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Der “Grindr-Killer" beschäftigt erneut die britischen Behörden

Der blinde Fleck der Polizei Haben die Ermittler aufgrund von Homophobie weggesehen?

ms - 24.06.2022 - 12:00 Uhr

Die Mordserie schockierte ganz Großbritannien und der Serienmörder Stephen Port ging als “Grindr-Killer" in die britische Kriminalgeschichte ein. Bis heute gibt der Fall Rätsel auf und offenbart dabei auch ein massives Problem der britischen Polizei: Homophobie. Seit Jahren steht der Vorwurf im Raum, dass die leitenden Ermittler Beweisen aufgrund ihrer Ablehnung gegenüber Homosexuellen nicht korrekt nachgegangen sind und Port so weitere junge Männer ermorden konnte. Das Unabhängige Büro für polizeiliches Verhalten (IOPC) erklärte nun, dass es die Ermittlungen der Londoner Metropolitan Police erneut untersuchen wird, nachdem eine erste Überprüfung im Jahr 2021 bereits ergeben hatte, dass die Ermittlungen der Polizei mit "unübersehbaren Fehlern" behaftet waren.

Stephen Port ermordete in einen Zeitraum von 16 Monaten zwischen 2014 und 2015 mindestens vier junge schwule Männer und hatte die ganze britische Gay-Community in Angst versetzt. Alle Opfer waren von Port mit einer Überdosis GHB (Liquid Ecstasy) ermordet worden. Zuvor hatte der Serienmörder Dating-Apps wie Grindr nach potenziellen Opfern durchsucht und diese schließlich in seine Ein-Zimmer-Wohnung im Osten Londons gelockt. Bei der ersten Untersuchung der Ermittlungsmethoden hatte im Jahr 2021 ein Freund eines der Opfer erklärt, dass sich die mit dem Fall befassten Beamten einer "institutionellen Homophobie" schuldig gemacht hätten, da sie Beweise willentlich ignoriert hätten, obwohl Freunde und Angehörige der Opfer sie angefleht hatten, Port genauer zu untersuchen. Trotzdem wurde die erste IOPC-Untersuchung von Beamten der Londoner Polizei massiv behindert, die allesamt eine Aussage ablehnten.

Eine polizeiinterne Angelegenheit kann dabei nur dann vom IOPC erneut untersucht werden, wenn massive Fehler zutage treten und es "wesentliche neue Informationen" gibt – dies scheint nun laut IOPC-Regionaldirektor Graham Beesley der Fall zu sein: "In diesem Fall wurden bei der erneuten Untersuchung Beweise gefunden, die sowohl die Kategorie der bedeutenden neuen Informationen als auch die Kategorie der wesentlichen Mängel erfüllen, und wir glauben, dass eine verhältnismäßige - aber gründliche - neue Untersuchung im öffentlichen Interesse ist."

Der Anwalt Neil Hudgell erklärte gegenüber PinkNews im Namen der Familien der Opfer, dass die Wiederaufnahme des Falles die "einzige logische Entscheidung" sei, die ihnen jetzt neue Hoffnung gebe. Hudgell zufolge bleiben für die Familien auch fast ein Jahrzehnt später noch Fragen offen. "Die unzureichenden Ermittlungen der Metropolitan Police zu den vier Todesfällen stellen eines der größten institutionellen Versäumnisse der modernen Geschichte dar, das durch den beklagenswerten Mangel an Reue, Bedauern oder Mitgefühl, den einige der beteiligten Beamten bei den Untersuchungen an den Tag legten, noch verschlimmert wurde. Die Familien sind der festen Überzeugung, dass das Vorgehen der Polizei zum Teil von Homophobie getrieben war", so Hudgell.

So hatte die Polizei bereits nach dem ersten Mord an einem 23-jährigen Modestudenten den Serienmörder befragt, ihm allerdings seine Lügen leichtfertig geglaubt und den Tod des jungen Mannes als nicht verdächtig eingestuft. Port konnte so weitere Männer in unmittelbarer Umgebung töten, wurde dabei einmal sogar von einem Spaziergänger erkannt und fälschte zudem einen angeblichen Selbstmordbrief eines der Opfer – all das soll die Polizei trotzdem nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst haben. Anwalt Hudgell dazu: "Wären vier weiße, heterosexuelle Mädchen auf die gleiche Art und Weise tot aufgefunden worden wie Anthony, Gabriel, Daniel und Jack, dann wären die Maßnahmen der Polizei und die wahrscheinlichen Ergebnisse anders ausgefallen." Es steht noch immer zu befürchten, dass Stephen Port weitere junge Männer ermordet hat, die in der Polizeistatistik nach wie vor als Todesfall mit Überdosis in der Gay-Community protokolliert worden sind. Der Central Criminal Court verurteilte Port 2016 zu einer lebenslangen Haftstrafe.

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