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Kostas Dennis Weiß // © instagram.com/koschtaaa/

Im Interview mit Kostas Dennis Weiß

km - 30.07.2021 - 10:00 Uhr

„Ich habe online über psychische Erkrankungen gesprochen, weil ich will, dass Leute sehen, was Therapie bewirken kann“

Kostas Dennis Weiß, bei YouTube besser bekannt als Kostas Kind, ist über Umwege in die Welt der Content Creator gekommen. Er macht unterhaltende Videos über das Leben und Gedanken von Schwulen, mit neuen Ideen und wiederkehrenden Formaten. Dabei schlägt er auch hin und wieder ernstere und lehrreichere Töne an. Vor dem Start seines eigenen Kanals arbeitete er am Animationsprojekt #TubeClash als Head of Animation mit, das sein Freund leitete. Mit SCHWULISSIMO sprach er über die Anfänge, seine Beziehung in der Öffentlichkeit, Zwangsgedanken und vieles mehr.

Du bist ein YouTube que(e)r Einsteiger. Wie ging das bei dir los?
Ich habe damals noch während meiner Ausbildung zum Physiotherapeuten angefangen, bei einem Animationsprojekt (#TubeClash), das mein Freund geleitet hat, mitzumachen. Das war irgendwie eher spontan als geplant, weil es einfach SO VIEL Arbeit war, dass ich ihn und seinen Kumpel, mit dem er es zusammen gestartet hatte, unterstützen wollte.

Das war voll die krasse Zeit, durch die ich die „YouTube-Welt“ wie in einem Speed Date kennengelernt und mich direkt verliebt habe. 

Ich habe z.B. auch öfter den Physio-Unterricht geschwänzt, um mehr Zeit für das Projekt zu haben. Und weil ich das alles richtig cool fand und vor allem durch die Mitarbeit an dem Projekt so viel gelernt habe (Animation, Schnitt, usw.), dachte ich mir danach, dass ich es selbst gerne mit einem eigenen Kanal probieren würde.

2016 entschied ich mich dazu, mir ein Jahr zu geben, um herauszufinden, ob das Ganze als Hauptberuf klappen würde. Kurze Zeit später wurde ich dann tatsächlich von funk* angefragt, Teil ihres Netzwerks zu werden, wodurch ich finanziell so abgesichert war, dass ich mich ganz auf YouTube konzentrieren konnte.

War also auch eine Portion Glück mit dabei, die das möglich gemacht hat!

*Funk ist ein deutsches Online-Content-Netzwerk der ARD und des ZDF, das sich insbesondere an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 29 Jahren richtet.

Was macht ein Head of Animation?
Ich habe durch die Arbeit an #TubeClash gelernt, zu animieren! "Rig Doll Animation“, um genau zu sein.

Damit ein fertiges Video entsteht, gibt’s aber noch weitere Schritte, die passieren – auf die sich die anderen aus dem Team konzentrierten, sodass „Character Animation“ meine Hauptaufgabe wurde. In der zweiten Staffel habe ich dann den neuen Leuten aus dem Team beigebracht, wie das funktioniert und ihre Arbeit abgenommen, bevor sie an den Chef weitergeleitet wurde. Genau das war die Arbeit als „Head of Animation“.

Was möchtest du deinen Abonnent*innen mit auf den Weg geben? Was ist dir besonders wichtig zu transportieren?
Ich will Zuschauer*innen erstmal zeigen, dass ihre Sexualität etwas Cooles ist! Und dass man sich für Gefühle nie schämen sollte.

Generell würde ich sagen, dass ich – egal, über welches Thema ich spreche – immer versuche, offen und fair zu sein. Ich lasse Leute an meiner Einstellung teilhaben und biete ihnen meine Werte an, finde aber total wichtig, dass sie sich ihre eigenen Gedanken dazu machen. Solange sie dabei nett bleiben! Ich will den Leuten auch mitgeben, dass Rumgehetze und Beleidigungen unnötig und schwach sind.

Findest du das die Cancel-Culture ein gutes und wichtiges Instrument oder eine zerstörerische und unkontrollierbare Waffe?
Es ist ein großes Problem. Ehrliche Fehler werden nicht wirklich entschuldigt, was so einschüchternd ist, dass viele lieber gar nichts sagen oder immer frustrierter werden. 

Diskussionen werden im Keim erstickt, weil Fragen und Aussagen abstrahiert werden und dann von einer Masse verurteilt. So kann es zu keinem gesunden Austausch kommen und Fronten verhärten sich immer mehr. Wir brauchen wieder stärkere Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. Das gilt für alle Seiten.

Anfangs hattest du deinen Freund und deine Beziehung nicht zu öffentlich gehalten. Was hat deine Meinung geändert?
Da ich über das Animationsprojekt meines Freundes überhaupt erst zu YouTube kam, wollte ich nicht, dass unsere Beziehung so sehr im Fokus steht, um die Chance zu haben, losgelöst von ihm meine eigene Community aufzubauen. Ich würde sagen, das hat auch ganz gut funktioniert, aber rückblickend weiß ich nicht, ob es sich gelohnt hat, sich deswegen so verrückt zu machen.


Mit der Zeit bin ich einfach entspannter geworden und habe vor allem gesehen, dass der LGBTI*-Content, den ich nach und nach auf meinem Channel integriert habe, richtig vielen Leuten was gegeben hat. Bis heute kriege ich oft Nachrichten, die sagen, dass Zuschauer*innen unsere Beziehung Kraft gibt oder sie inspiriert. Dass sie es cool finden, dass wir so offen damit umgehen und uns nicht verstecken! (grinst)

Das ist schon richtig cool!!

