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Neue Strategie im Kampf gegen homophobe Staaten
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Tom Daley geschockt über Homophobie „Wenn wir nicht bald etwas unternehmen, wird etwas Monumentales passieren und wir werden wieder am Anfang stehen!“

ms - 08.08.2022 - 15:00 Uhr

Der britische Olympiasieger und Turmspringer Tom Daley (28) ist seit Jahren einer der großen Lieblinge im Vereinigten Königreich und spätestens seit seinem Coming-Out via YouTube im Jahr 2013 liegt dem gut gebauten Athleten auch die Gay-Community zu Füßen. Inzwischen ist Daley seit rund vier Jahren mit dem amerikanischen Drehbuchautor, Oscarpreisträger (Milk) und LGBTI*-Aktivist Dustin Lance Black (48) verheiratet und sie haben einen gemeinsamen Sohn namens Robby. 2024 will Daley ein letztes Mal als Sportler bei den Olympischen Spielen in Paris antreten, bereits jetzt arbeitet er an seiner eigenen Modelinie und ist als LGBTI*-Aktivist unterwegs, erst vor wenigen Tagen wurde er deswegen zweifach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Ritterorden des britischen Empire. Gerade im Einsatz für die LGBTI*-Community hat er allerdings jetzt eine 180-Grad-Wende hingelegt.

Im Dezember 2021 hatte Daley noch im Fernsehen gefordert, dass internationale Sportveranstaltungen nicht in jenen Ländern ausgetragen werden sollten, in denen Homosexualität noch immer unter Strafe steht: "2022 wird die Fußballweltmeisterschaft im zweitgefährlichsten Land für queere Menschen, Katar, ausgetragen. Warum lassen wir zu, dass unsere prestigeträchtigsten Sportereignisse an Orten ausgetragen werden, die nicht für alle Fans und Spieler sicher sind? Die Ausrichtung einer Fußballweltmeisterschaft ist eine Ehre. Warum erweisen wir ihnen diese Ehre? Die Ausrichtung eines Formel-1-Grand-Prix ist eine Ehre. Warum erweisen wir Saudi-Arabien die Ehre?" Die BBC lud den Olympiasieger daraufhin ein, im Vorfeld der Commonwealth Games, eines der weltweit größten Sportveranstaltungen, welche heute enden, im Rahmen einer Dokumentation jene Länder des britischen Commonwealth zu besuchen, in denen LGBTI*-Rechte noch nicht verankert sind. Daley willigte ein und die Reise veränderte seine Sicht auf die Dinge maßgeblich.

Es ist das eine, zu wissen, dass es aufgrund der Politik des britischen Empires aus dem 19. Jahrhundert noch immer heute in vielen ehemaligen Kolonien drakonische homophobe Gesetze gibt, das andere ist es, das vor Ort zu sehen. "Es gibt so viele Horrorgeschichten. In Lahore sprach ich mit einer Sportlerin, die anonym bleiben musste. Sie hatte einen schwulen Freund, der getötet und auf der Straße gesteinigt wurde. Ein Sportler in Nigeria erzählte mir, dass einer seiner Freunde über eine Dating-App angelockt wurde und dann erstochen und in einer Lache seines eigenen Blutes liegen gelassen wurde. Wussten Sie, dass 35 der 56 Länder, die an den Commonwealth Games teilnehmen, gleichgeschlechtliche Beziehungen immer noch unter Strafe stellen und in sieben Ländern die Todesstrafe gilt? In jedem dieser 35 Länder ist es illegal, ich zu sein. Ich habe so viel dazugelernt", so Daley gegenüber dem britischen Guardian.

