einwohner. Ein Alarmsignal für die Demokratie selbst.

So stellte sich nun auch die alte Gretchenfrage: Was ist wichtiger? Sicherheit oder Freiheit? Wie viel würdest du von dem einen opfern, um das andere zu erhalten? Ganze Philosophiekurse ranken sich um dieses Thema. Für die Briten ist die Frage beantwortet: Insgesamt waren für 43 Prozent der Befragten der Schutz vor Hassverbrechen das Wichtigste. 38 Prozent priorisierten die Meinungsfreiheit. Im Kern zeigen die Umfrage-Details, dass die Nation gespalten ist und sich auch keine eindeutigen Trennlinien zwischen Alt und Jung oder anhand politischer Vorlieben ziehen lässt. Das Land kämpft um die Frage, wie man künftig mit Cancel Culture umgehen soll und welche Freiheit in der Demokratie höher zu bewerten ist. 

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