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Keine Debatte über das Selbstbestimmungsgesetz

Grüne: Diskussion unerwünscht Parteimitglieder lehnen Antrag auf Diskussion mehrheitlich ab

ms - 22.09.2022 - 11:30 Uhr

Für die Partei Bündnis 90 / Die Grünen dürfte die Angelegenheit jetzt endgültig vom Tisch sein – es wird bei der Bundesdelegiertenkonferenz Mitte Oktober in Bonn keine erneute Debatte über das geplante neue Selbstbestimmungsgesetz geben. Siebzig Delegierte der Partei hatten dies in einem Antrag gefordert und waren daraufhin immer wieder massiven verbalen Attacken und Angriffen ausgesetzt gewesen. Ziel der Antragstellerin Eva Müller war es gewesen, sachlich und ohne Diffamierungen in der Partei noch einmal über einzelne Aspekte des Gesetzesentwurfes zu sprechen, gerade weil es in Teilen der Bevölkerung noch Ängste und Unsicherheiten zu gewissen Details des Gesetzesvorhabens gibt – beispielsweise steht bis heute in der Kritik, dass künftig bereits Jugendliche ab 14 Jahren notfalls auch ohne Einwilligung der Eltern eine Geschlechtsanpassung vornehmen lassen können. Verpflichtende Beratungen von Seiten von Ärzten oder Psychologen sollen künftig gänzlich entfallen.

Der Antrag von Müller war von 69 Delegierten der Grünen unterstützt worden, weswegen jetzt beim sogenannten V-Ranking intern darüber abgestimmt werden konnte. Erreicht ein Antrag die Mindestanzahl an Unterstützern, entscheiden die Mitglieder der Partei im Vorfeld per Stimmabgabe, welchen Antrag sie tatsächlich bei der Konferenz diskutieren wollen. Zehn Anträge haben die Chance dazu, insgesamt 34 waren eingereicht worden. Der Antrag bezüglich einer sachlichen Diskussion zum neuen Selbstbestimmungsgesetz landete auf dem 33. Platz und erhielt 317 Stimmen – damit scheiterte das Vorhaben von Müller. Die Grünen wollen und werden nicht über das geplante Selbstbestimmungsgesetz diskutieren. In die Liste der zehn priorisierten Anträge schafften es unter anderem Themen wie überregionale Radwege, die Forderung nach Psychotherapie für alle oder die Debatte um die Frage, ob es EU-Geld für Autokraten geben darf. Weitere Themen sind beispielsweise die sexualisierte Gewalt in religiösen und weltanschaulichen Institutionen oder auch die UN-Biodiversitätskonferenz. Insgesamt stimmten rund 4.400 Delegierte der Grünen ab.

Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, zeigte sich via Twitter erfreut über die Absage einer erneuten Diskussion zum Selbstbestimmungsgesetz: „Danke liebe grüne Delegierte der BDK22. Der Antrag einiger Delegierter gegen das Selbstbestimmungsgesetz landet im V-Ranking auf dem vorletzten Platz und wird nicht behandelt. Es gibt zig Beschlüsse der Grünen für das Gesetz - und wir setzen es jetzt um!“ Zu den radikalen Anfeindungen und Nazi-Vergleichen, die die 70 Delegierten im Vorfeld über sich ergehen lassen mussten, äußerte sich Lehmann auch auf mehrfache Rückfrage bis heute nicht. Auch die Bundespressestelle der Partei bezog nicht konkret Stellung, beispielsweise zu Äußerungen der Trans-Frau Renée-Maike Pfuderer aus dem Raum Stuttgart, die die Mitglieder ihrer eigenen Partei als “xenophobe Rassisten mit Rechtsdrall“ beschimpft hatte. Dabei hatte Pfuderer mehrfach betont, sie spreche im Namen der Dachstruktur QueerGrün, bestehend aus den Bundesarbeitsgemeinschaften Lesben- und Schwulenpolitik. Nach Rückfrage bei der Bundespressestelle wurden alle problematischen Statements kurzfristig über Nacht online gelöscht und gegenüber SCHWULISSIMO erklärte die Partei: „Wir legen Wert auf einen angemessenen Umgang miteinander.“ Zu weiteren Details wollten die Grünen nicht Stellung beziehen, auch nicht zu den Forderungen mehrerer Parteimitglieder, dass solche beleidigenden Äußerungen und Diffamierungen Konsequenzen haben müssten. Antragstellerin Eva Müller hatte dazu erklärt: „Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen, die Einwände gegen das geplante Selbstbestimmungsgesetz vorbringen, öffentlich diffamiert, bedroht und mundtot gemacht werden. Weder parteiintern noch in der öffentlichen Debatte.“

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