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Ermittlungen gegen Afghanistan

Ermittlungen gegen Afghanistan Die letzten LGBTI*-Afghanen werden brutal gefoltert und ermordet

ms - 01.11.2022 - 14:00 Uhr

Die Anklage des Internationalen Strafgerichtshofes darf die Ermittlungen zu Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen in Afghanistan wieder aufnehmen – zu diesem Urteil kamen die Richter in Den Haag. Im Zentrum der Untersuchungen stehen dabei militante, islamistische Taliban sowie auch die Terrorgruppe IS. Afghanistan wollte zuletzt 2020 die Verfolgung selbst übernehmen, dem widersprach allerdings der Internationale Strafgerichtshof. Offensichtlich sah die Anklage es als nicht gesichert an, dass die Justiz in Afghanistan dazu überhaupt in der Lage ist oder dies ernsthaft verfolgen kann. Nun werden die Ermittlungen erneut vom Internationalen Strafgerichtshof aufgenommen.

Untersuchungen zu illegalen Hinrichtungen von Homosexuellen

Der Fokus der Untersuchungen liegt dabei auf mögliche Kriegsverbrechen, Angriffe auf die Zivilbevölkerung, die Verfolgung von Homosexuellen und queeren Menschen sowie auch von Frauen und damit verbundene illegale Hinrichtungen. Nach Informationen von Vereinen wie dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland oder auch dem queeren Verein Rat und Tat in Bremen spitzt sich die Situation dabei immer mehr zu. Experten gehen davon aus, dass in wenigen Monaten die letzten LGBTI*-Menschen entdeckt und hingerichtet worden sind. Die Taliban tun alles, um die Grenzen seit der Machtübernahme im August 2021 komplett dicht zu machen, nachdem die USA und ihre Bündnispartner, darunter auch Deutschland, übereilt das Land verlassen hatten.

Foltergefängnisse für Homosexuelle

Immer wieder gelangen Berichte an die Öffentlichkeit, die grausamste Folterungen und Hinrichtungen von Homosexuellen bekunden. Seit einem knappen halben Jahr hat die Taliban auch ein eigenes Gefängnis für LGBTI*-Menschen eingerichtet, in denen diese solange gefoltert werden, bis sie ihre Homosexualität zugeben. Anschließend werden sie umgebracht. Das Land ist indes so abgeriegelt, dass weder Hilfslieferungen noch Gelder zu den betroffenen Menschen gelangen können. Alle noch verbliebenen LGBTI*-Menschen verstecken sich bestmöglich vor den Taliban, die indes regelmäßig Razzien in den Städten durchführen. Von den Gewaltexzessen sind dabei nicht nur LGBTI*-Menschen direkt, sondern auch ihre Freunde und Familien betroffen – auch diese werden oftmals gefoltert, um so den Aufenthaltsort preiszugeben oder solange Druck aufzubauen, bis sich der jeweilige LGBTI*-Mensch freiwillig doch den Taliban ausliefert. Nach Angaben mehrerer Menschenrechtsorganisationen begehen immer mehr Homosexuelle in Afghanistan aufgrund der Ausweglosigkeit der Lage Selbstmord.

Bringt der Strafgerichtshof Licht ins Dunkel?

Schnelle Hilfe von Seiten der Bundesregierung ausgeschlossen

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Innenministerin Nancy Faeser hatte nach über 14 Monaten Schweigen zuletzt zwar angekündigt, künftig bis zu 1.000 Afghanen monatlich aufnehmen zu wollen, wobei auch erstmals LGBTI*-Menschen als Flüchtlinge anerkannt werden – wie viele Plätze dabei für queere Personen bereitstehen, ist indes komplett offen. Allerdings müssen jene Afghanen erst zumeist mit Hilfe von NGOs einen Antrag in Deutschland stellen, der von beiden Ministerien unabhängig voneinander und hintereinander geprüft wird, sodass erneut mehrere Wochen beziehungsweise sogar Monate vergehen können.

Selbst bei einer Visa-Zusage müssen es die LGBTI*-Afghanen dann noch alleine ins Nachbarland nach Pakistan schaffen, von wo sie die Bundesrepublik dann ausfliegen lassen würde. Ein Menschenrechtsaktivist, der sich seit einem Jahr für LGBTI*-Personen vor Ort einsetzt, kommentierte die Lage mit den bitteren Worten, dass sich die Hilfestellung von Deutschland bald erübrigt hätte, denn bevor die ersten Visa-Anträge alle behördlichen Prüfungen durchlaufen hätten, wären die letzten, noch lebenden Homosexuellen und queeren Afghanen höchstwahrscheinlich aufgefunden und ermordet worden. Noch ist auch unklar, wie lange die Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshof andauern werden – und welche Konsequenzen sich am Ende daraus tatsächlich für die Taliban ergeben könnten. 

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