Zum einen haben die direkten Erfahrungen sein Verständnis und seine Haltung gegenüber Großbritannien selbst verändert, in denen schwuler Sex bereits seit 1967 legal ist, ganz im Gegensatz zu den meisten Commonwealth-Ländern. "Ich habe so viel darüber gelernt, was die britische Herrschaft getan hat, das nicht in Ordnung war. Es kommt mir so vor, als ob wir versuchen, unsere Geschichte auszulöschen, indem wir sagen: 'Seht doch, wie sehr wir die Menschen jetzt zusammenbringen'. Aber wir müssen uns eingestehen, was passiert ist. Als ich diese Geschichten hörte, wollte ich vor Scham im Boden versinken.“ Zum anderen änderte diese Reise auch seine früheren Forderungen, homophobe Länder von sportlichen Großveranstaltungen auszuschließen: „Das ist wieder eine Form der Unterdrückung. Das bedeutet, dass man einem Land nicht erlaubt, zu lernen, an den Tisch zu kommen und zu wachsen. Das Wichtigste, was sie wollten, war Sichtbarkeit. Die Pride-Flagge wehen zu sehen, ist für viele Menschen ein Zeichen von Sicherheit.“ Anstelle eines totalen Verbots erarbeitete er jetzt mit Hilfe mehrerer Organisationen vor Ort ein Manifest, das auf dem Grundsatz beruht, dass jedes Land die Veranstaltung ausrichten darf, wenn es sich vertraglich grundsätzlich für die Rechte der LGBTI*-Community ausspricht. So heißt es in Daleys Manifest beispielsweise, dass die Gastgeberländer künftig das Hissen von Pride-Flaggen erlauben und sogenannte Pride Houses (temporäre Veranstaltungsorte, die der LGBTI*-Integration gewidmet sind) sowie Sensibilisierungsschulungen für die Mitarbeiter der Spiele anbieten müssen. "Anstatt also bestimmten Ländern zu sagen, dass sie die Spiele nicht ausrichten dürfen, heißt es, dass sie sich ändern müssen, wenn sie die Spiele ausrichten wollen. Anstatt Länder zu verbieten, werden sich die Länder selbst ausschließen, indem sie akzeptieren, dass sie als Gastgeber nicht geeignet sind, weil sie nicht zu den Werten der Veranstaltung passen." Daley hat seine Vorschläge bereits der Commonwealth Games Federation (CGF) vorgelegt und plant, sein Manifest bei allen großen internationalen Sportveranstaltungen auf den Tisch zu bringen. Sein Ziel: Es soll weltweit der Standard werden.

Dabei betont der Brite auch, wie wichtig gerade jetzt der Einsatz für LGBTI*-Menschen sei, wichtiger denn je sogar: "Ich habe das Gefühl, dass wir uns in der Queer-Bewegung in einem entscheidenden Moment befinden, wenn es darum geht, unsere Rechte zu bewahren, die immer weiter beschnitten werden. Sie versuchen fast, uns zu überrumpeln, denn die jüngere Generation hat noch nie für diese Rechte kämpfen müssen. Ich kann sehen, wie frustriert die ältere Generation über das ist, wofür sie gekämpft hat. Und das wird langsam zurückerobert. Wir dürfen nicht selbstgefällig werden und müssen viele Bündnisse eingehen. Die Menschen müssen zusammenkommen. In der Menge liegt die Kraft. Wenn wir nicht bald etwas unternehmen, wird etwas Monumentales passieren und wir werden wieder am Anfang stehen. Die Rechten sind sehr gut darin, die Menschen gegeneinander aufzubringen, um Spannungen, Spaltung und Angst zu erzeugen. Wenn Sie die jüngere Generation fragen, interessiert es niemanden, welches Geschlecht jemand hat oder welche Sexualität. Alle wollen einfach nur ein Mensch sein. In erster Linie fällt unser Planet auseinander. Wenn wir das nicht in Ordnung bringen und aufhören, uns über andere Dinge zu streiten, werden wir nicht einmal mehr einen Planeten haben, auf dem wir existieren können“, so Daley abschließend gegenüber dem Guardian.

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