Baut diese Öffentlichkeit Druck auf die Beziehung auf?
Hm, ich würde sagen, wir gehen ganz gesund mit der Sache um.

Auch wenn wir echt schon sehr oft Nachrichten bekamen, wo Leute schrieben, „IHR DÜRFT EUCH NIEMALS TRENNEN“, haben wir auch in Videos gesagt, dass das wirklich allein unsere Entscheidung ist und wir auch keine Rücksicht auf Zuschauer*innen nehmen werden, falls wir uns mal trennen sollten! Keine Ahnung, ob das gemein klingt, aber ich finde, das ist der einzig richtige Weg, damit umzugehen! Es geht ja schließlich um uns.

Was ist wichtig für Medienmenschen zu beachten – in Bezug auf eine gesunde Beziehung?
Bezieht niemanden in die Entscheidungen, die eure Beziehung betreffen, ein.

Und denkt daran, dass ihr nicht alles mit der Welt teilen müsst! Wenn ich so darüber nachdenke, machen wir das sowieso recht wenig. Wir posten jeder für sich, aber gemeinsam eher selten. Das ist auch ganz cool, weil es schon etwas Anderes ist, wenn man z.B. ein Foto macht, bei dem man weiß, dass es für Instagram ist, oder eines, dass man nur für sich macht. 

Irgendwie haben wir da auch nicht so ein Verantwortungsgefühl – so nach dem Motto „Wir sind es den Leuten schuldig, was zu posten!“. Bei uns ist das wirklich eher so, dass wir das machen, wenn uns danach ist, und wenn nicht, dann nicht. Und ich vermute, dass wir dadurch auch nicht so einen Druck verspüren.

 

Kostas Dennis Weiß // © instagram.com/koschtaaa/

Psychische Erkrankungen und Therapie ist immer noch ein Tabu Thema. Warum ist das so und wie kann man das ändern?
Puuuuh – veraltetes Stigma durch die Gesellschaft, würde ich behaupten?

Und die Tatsache, dass die Psychologie einfach noch ein „relativ neues“ Feld ist im Gegensatz zur Medizin.

Ich denke, dass ein breiteres Bewusstsein dafür, dass psychische Erkrankungen real sind und genauso mit einer Therapie behandelt werden sollten wie ein gebrochener Knochen, helfen kann, für mehr Akzeptanz zu sorgen. Und das erreicht man, indem man drüber redet und sich traut, das offen anzusprechen. Je mehr Repräsentation (in jeglicher Form), desto normaler wird es.

In der Corona-Zeit ließ sich doch gut beobachten, dass die mentale Gesundheit vieler Menschen gelitten hat. Ich hoffe, dass das als „Chance“ gesehen wird, dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken und in dem Zuge mehr Hilfe anzubieten.

Was hat dich dazu bewegt, öffentlich darüber zu reden?

Da ich im März und April dieses Jahres die heftigste Phase meiner Zwangsstörung erlebt habe (seit acht Jahren oder so), wurde ich nochmal daran erinnert, wie krass die mentale Gesundheit die Lebensqualität beeinflusst.

Gott sei Dank hatte ich durch funk therapeutische Hilfe an meiner Seite, die mich dann dazu ermutigt hat, mich nochmal bei einer Therapie speziell für dieses Krankheitsbild anzumelden.

Mir geht’s jetzt schon so viel besser, was ich zum Großteil der Therapie verdanke. Und ich finde es so schlimm, wenn Leute glauben, sie müssen da alleine durch, weil ihnen die Gesellschaft sagt, sie seien schwach oder „komisch“, wenn sie mit ihren mentalen Kämpfen nicht allein klarkommen. (Vor allem, weil genau das Gegenteil der Fall ist: Das in Angriff zu nehmen und mit einem Therapeuten zu besiegen, ist einfach nur stark!)

Niemand sollte sich dafür schämen. Es sucht sich schließlich auch keiner freiwillig aus, mit solchen Dämonen leben zu müssen.

Ich habe online drüber gesprochen, weil ich will, dass Leute sehen, was Therapie bewirken kann. Und dass es okay ist, darüber zu reden.

Glaubst du Menschen der LGBTI*-Community sind eher davon betroffen aufgrund des Versteckspiels und der ständigen Diskriminierung?
Ja! Eindeutig. Es gibt doch auch zig Studien, die nachweisen, wie gehäuft psychische Erkrankungen unter homosexuellen Jugendlichen vorkommen.

Ich hab’ in meiner Therapie gelernt, dass jeder Mensch eine individuelle Belastungsgrenze hat, die zum einen durch genetische Disposition und zum anderen durch Lebenserfahrungen festgesetzt wird.

Sich zu verstecken, Diskriminierung zu erfahren und die eigene Sexualität zurückhalten zu müssen, obwohl sie zu unseren Grundbedürfnissen zählt, ist stressig. Ich finde es nicht verwunderlich, dass das den Kopf kaputt machen kann. 


Sind in Zukunft noch weitere Projekte geplant?
Ich bin momentan in einer „Ausprobier“-Phase! Mein Kanal läuft wie gewohnt weiter.

Ich arbeite außerdem gerade mit dem SWR an einem Projekt, das sich „Losgefragt“ nennt und von dem wir aktuell die zweite Staffel für YouTube produzieren.

Mein Freund und ich basteln seit einigen Monaten an einem Buchprojekt, das wir circa zu einem Drittel fertig haben! Und ich teste mich in neuen Medien aus wie z.B. Live Streams! 
Ich hätte auch Bock auf einen Podcast! Wir haben ein Konzept entworfen, das gerade im Pitch ist! Also - ja, es wird die nächsten Monaten nicht langweilig! (lacht)

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