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Erneut scharfe Kritik an Lehmann

Erneut scharfe Kritik an Lehmann „Lehmann hat seine abstrusen Vorstellungen sicherlich nicht der biologischen Primärliteratur entnommen.“

ms - 16.06.2022 - 14:00 Uhr

Abermals wird in diesen Tagen Kritik gegenüber dem Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann, laut. In einem weiteren Gastbeitrag lässt die Welt online nun abermals Uwe Steinhoff, Professor am Department of Politics and Public Administration der Universität Hongkong, zu Wort kommen. Steinhoff gehört zur Riege der ersten Autoren, die Anfang Juni, begleitet von einem ausführlichen Dossier, kritisiert hatten, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einseitig und wissenschaftlich ungenau über Fragen rund um die Vielfalt von Geschlechtern und einer möglichen Geschlechtsangleichung für trans-Jugendliche berichten würden.

Mehrere Shitstorms von Befürwortern und Gegnern der Aussage, dass es biologisch und wissenschaftlich nur zwei Geschlechter gäbe und sich Positionen wie Trans- oder Intergeschlechtlichkeit ebenso in diesem binären Wechselspiel befinden würden, anstatt ein eigenes Geschlecht darzustellen, hatten die Situation sicherlich auch zur Freude der Welt-Gruppe weiter eskalieren lassen. Es folgten Entschuldigungen von Seiten des übergeordneten Konzerns, des Axel-Springer-Verlages, gefolgt von weiteren Kommentaren von Welt-Redakteuren, die die ursprünglichen Statements wieder verteidigten. Schlussendlich hatte Lehmann in einem Gastbeitrag erklärt, dass es sich bei der Kritik an ARD und ZDF mit Bezug auf trans-Personen um „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ und „Hetze“ handele.

Darauf wurden abermals Kritiken laut, die das Verständnis von freier Presse und Meinungspluralität des Queer-Beauftragten in Frage stellten. Zur Freude der Klickzahlen auf Welt Online dürfte diese Debatte nun abermals befeuert werden mit der jüngsten Erklärung des Politologen Steinhoff, der sich dabei auch auf die Tatsache bezieht, dass hunderte Wissenschaftler sowie Biologen, Mediziner und Psychologen mit universitärem Lehrstuhl den Aufruf an die Rundfunkanstalten inzwischen unterschrieben haben. Steinhoff dazu: „Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, will es aber besser wissen als diese Koryphäen.“ Lehmann hatte in seinem Gastbeitrag erklärt, dass die ursprünglichen Autoren mit ihrer Einstellung zur Zweigeschlechtlichkeit trans- und intergeschlechtliche Menschen ignorieren würden.

Steinhoff dazu: „Tatsächlich haben die Autoren des Dossiers – was Lehmann wissen müsste, falls er es denn gelesen hat – die Existenz von Intersexualität (Störung der geschlechtlichen Entwicklung) und Transsexualität bzw. Genderdysphorie nicht nur konstatiert, sondern auch klare klinische Definitionen dieser Phänomene gegeben. Allerdings vermögen wir, anders als Lehmann auch den Begriff des Geschlechts im Dossier zu definieren. Aus dieser Definition (bezugnehmend auf Arten anisogametischer Keimzellen) ergibt sich in Konjunktion mit den empirischen Fakten (es gibt nur zwei solche Arten: Eizellen und Spermien) logisch gültig die Zweigeschlechtlichkeit. Intersexualität und Transsexualität sind Erscheinungen innerhalb dieser Zweigeschlechtlichkeit. Eine Störung (oder Variante) der geschlechtlichen Entwicklung produziert so wenig ein neues Geschlecht, wie eine anatomische Entwicklungsstörung in Form eines verkürzten Arms oder eines zusätzlichen Fingers eine neue Spezies der Gattung Mensch produziert. Ebenso: So sehr sich manche Frauen auch als Mann identifizieren mögen und manche Männer als Frau, so wenig kreieren sie dadurch biologisch gesehen ein drittes Geschlecht (…) Lehmann hat seine abstrusen Vorstellungen sicherlich nicht der biologischen Primärliteratur entnommen, sondern offenbar dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“

Im weiteren Verlauf bezichtigt der Professor Lehmann dann auch der Lüge, denn Lehmann hat in seinem Gastbeitrag erklärt, dass es noch nie geplant gewesen wäre, Kinder ab 14 Jahren gegen den Willen ihrer Eltern über eine hormonelle und operative Anpassung entscheiden zu lassen. „Dass Lehmann diese falsche Behauptung, auf deren Verlogenheit er wiederholt hingewiesen wurde, permanent und impertinent allerorten wiederholt, macht sie nicht wahrer. Es sei Lesern und vor allem den Eltern unter ihnen geraten, den Koalitionsvertrag und die früheren Entwürfe des sogenannten ´Selbstbestimmungsgesetzes´ von Grünen und FDP selbst zu prüfen.“ Im weiteren Verlauf verweist der Professor auch auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, das zuletzt 2017 zum zweiten Mal die Zulässigkeit von psychologischen Gutachten zur Klärung einer Geschlechtsdysphorie bestätigt hatte – die Ampel-Koalition bewertet dies als Erniedrigung von trans-Personen und will diese therapeutischen Gutachten ganz streichen.

Den Vorwurf der “gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ kontert Steinhoff damit, dass Lehmann diese Aussagen ohne Belege geäußert habe. Zuletzt stellt Steinhoff für sich klar: „Zentrales Thema waren für uns in der Tat die fehlerhaften Darstellungen biologischer Sachverhalte zu den Themen Geschlecht und Genderdysphorie/Transsexualismus. Aber wir wiesen auch darauf hin, dass diese Falschdarstellungen extrem negative Auswirkungen auf Kinder bzw. Jugendliche haben. Ebenso wiesen wir darauf hin, dass Sexualaufklärung – die wir befürworten – altersangemessen sein muss. Wir haben in dem Artikel festgestellt und im Dossier belegt, dass dies oft ganz gewiss nicht der Fall ist. Erwachsene können einvernehmlich miteinander tun, was sie wollen, aber nicht jedes erwachsene Verhalten muss Kindern und Heranwachsenden, auch nicht durch Medien vermittelt, penetrant und permanent zur Schau gestellt werden. Wenn Lehmann dies anders sieht, sieht er das Jugendwohl offenbar so wenig wie das von Frauen. Unser Aufruf fordert, Wissenschaft vor Ideologie und Gemeinwohl vor Partialinteressen zu stellen. Lehmann kommt dieser Aufforderung so wenig nach wie der ÖRR. Zumindest aber, so unsere Hoffnung, ist Letzterer reformfähig.“ Ob Lehmann abermals auf diese Äußerungen reagieren wird, ist noch offen. Was indes konkret und final im neuen Gesetzentwurf stehen wird, will die Ampel-Koalition noch in diesem Jahr bekannt geben.

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