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Neues Pilotprojekt in Berlin für besondere Menschen mit HIV

HIV: Jetzt unbürokratisch helfen HIV-Versorgung auch für Menschen ohne Krankenversicherung

ms - 28.06.2022 - 11:30 Uhr

Mit einem bisher landesweit einzigartigen Pilotprojekt will die Berliner Beratungsstelle Checkpoint in Zusammenarbeit mit der örtlichen Clearingstelle nun unbürokratisch Behandlungen für spezielle Menschen mit HIV ermöglichen. Die Hoffnung ist zudem, dass das Projekt auch als Modell für andere Städte dienen wird. Im Fokus der Aktion sind dabei Menschen ohne Krankenversicherung oder mit einem unklaren Versichertenstatus, die es bisher sehr schwer haben, Zugang zu einer HIV-Therapie zu bekommen.

Der Checkpoint stellt in diesem Zusammenhang klar: „Es ist eine unfassbar hohe Zahl - rund 60.000 Menschen leben nach Schätzungen nichtstaatlicher Organisationen allein in Berlin ohne ausreichenden oder mit gänzlich fehlendem Krankenversicherungsschutz. Darunter sind neben Menschen in Wohnungs- und Obdachlosigkeit auch Selbstständige, die sich die Versicherung nicht leisten können oder wollen, aber auch Touristen, Studenten und EU-Bürger, deren Krankenversicherung nur eingeschränkten Schutz bietet. Und nicht zuletzt Menschen, die ohne geregelten Aufenthaltsstatus in Deutschland leben beziehungsweise sich aufgrund einer fehlenden Arbeitserlaubnis nicht sozialversichern können. Für Menschen, die ohne Krankenversicherung leben müssen, kann bereits eine akute Verletzung oder Erkrankung äußerst problematisch werden. Für eine chronisch-fortschreitende Krankheit eine Behandlung zu bekommen, ist jedoch fast unmöglich – für Menschen mit einer HIV-Infektion ist dies fatal.“

Bereits seit Dezember 2021 arbeiten der Checkpoint BLN sowie die Clearingstelle enger zusammen und wollen im Zuge der von UNAIDS ausgerufenen Fast-Track Cities Initiative die Stadt Berlin bei der Umsetzung der Pläne unterstützen. Über 300 Städte weltweit haben sich dabei dazu verpflichtet, alles zu versuchen, um HIV bis 2030 zu beenden. Dieses Ziel kann logischerweise nur erreicht werden, wenn auch HIV-positive Menschen ohne gesetzlichen Versichertenstatus gesundheitlich adäquat versorgt werden. „Wir prüfen zunächst, worauf die Patienten Anrecht haben, welche Zugänge zur Krankenkasse ihnen offenstehen oder helfen ihnen, sich zu versichern. Es gibt aber auch Fälle, wo es keine unmittelbare Lösung gibt. Wir geben dann unsere Unterlagen an die Clearingstelle weiter, sodass dort das Clearingverfahren direkt fortgeführt werden kann“, so Jacques Kohl, psychosozialer Leiter des Checkpoint BLN gegenüber magazin.hiv. Für ein Quartal überbrückt der Checkpoint BLN derzeit die Finanzierung aus dem eigenen Budget, dabei betont Christoph Weber, der ärztliche Leiter des Checkpoint BLN, deutlich: „Wir wissen aber nicht, wie sich der Etat und die Bedarfe entwickeln werden.“

Bereits während zu Beginn der Pandemie hatte der Checkpoint unbürokratisch Menschen mit HIV-Medikamenten versorgt, allerdings handelte es sich dabei zumeist um reisende Personen, die aufgrund von gestrichenen Flügen und Reisemöglichkeiten für eine gewisse Zeit in Berlin gestrandet waren. Die problematische Situation für Menschen mit HIV ohne Versichertenschutz, beispielweise Obdachlose, bedarf einer längerfristigen Lösung. Zudem zeigt sich, dass Menschen, die mit HIV leben und nicht versichert sind, auch einem allgemein höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind – ein Problem in jeder größeren deutschen Stadt. Bisher mangele es hier noch immer an konkreten Lösungen und langfristigen Finanzierungen – das Pilotprojekt in Berlin will so also zum einen aufzeigen, was möglich ist, und zum anderen den Finger in die Wunde legen und verdeutlichen, dass es langfristig auch finanziell klare Hilfestellungen geben muss, will man HIV ernsthaft und dauerhaft beenden. Kohl vom Checkpoint BLN plädiert für eine Gesundheitsversorgung, bei der möglichst viele Dienstleitungen unter einem Dach versammelt sind und Sozialarbeit und Medizin Hand in Hand arbeiten. Und Kollege Weber ergänzt gegenüber magazin.hiv: „Es lässt sich einfach nicht mehr vertreten, dass HIV-Infektionen bei Menschen ohne Krankenversicherung unbehandelt bleiben. Man kann das Problem weiter ignorieren – oder Zugänge schaffen. Berlin zeigt, es geht, es ist möglich und nicht zu kompliziert.“

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