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Dreifach-Mord in Berlin

Dreifach-Mord in Berlin Neue Netflix-Doku präsentiert Hintergrund zum schwulen Berliner Serienkiller von 2012

ms - 08.04.2024 - 15:00 Uhr

Dirk P. tötete 2012 in Berlin drei schwule Männer im Alter von 34, 37 und 41 Jahren mit Liquid Ecstasy, bevor die Polizei den Serienmörder überführen konnte. In die Geschichte ging Dirk P. als der „Darkroom-“ oder „Koma-Killer“ ein – das zuerst gefundene Opfer starb im Darkroom der Bar „Grosse Freiheit“, die heute noch existiert. Die anderen beiden Opfer wurden tot in ihren Wohnungen aufgefunden. Die neue Netflix-Dokumentation „Nightlife Killer - Crime Scene Berlin“  wirft jetzt einen Blick auf die Wochen im Jahr 2012 und zeigt auf, dass die Folgen der Tat bis heute nachwirken. 

Ein Ende der Leichtigkeit

Man habe die ganze schwule Community zunächst einmal mehr vorschnell in der Gesellschaft verurteilt, erinnert sich Barchef Matthias von der „Grossen Freiheit“ in Friedrichshain, in der damals die Leiche von Nicky Müller gefunden worden war. Am Ende hat die Geschichte und der Dreifachmord der Berliner Community die Leichtigkeit, das Besondere genommen, der einstige Safe Space bekam Risse, die offenbar bis heute nicht verheilt sind, attestiert der Barchef weiter. 

Drei Tote und ein Überlebender

In der Dokumentation kommen dabei auch die Ermittler und die Staatsanwältin zu Wort, die bis heute von dem Fall gezeichnet sind, weil es bis zuletzt keine klare Antwort auf die Frage gibt, warum Dirk P. seine zufällig getroffenen oder verabredeten Opfer mit einer Überdosis tötete. Die erste Zeit tappte die Polizei damals noch wortwörtlich im Dunkeln, denn auf Liquid Ecstasy oder GHB wurden die Leichen zunächst nicht untersucht – erst ein Arzt brachte beiläufig den entscheidenden Hinweis. 

Ein Opfer überlebte den Anschlag von Dirk P. und kann sein Glück bis heute im Interview nicht so ganz glauben. Daneben fahren die Stimmen der Freunde und Verwandten der Verstorbenen tief ins Mark, die teils unter Tränen und mit erstickter Stimme erzählen, was für besondere Menschen diese jungen und lebensfrohen schwulen Männer waren, die Dirk P. zum Opfer fielen. 

Das Motiv bleibt unklar

Auch sie quält bis heute die finale Frage nach dem Warum? Die Interview-Niederschriften des Täters geben ebenso wenig Klarheit wie die Aussagen von psychologischen Experten. Ergötzte er sich einfach an dem Machtgefühl über Leben und Tod? Habgier kann es schlussendlich nicht wirklich gewesen sein, denn obwohl Dirk P. seine Opfer zunächst beklaute – ein Handy, eine Lederjacke oder auch die Geldbörse nahm er mit – schmiss er das meiste davon anschließend weg, auch das Bargeld. 

Nachdem erste Ermittlungen ins Leere liefen, veröffentlichte die Berliner Polizei damals Videoaufnahmen vom Ostbahnhof, auf denen Dirk P. zu sehen ist – diese brachten neuen Hinweise. Die Frage nach der plötzlichen Mordlust bleibt allerdings final auch in der Dokumentation unbeantwortet, denn neun Monate nach seiner Verurteilung nahm sich Dirk P. im Alter von 39 Jahren im März 2014 im Gefängnis das Leben. 

Neue Erkenntnisse

Mögliche neue Erkenntnisse gibt es nur noch indirekt, von der Tante des Täters. Sie berichtet, wie Dirk P. bei den katholischen Großeltern in Saarbrücken aufwuchs und nach dem Tod des Großvaters als „Ersatz“ für die Großmutter dienen musste, die ihn offenbar mehrfach missbraucht habe. Erst als sie herausfand, dass Dirk P. schwul ist, endete die fatale Verbindung abrupt, sie ekelte sich vor ihrem Enkel.

Ohne Effekthascherei oder den Versuch einer einfachen Entschuldigung für die Taten zeichnet die Dokumentation dabei das Bild von Dirk P. nach, der vermutlich bereits seine Großmutter schlussendlich mit GHB umgebracht hatte. Als ehemaliger Krankenpfleger kannte er sich mit Substanzen dieser Art aus. Danach zog Dirk P. nach Berlin, lebte mit seinem damaligen Freund zusammen, arbeite als Referendar an einer Grundschule in Brandenburg und haderte trotzdem durchgehend mit seiner Homosexualität. 

Eine andere Gay-Community

Den Machern hinter der Dokumentation gelingt es dabei, spannend, hintergründig und trotzdem niemals platt oder effekthaschend die Erlebnisse vor rund zwölf Jahren nachzuzeichnen – und das auf einem Niveau und mit einer Bild- und Tonsprache, die von den allermeisten True-Crime-Dokumentationen in Deutschland niemals erreicht werden. Verständlich, dass die dreiteilige Mini-Serie bereits in der ersten Woche auf Platz 2 der Netflix-Charts gesprungen ist. 

Liquid Ecstasy ist heute bekannt in der Community, immer wieder wird davor gewarnt, stets unterwegs einen Blick auf seine Drink zu behalten. Das ist einerseits wichtig und gut, zeigt aber andererseits tatsächlich: 2012 verlor die Berliner Gay-Community ihre Unschuld, ihre freiheitsliebende Leichtigkeit.    

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